Drei große göttliche Offenbarungen

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Übersicht und Vergleich

Swedenborg Offenbarungen

Lorber Offenbarungen

Biographie

Die Wiederkunft Christi

Grundfragen d Lebens - Bd 1

Grundfragen d Lebens - Bd 2

Grundfragen d Lebens - Bd 3

4.Teil - Tod und Jenseits

5.Teil - Gottes Weltplan

Bischof Martin

Jenseits der Schwelle

Gottfried Mayerhofer:

Lebensgeheimnisse

Schöpfungsgeheimnisse

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Die Grundfragen des Lebens - Band 3

4. Teil

Tod und Jenseits

X. Der Tod — Ende oder Übergang?

Kapitel 66 – Am Tore der Ewigkeit

Gibt es ein Fortleben? Ist der Tod ein Ende oder Übergang?

Der biblische Beweis

Die Beweise des Okkultismus und Spiritismus

Die Erkenntnisse der neuzeitlichen Wissenschaft

Die Entwicklungs-Lehre der Neuoffenbarung

Die wahre Lebensgrundkraft — der Geist

Von Lebensform zu Lebensform

Der Leibestod des Menschen — ein Übergang

Todesfreude und Todesfurcht

Samenkorn und Mensch

Kapitel 67 – Vom Sterben und Hinübergehen

Das Geheimnis des Alterns

Der Schnee des Alters — eine Demutshülle

Der Vorgang des Sterbens

Schweres und leichtes Sterben

Ein neuer unverweslicher Leib

Weiteres vom Seelenleibe

Schauung des Todesvorgangs durch einen Seher

Der neue Leib ein Entsprechungsbild der Seele

Todesstarre

Verwesung

Bestattung

Das Wichtigste

Kapitel 68 – Auferstehung

Die katholische Kirche lehrt:

Die protestantische Lehre

Der Grundgedanke der neuen Offenbarung

Von der ewigen Verdammnis

Jüngster Tag und allgemeines Weltgericht

Auferstehung des Fleisches

Vergeistigung des Fleisches

Friedhofseelen

Verklärung und Verwandlung

Wunder in den Gräbern

Alles in Gottes Scheunen

XI. Was erwartet uns drüben?

Kapitel 69 – Die Seele in der geistigen Welt

Immer höher hinan zum geistigen Hochziel

Abholung und Führung durch Schutzgeister

Grundnorm: Wahrung der geistigen Freiheit

Die Seele in ihrer selbstgeschaffenen Geisteswelt

Die geistige Gestaltungskraft der Seele

Traumartiges Sein und Gestalten

Die geistige Wohnwelt der Seele

Kapitel 70 – In Gottes geistiger Seelenschule

Die Grundnorm der jenseitigen Seelenschulung

Die erste Stufe — der Öde und des Suchens

Glückliches Finden guter Gesellschaft

Zeit der Sammlung und Kräftigung im Liebesdienst

Weitere Stärkung und Reifung im Dienst der Liebe

Es wird Licht! Erkenntnis des geistigen Vollendungsweges

Die Seele im Himmel der dienenden Liebe

Über die Führung zur geistigen Wiedergeburt

Kapitel 71 – Geheimnisse der anderen Welt

Lichtstrahlen auch bisher

Die unübersteigliche Kluft

Gnadenzeit

Schwierigkeit der jenseitigen Entwicklung

Das Schicksal der Selbstmörder

Kinderseelen im Jenseits

Frohe Botschaft

Kapitel 72 – Ein Wiedersehen — wo und wann?

Wo wohnen die Geister und Engel?

Vom räumlichen und geistigen Sein der Jenseitigen

Der räumliche Aufenthalt entspricht der geistigen Stufe

Gibt es ein Wiedersehen?

Kapitel 73 – Der breite Weg im Jenseits

Wie kommt man in den Himmel oder in die Hölle?

Der Ort macht es nicht

Was deine Liebe will

Das große Mittelreich

Zustände im Mittelreich

Der Weg abwärts — Die Vorhölle

Kapitel 74 – Die Hölle — Gottes Feueresse

Die drei Grade der Hölle

Kämpfe in der Hölle

Dämonen und Teufel

Der Wohnort der Dämonen und Teufel

Ewige Höllenpein

Falsche Himmel- und Höllenpredigt

Gottes "Zorn" ist höchste Liebe

Die Hölle verdammt sich selbst

Dankgebet eines Erkennenden

Kapitel 75 – Paradies und Wiedergeburt

Die Gefilde der Seligen

Die Friedensregion

Die Paradiese, ein Ort der Sammlung

Was tun die Paradiesbewohner?

Die Berge als Niederkunftsplätze der Paradiesbewohner

Durch die Paradiese zur geistigen Wiedergeburt

Zeichen der Wiedergeburt

Bedeutung und Folgen der Wiedergeburt

Kapitel 76 – Das Himmelreich

Der Himmel — in drei Stufen

Der unterste oder Weisheitshimmel

Calvinisten im Weisheitshimmel

Der Weg in die höheren Himmel

Der zweite oder Liebe-Weisheitshimmel

Im höchsten oder Liebehimmel

Die "Goldene Stadt" und die "Gnadensonne"

Kapitel 77 – In der ewigen Heimat

Spiegelbeispiel für Gottes Vervielfachung

Einzug in die Goldene Stadt

Im Vaterhause

Das heilige Mahl im Vaterhause

Des Herrn Tafelrede

Kapitel 78 – Wiederverkörperung (Reinkarnation)

Die Lehre der Seelenwanderung im Altertum

Karma- u. Reinkarnationslehre in der heutigen Theosophie

Die Lehre der Neuoffenbarung

Das elementare Vor-Sein der Menschenseelen

Die Seele auf der Menschenstufe

Weiterreifung in der geistigen Welt

Wiederverkörperung auf stofflicher Ebene

Verlust der Rückerinnerung

Erd- und Sternenseelen

Fälle wiederholter Einkörperung irdischer Menschen auf Erden

Zur Ursonne zurück

Das große Gnadenwunder

In Jesu Armen, an Gottes Herz

Kapitel 79 – Verkehr zwischen Diesseits und Jenseits

Der Schleier des Geheimnisses — und sein Grund

Verkehr mit den Seligen und Vollendeten

Wesen und Amt der Schutzgeister und Schutzengel

Erst Schüler — dann "Haushofmeister"

Verkehr mit Naturgeistern

Das zweite und dritte Gesicht und Gehör

Mediale Veranlagung

Mäßigkeit und Einfachheit — eine Bedingung des geistigen Wahrnehmungsvermögens

Verkehr mit guten Geistern — einst und jetzt

Okkultismus und Spiritismus

Der praktische Spiritismus,

Vom Beten für Verstorbene

Der Herr und Meister

Kapitel 80 – Das Leben der Vollendeten

Das große Tätigkeitsfeld der Himmlischen

Endlos mannigfaltige und große Aufgaben

Verschiedenerlei Gaben des Geistes

Ewige Steigerung der Kräfte und Seligkeiten

Wachsender Wirkungskreis

Heere von Mitdienern

Die erhabene Stellung der Erdenkinder

Höchste Seligkeitsfülle in der himmlischen Ehe

Am großen Ziel






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Abkürzungen

BM         Bischof Martin

BJA        Der Briefwechsel Jesu mit Abgurus

EM         Erde und Mondsüchtigen

GEJ 01   Das große Evangelium Johannes, Band 1

GEJ 02   Das große Evangelium Johannes, Band 2

GEJ 03   Das große Evangelium Johannes, Band 3

GEJ 04   Das große Evangelium Johannes, Band 4

GEJ 05   Das große Evangelium Johannes, Band 5

GEJ 06   Das große Evangelium Johannes, Band 6

GEJ 07   Das große Evangelium Johannes, Band 7

GEJ 08   Das große Evangelium Johannes, Band 8

GEJ 09   Das große Evangelium Johannes, Band 9

GEJ 10   Das große Evangelium Johannes, Band 10

GS 01     Die geistige Sonne, Band 1

GS 02     Die geistige Sonne, Band 2

Hg 01     Himmelsgaben, Band 1

Hg 02     Himmelsgaben, Band 2

Hg 03     Himmelsgaben, Band 3

HGt 01    Die Haushaltung Gottes, Band 1

HGt 02    Die Haushaltung Gottes, Band 2

HGt 03    Die Haushaltung Gottes, Band 3

JdS        Jenseits der Schwelle

JJ          Jugend Jesu

NS          Die natürliche Sonne

RB 01     Von der Hölle bis zum Himmel, Robert Blum, Band 1

RB 02     Von der Hölle bis zum Himmel, Robert Blum, Band 2


Beispiel:

RB 01, 35, 2 = Robert Blum, Kapitel 35, Absatz 2


Bad Teinach/Schwarzwald

Dr. Walter Lutz






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X. Der Tod — Ende oder Übergang?

Kapitel 66
Am Tore der Ewigkeit

"Alle Menschen müssen sterben." Dieser unumstößliche Erfahrungssatz ist vielen Erdenbürgern ein Schreckensgedanke, dem sie nur höchst ungern Raum geben und den sie am liebsten übertäuben möchten mit dem rauschenden Schwall des zeitlichen Lebens. Es hilft den todesbangen Weltgenießern aber nichts. Eines Tages erscheint eben doch der Engel des Herrn mit dem Befehl der Abberufung aus dieser Welt — und was dann?

Gibt es ein Fortleben? Ist der Tod ein Ende oder Übergang?

Über diese Frage haben schon Abermillionen sterblicher Menschen mit Furcht oder gläubiger Hoffnung nachgedacht. Sie stellt sich immer wieder, da wir keinen Tag sicher sind, ob der Tod nicht an uns herantritt und Krankheit und Alter uns immer wieder an ihn mahnen.

Der oberflächliche Augenschein zeigt uns das Sterben aller Kreatur als eine Auflösung, ein Vergehen, ja als eine offenbare Vernichtung des Lebens. Unser Gefühl aber sträubt sich mit aller Macht dagegen, und gebieterisch verlangt unser Lebenswille eine Rettung aus dem Abgrunde des Nichts. Wo aber sind die Beweise für ein ewiges Fortleben? Wo gibt es eine verlässliche Erkenntnis der Wahrheit im unendlichen Dunkel dieses Lebensrätsels?

Der biblische Beweis

Von vielen werden vor allem die göttlichen Offenbarungsschriften aller Völker und Zeiten genannt — in der christlichen Welt in erster Linie die Bibel. Was diese Grundlage der christlichen Glaubenslehren anlangt, so ist hier freilich bemerkenswert, dass es im Alten Testament, wie es uns überliefert ist, nur sehr wenige Stellen gibt, die unzweideutig auf ein ewiges Fortleben in Gott hinweisen.

In dem ums Jahr 150 vor Chr. von einem unbekannten Seher verfassten Buche Daniel heißt es (Kap. 12, 2): "Viele, so unter der Erde schlafend liegen, werden erwachen: etliche zum ewigen Leben, etliche zu ewiger Schmach und Schande."

Vorwiegend herrscht im Alten Testament jedoch "das Grauen vor dem Versinken ins Totenreich". So klagt (in Jesaia 38, 10) der fromme König Hiskia: "Im Mittag meines Lebens muss ich zu den Pforten des Totenreichs dahinfahren … Nun werde ich nicht mehr schauen den Herrn im Lande der Lebendigen, werde keinen Menschen mehr erblicken bei den Bewohnern der Totenwelt. Meine Wohnung wird abgebrochen wie ein Hirtenzelt. Noch ehe der Tag zum Abend wird, macht Er aus mit mir." — Ähnlicher Stimmung ist der Psalmist (Psalm 6, 6): "Im Tode gedenkt man deiner nicht, o Gott. Wer singt im Totenreich Dein Lob?" — Und Hiob kennt die Unterwelt (Kap. 10, 21) nur als "das Land der Finsternis und des Todesschattens, das Land, das düster ist wie tiefe Nacht."

Es ist freilich auch schon nach der Lehre des Alten Testaments ein Unterschied unter denen, die in dieses mächtige Reich der Toten kommen: "Die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern" (Jes. 57, 2). — Die andern fahren mit Angst in die Grube, und Gott "hört nicht ihr Schreien" (Hiob 27, 8 ff.). Ob diese düstere Jenseitslehre schon anfänglich in den heiligen Schriften der Israeliten vertreten wurde, ist allerdings fraglich. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass erst die vermaterialisierte höhere Priesterschaft der späteren Zeit, die mit den Sadduzäern die Geisterwelt und das Fortleben nach dem Tode leugnete, die diesbezüglichen lichtvolleren Bekundungen der alten Urschriften unterdrückt hat.

Ein volles Licht über diese Dinge aber gab der Herr des Lebens in seiner Offenbarung als Jesus Christus durch seine Worte und Werke, die uns in den Schriften des Neuen Testaments und noch ausführlicher in denen der Neuoffenbarung durch Jakob Lorber überliefert sind.

"Ich bin die Auferstehung und das Leben! Wer an Mich glaubt (und die Gebote der Liebe hält), der wird leben, ob er gleich stürbe" (Joh. 11, 25) — dies ist der Grundklang der von Jesus, dem Heiland und Erlöser verkündeten Jenseitslehre. Freilich haben die Schriften der Offenbarung und im besonderen die der Bibel nicht für alle Menschen eine vollgültige Beweiskraft, zumal in unserer Zeit die wissenschaftliche Bibelforschung die geschichtliche Entstehung und die vielfache Überarbeitung der gesamten biblischen Schriften unwiderleglich nachgewiesen hat.

Die Beweise des Okkultismus und Spiritismus

Der kritisch überlegende Mensch schaut sich daher nicht ohne Berechtigung auch nach anderen Aufschlüssen um. Und da sind von altersher von großer Bedeutung die Zeichen und Kundgaben aus der geistigen Welt, dem sogenannten "Jenseits", welche der Vater des Lichts bei allen Völkern der Erde immer wieder und besonders in der geistig so hochbedeutenden Gegenwart zur Erweckung, Aufrüttelung und Belehrung der erdgebundenen, im Weltwahn befangenen Menschheit zulässt.

Man hat in unsern Tagen diese "Zeichen und Wunder" des Jenseits und ihre Erforschung mit dem Namen Okkultismus und Spiritismus belegt. Von den unzählbaren, erstaunlichen Erfahrungen dieser Geisteswissenschaften kann ein großer Teil nur durch die Annahme einer unsichtbaren, ins diesseitige Leben hereinragenden Geisterwelt erklärt werden, in der des Menschen geistig-seelisches Wesen nach dem leiblichen Tode fortlebt und sich geistig weiterentwickelt.

Nach den bei allen Völkern, den primitiven wie den zivilisierten, millionenfach gemachten Erfahrungen und im Hinblick auf die Genauigkeit der besonders von deutschen und englischen Forschern angestellten Untersuchungen der Neuzeit kann kein vernünftig Urteilender diese Beweise mehr zurückweisen. Wer es dennoch tut aus Trägheit oder Voreingenommenheit, hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn ihm diese Möglichkeit einer beruhigenden und beglückenden Erkenntnis versagt bleibt.

Die Erkenntnisse der neuzeitlichen Wissenschaft

Ein weiterer starker Beweis für das Fortleben der Seele nach dem leiblichen Tode liegt ferner in den neuesten Erkenntnissen der wissenschaftlichen Forschung, wonach nicht das Stoffliche, der Leib, die Entstehungsgrundlage des geistigen Lebens, sondern umgekehrt der Geist das Ursprüngliche, das Schöpferische — Stoff und Leib dagegen das geschaffene Erzeugnis des Geistes ist.

Zu dieser Erkenntnis haben auf dem physikalischen Gebiete besonders die Atomforschungen der Gegenwart geführt, auf dem mathematisch-philosophischen die Denkarbeit Planks u.a., auf dem biologischen die Feststellungen von Driesch. Alles Stoffliche, das in der Zeit der materialistisch mechanischen Welterklärung als an sich "tot" angesehen wurde, enthüllte sich im Lichte der neuzeitlichen Forschung als ein sinnvoll geordnetes System lebendiger Kraftfunken (Elektronen), denen eine gewisse Denk- und Willensfähigkeit zukommt und die durch höhere Intelligenzkräfte geleitet und zu den unseren Sinnen bekannten stofflichen Gebilden gestaltet werden.

In jedem lebenden Organismus, auch im Menschen, waltet als Erbauer und Erhalter eine solche leitende Intelligenz, zu deutsch ein "Geist" (Hans Driesch gebraucht die griechische Bezeichnung "Entelechie" = Innenlicht). Und da dieser Geist das Werk des Leibes selber errichtet und ausgestaltet, also vor dem Werke da war, so ist der Schluss unabweisbar, dass er auch nach Auflösung seines Werkes noch da sein wird und durch dessen Zerfall in seinem Fortleben nicht gehindert werden kann.

Die Entwicklungs-Lehre der Neuoffenbarung

Alle diese bedeutsamen Beweise des Fortlebens nach dem Tode, welche die Offenbarungsschriften, der Okkultismus und Spiritismus und die neuzeitliche Wissenschaft bieten, werden aber überboten und aufs wunderbarste beleuchtet durch die in den Schriften Lorbers aus höchster Geistesquelle dargebotene Schöpfungs- und Seelenentwicklungslehre.

Schon der Darwins Entwicklungsgedanke konnte die Menschheit darauf hinweisen, dass nicht nur die Wesen des Pflanzen- und Tierreichs eine vom Schöpfer bestimmte sinnvolle Entwicklungsreihe bilden. Die ganze Schöpfung und auch der Mensch und sein Leben müssen doch offenbar — wenn der Entwicklungsgrundsatz allgemeine kosmische Geltung hat — einer sinnvollen Entwicklung unterliegen.

Diese große, von Darwin teilweise geahnte Wahrheit ist in den Lorberwerken, wie im ersten Bande unserer Gesamtdarstellung "Die Grundfragen des Lebens" (Kap. 6, ff.) ausführlich dargetan wurde, in allen Tiefen und Höhen mit allen Einzelheiten enthüllt. Die ganze Schöpfung und auch das Menschenleben erschauen wir als einen geistigen Entwicklungsvorgang mit den höchsten Lebenszielen. Und wenn man aus diesen Lehren der Neuoffenbarung unter der Wucht ihrer überzeugungsvollen Vernunft sich darüber klar geworden ist, dass der Schöpfer in seiner Liebe, Weisheit und Allmacht aus uns, seinen noch schwachen und unvollkommenen Geschöpfen, wahre Kinder und Ebenbilder für ein gottähnliches Leben reifen will, dann ist uns das Fortleben nach dem irdisch-leiblichen Tode eine Selbstverständlichkeit, klar wie die Sonne.

Die wahre Lebensgrundkraft — der Geist

In den Lorberschriften verkündet der Herr: "Der Mensch lebt im Geiste entsprechend in der jenseitigen Welt, wie er in seinem Leibesleben, welches nur ein Mit- oder Mittelleben ist, hier auf der Erde gelebt hat. — Mancher wird nun sagen: Damit scheint es nicht seine völlige Richtigkeit zu haben! Denn das geistige Leben muss doch sicher unter ganz anderen Verhältnissen gedacht werden als das naturmäßige Leben. Ich, der Herr, aber sage euch: Wer so spricht, hat noch keine Ahnung von dem, wie und wodurch er naturmäßig lebt.

Lebt denn beim Leibesleben der Leib oder der Geist? Was ist die wahre Grundkraft des Lebens? Wer nur ein wenig klar zu denken vermag, wird doch nicht die wahre Grundkraft des Lebens im Leibe, sondern allein im Geiste suchen. Denn wäre die Lebensgrundkraft im Leibe, so wäre der Leib unsterblich. Der Leib aber ist sterblich, somit kann er auch nicht die Grundfeste des Lebens in sich haben, sondern nur der Geist, der unsterblich ist.

Das Leben des Leibes ist nur ein durch das Leben des Geistes bedingtes und erregtes Mitleben. Gerade so, wie irgendein Werkzeug in der Hand eines Handwerkers wirkend mitlebt, solang es der Handwerker in seiner lebendigen Hand leitet. Legt er es aber zur Seite, dann hat es mit dem Mitleben des Werkzeuges und dessen Tätigkeit ein Ende.

Wer wird demnach etwa den Satz aufstellen wollen: Der Handwerker müsse sich nach den Verhältnissen des Werkzeuges richten — statt klar einzusehen, dass der Handwerker es ist, der sich brauchbare Werkzeuge nach seinem Bedürfnisse anfertigt! — Wenn also der Geist als Werkmeister die Verhältnisse des Werkzeugs (das Leib genannt wird) nach seinem Bedürfnisse bestimmt, so wird es auch klar sein, dass die Verhältnisse des mitlebenden Leibes von denen des allein lebendigen Geistes abhängen, und nicht umgekehrt.

Und so lebt also der Geist allezeit allein aus seinen eigenen Lebensgrundkräften und in seinen eigenen Lebensverhältnissen, an denen der Leib im Bestehen und Vergehen so wenig zu ändern vermag wie das tote Werkzeug an den Verhältnissen des Handwerkers." (Geist. Sonne, Bd. 2, 111)

Von Lebensform zu Lebensform

"Ist eine Seele — was ihr jenseitiger (d.h. reiner) Geist aus Gott gar hell sieht — einmal in einem Leibe, sei es dem einer Pflanze oder dem eines Tieres, durch die rechte Ausreifung fähig, in eine höhere Lebensstufe aufzusteigen, so veranlasst ihr sie stets fortbildender jenseitiger Geist, dass ihr der für fernerhin unbrauchbare Leib abgenommen wird. Dies, damit sie dann, als schon mit höherer Intelligenz begabt, sich einen andern Leib bilden kann, in dem sie kürzere oder längere Zeit hindurch sich wieder zu einer größeren Lebens- und Tätigkeitsintelligenz emporarbeiten kann. Und das so fort bis zum Menschen hinauf, wo sie dann, als schon völlig frei, im letzten (materiellen) Leibe zum vollen Selbstbewusstsein, zur Erkenntnis Gottes, zur Liebe zu Ihm und dadurch zur vollen Vereinigung mit ihrem jenseitigen Geiste gelangen wird — welche Vereinigung wir die Neu- oder Wiedergeburt im Geiste nennen." (GEJ 06, 133, 4-5.)

Diesen Gedanken des geistigen und gestaltlichen Aufstiegs von Lebensform zu Lebensform beleuchtet der Herr in den Neuoffenbarungsschriften vielseitig und eingehend, so an anderer Stelle des "Großen Evangeliums" mit den Worten:

"Alles, vom Kleinsten bis zum Größten — sei es nach eurem Menschenverstand gut oder böse — ist so wenig vernichtbar wie Gott als die urewige Kraft, Liebe und Weisheit selbst. Übergänge vom Unvollkommenen zum Vollkommenen sind freilich notwendig, weil Gott dadurch seinen großen Gedanken und Ideen eine freie Selbständigkeit verschaffen will. Aber die Übergänge sind keine Vernichtungen, sondern nur erscheinliche Zerstörungen im Gebiete des äußeren Naturmäßigen. Nur die materiellen Formen, in denen das geistige Lebenskraftwerk eine Zeitlang von der allgemeinen göttlichen Geistwesenheit gewisserart abgetrennt rastet und verborgen ist, sind zerstörbar, aber ihr inneres Wesen nimmerdar.

Diese äußeren Formen müssen der Erscheinlichkeit nach darum zerstörbar sein, weil ohne sie (d.h. ohne den durch die Formen hindurch stattfindenden Aufstieg der Seelen) eine geistige Vervollkommnung in Hinsicht auf die freie, individuelle Selbständigwerdung der Wesen unmöglich wäre. Denn was ist für euch, als nun in einer letzten materiellen Form steckende Menschen, die sicht- und wahrnehmbare Kreatur anderes als Meine durch Meinen Willen für eine gewisse Zeit dauernd festgehaltenen Gedanken und Ideen, die Ich, so es nötig ist, ändern kann, wie und wann Ich es nach Meiner Liebe und Weisheit will. Ich tue das aber nicht etwa aus einer Art Laune, sondern aus ewiger Notwendigkeit nach Meiner weisesten Liebeordnung, um Meinen Gedanken und Ideen eine freieste und individuell wesenhafte Selbständigkeit zu verschaffen. Wäre das auf anderem Wege möglich, würde Ich solchen sicher vorgezogen haben. Aber es ist und bleibt der euch bekannte Weg der wahre und beste, weil durch ihn allein Meine Absichten vollkommen erreicht werden können." (GEJ 10, 111, 1-4.)

Der Leibestod des Menschen — ein Übergang

Auch der Leibestod des Menschen ist demnach nur ein Übergang zu einer anderen Seinsstufe. Dabei wird die alte stoffliche Form des Leibes, welche der Geist als ein Gehäuse und Werkzeug für sich und die Seele aufgebaut und bis dahin erhalten hatte, als fürderhin untauglich oder entbehrlich verlassen und aufgelöst — während das eigentliche geist-seelische Lebewesen sich in ein freies, vom groben Erdenstoff entbundenes Dasein begibt.

"Wenn wir von Gott aus berufen werden, diese Welt zu verlassen, dann wird ein Engel Gottes … alles dem Geiste Angehörige aus der Materie freimachen, die Materie der vollen Auflösung übergeben, die Seele aber und ihren Lebensgeist, sowie alles, was in der Materie (des Leibes) der Seele angehört, in vollkommener (ätherischer) Menschengestalt vereinigen und nach dem ewig unwandelbaren Willen Gottes in die Welt der Geister hinüberführen." (GEJ 02, 195, 2.)

"Siehe, in der Liebe-Wollust (deiner Eltern) wurdest du gezeugt. Aber in der höchsten Liebelust (der Himmel) wirst du als Geist aus dem schweren Fleische gehoben und lebst dann (nach deiner Vollendung) ein vollkommenstes, ewiges, mächtig wirksamstes Leben, dessen Süße mit nichts Irdischem zu vergleichen ist. Und was du immer auf Erden angefangen hast, das wirst du im Geiste auf der geistigen ewigen Erde vollenden." (Haushaltung Gottes, Bd. 3, 120, 19 ff.)

Todesfreude und Todesfurcht

Die Gedanken und Gefühle, mit welchen die Menschen diesem Ereignisse entgegensehen, werden freilich sehr verschieden sein, je nach dem Erkenntnislichte der Seele und ihrer Liebe, sei es zu Gott oder zur Welt.

Der Gottesmensch, der mit klarem Bewusstsein ein ewiges, lichtvolles Leben vor sich sieht, hat keinen Grund zu Furcht und Trauer. Anders wird es bei einen Menschen sein, dessen Herz am Stofflichen und Fleischlichen, das heißt an den Gütern und Genüssen der vergänglichen Welt hängt. Bei ihm wird das freudige Bewusstsein des ewigen Fortlebens in einer unsichtbaren, reingeistigen Welt keinen Eingang finden, und eine solche Seele wird die Todesfurcht nicht los werden.

Im "Großen Evangelium" spricht der Herr: "Dass viele Menschen vom Fortleben der Seele nach dem Leibestode kein Bewusstsein haben und in steter Furcht vor dem Tode leben, liegt hauptsächlich an ihrer Liebe zur Welt und ihrer Selbstliebe. Durch diese falschgerichtete Liebe wird die Seele sehr in ihr Fleisch vermengt. Die Folge davon ist, dass sie dadurch das Gefühl des Sterbens, Vergehens und Aufhörens stets mehr zu ihrem eigenen machen und übergehen muss in allerlei Angst und Furcht.

Siehe, die Urväter der Menschen dieser Erde hatten keine Furcht vor dem Tode, sondern oft nur Sehnsucht danach, dass sie befreit würden von dem gebrechlich gewordenen Leibe. Sie hatten ob ihres Gott wohlgefälligen Lebenswandels von Zeit zu Zeit helle Gesichte und Blicke ins Jenseits und haben sich dadurch ein klares Bewusstsein über das Leben der Seele nach dem Abfalle des Leibes erworben. Aber in dieser gegenwärtigen Zeit ist beinahe aller Glaube an Gott bei den Menschen erloschen. Wo sollte da das helle Bewusstsein der Seele noch herkommen? Wo man an dem Grunde alles Lebens beinahe allgemein zweifelt, da ist es gar nichts Wunderbares, wenn man über das Fortleben der Seele nach des Leibes Tode in starkem Zweifel ist.

Gehe hin zu den Sadduzäern, und du wirst finden, dass sie äußerst materielle, die Welt und sich über alles liebende Menschen sind, ferner an gar keinen Gott glauben und darum auch die Unsterblichkeit der menschlichen Seele völlig leugnen. Dafür aber kannst du in Indien noch heutzutage Menschen finden, die mit den Seelen verstorbener Menschen geradeso umgehen wie mit Lebenden und sich mit ihnen über tausenderlei Dinge besprechen. Diese Menschen haben auch nicht die leiseste Furcht vor des Leibes Tod; im Gegenteil ist der Sterbetag eines Menschen bei ihnen ein wahrer Jubeltag.

Siehe, so sind in dieser Hinsicht die Menschen höchst verschieden! Am meisten aber fürchten sich vor dem Leibestode die Juden, und der Grund davon ist eben ihre große Weltliche und sinnliche Lust. Wer diese so sorgfältig pflegt, muss mit der Zeit um alles höhere Licht kommen. Denn nichts schadet dem lebendigen Glaubenslichte so sehr wie die Unzucht und fleischliche Hurerei, die schon seit langem bei den Juden um vieles ärger ist als bei den finstersten Heiden. Diese Sünde erstickt die Seele förmlich im Schlamme des Fleisches und tötet sogar das Fleisch selbst … Wenn aber so, woher soll dann solch eine Seele das lichte Lebensbewusstsein nehmen?

Wer Mein Wort hört, es als Wahrheit annimmt und treu danach lebt und handelt, der wird hinfort keinen Tod mehr fühlen noch schmecken!" (GEJ 06, 68, 1-8, 69, 1.)

Samenkorn und Mensch

Eine herrliche Aussprache findet sich über diese letzten Fragen des Erdenlebens in dem grundlegenden Lorberwerk "Die Haushaltung Gottes".

In einem Schlusskapitel des dritten und letzten Bandes rechtet vor dem Ausbruche der Sündflut Mahal, der verstandesstolze Bruder Noahs mit dem Herrn, weil er Noah retten, ihn, den Mahal, aber dem Untergang und der ewigen Vernichtung preisgeben wolle. Das Zerstörungswerk des Todes am Menschen sei überhaupt etwas höchst Sinnloses.

"Herr", spricht Mahal, "hältst Du den für klug, der ein überaus kunstvolles Werk mit der tauglichsten Zweckmäßigkeit zuwege bringt — wenn es aber in seiner höchsten Vollendung dasteht, es zusammenbricht und in eine Grube wirft, wo es verfault und vernichtet wird?"

Dem weltsinnigen Haderer erwidert der Herr mit heiliger Güte:

"So das ein Werkmeister zwecklos täte, da wäre er in der Tat ein offenbarer Tor und der Verdammnis wert. Aber wenn der Werkmeister damit einen höheren Zweck verbindet, der ohne einen solchen dir töricht dünkenden Vorgang durchaus nicht zu erreichen ist, da tut er sicher sehr klug und weise, wenn er solch ein kunstvolles Vorwerk vernichtend in eine Verwesungsgrube wirft — denn er erreicht dadurch ja einen heiligen Zweck.

Siehe, ein Samenkorn ist gewiss auch ein höchst kunstvolles Werk sowohl in seiner äußern Gesamtgestaltung wie in den feinstofflichen Teilen. Findest du aber unklug, dass es in der Erde zuvor verwesen muss, auf dass es dann daraus hundertfältig wiedererstehe? Wenn aber der weise Werkmeister der Dinge schon bei einem gemeinen Samenkorn eine solche Einrichtung getroffen hat, meinst du wohl, Er wird den Menschen, dies endlos vollkommene Werk, bloß darum in die Grube der Verwesung stürzen, um seiner Laune zu genügen?

O Mahal, wie blind musst du sein, wenn du in Mir einen so törichten Werkmeister wähnst! Sagt nicht dein eigenes Gefühl, dass du ewig leben und immer tiefer beschauen möchtest Meine endlos vielen Werke? Meinst du wohl, dass du dieses Gefühl hättest, so du nur für ein zeitliches Dasein geschaffen wärest? Wahrlich, Ich, dein Schöpfer, sage dir, da würdest du auch nur einen zeitlichen Lebenstrieb haben! Da du aber einen ewigen Lebenstrieb in dir hast und kannst hinausschauen ins Unendliche, so trägst du ja schon den lebendigen Beweis in dir, dass du in deiner Grube nicht verwesen wirst, um als ein unvollendetes Werk Meiner Hand zunichte zu werden, sondern um eben erst durch dieses dir unklug scheinende Mittel in Fülle und höchster Vollendung das zu erreichen, was du in diesem Vorwerke fühlst und lebendig begehrst!

Siehe, die Erde ist ein Leib, aus dem vieles geboren wird, und du weißt nicht, wie das zugeht. So muss auch dein irdischer Leib wieder in die Erde gelegt werden, auf dass dein geistiger, unzerstörbarer Leib frei in der Fülle zum ewigen Leben erstehe! Dass sich aber die Sache so verhält, davon hast du in deinem Leben schon die vielfachsten Beweise erhalten, indem du schon mit vielen geredet hast, deren Leib in die Erde gelegt worden ist." (Haushaltung Gottes, Bd. 3, 339, 4-10.)






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Kapitel 67
Vom Sterben und Hinübergehen

Nächst der großen Frage: Ende oder Übergang? sind es viele andere Geheimnisse, welche das erhabene Mysterium des Todes umhüllen. Da ist als eine Vorerscheinung das rätselhafte Altern, wodurch die Seele zum Scheiden reift. Da ist das schwere und das leichte Sterben der verschiedenen Menschen. Da sind die seltsamen, tiefbedeutungsvollen Vorgänge der leiblichen Auflösung und endlich die jenseitigen geistigen Geschicke der Seele nach ihrer Befreiung vom Erdenstaub.

Auf alle diese Rätsel wirft der schon erörterte Gedanke des entwicklungsmäßigen Übergangs von der stofflichen zur geistigen Stufe ein klärendes Licht. Aber noch heller werden diese Fragen, wenn wir uns in den Schriften der Neuoffenbarung weiter vom Herrn des Lebens belehren lassen.

Das Geheimnis des Alterns

Warum die leiblichen und oft auch die seelischen Kräfte des Menschen im Alter abnehmen, wissen die Ärzte und Lebensforscher naturmäßig zu erklären mit der Abnützung oder Verhärtung der leiblichen Organe. Selten fragen sie sich aber woher es kommt, dass die "Natur", die in jedem lebenden Organismus geraume Zeit hindurch allen widrigen Einflüssen zu trotzen weiß, von einem bestimmten Zeitpunkt an die Erhaltung aufgibt und ihr Werk der Zerstörung überlässt. Da wir auch in der Erscheinung des Alterns bei jedem Lebewesen eine bestimmte Ordnung erkennen, so liegt es nahe, auch hinter diesem naturmäßigen Geschehen ebenso wie beim Keimen, Wachsen, Aufblühen und Fruchtbringen) einen weisen Zweck und einen vernunftvollen Plan zu vermuten. Ist doch gesagt, dass ohne Gottes Willen auch nicht ein Haar von unserem Haupte fällt!

Der geistige Sinn und Zweck des Alterns wird uns in den Offenbarungsschriften klar erhellt: der reine, göttliche Geist im Menschen, der nach dem Plan und Willen Gottes den Leib als Gefäß und Werkzeug der Seele aufbaut, weiß, wann es nach dem hohen Ratschlusse Gottes an der Zeit ist, die Seele dieser zeitlichen Behausung zu entwöhnen und durch den allmählichen Zerfall der irdischen Hütte ihren Sinn auf das Jenseitige und Ewige zu richten.

Einem indischen Magier, welcher sich darüber beklagt, dass auf der oft mühsam erreichten Höhe des Lebens die Kräfte des Menschen schwinden und der Leib mühselig und gebrechlich werde, erwidert der Herr: "Wandelt gleichfort auf den Wegen, die Ich euch treulich gezeigt habe, so werdet ihr (auch im Alter) wenig zu leiden haben, und euer Abgang von dieser Welt wird ein leichter sein! — Nur über jene kommen am Ende zumeist bittere Leiden, die aus allerlei Welttümlichkeiten ihre Seele zu sehr in ihr Fleisch vergraben. Denn eine solche Seele muss, damit sie nicht völlig verderbe in ihrem Fleische, mit großer Gewalt von demselben losgetrennt werden, was im Leibe Schmerzen erzeugen muss. Und das ist gut für die Seele, weil sie durch die Schmerzen und Leiden von ihren fleischlichen Gelüsten frei wird und dadurch im Jenseits einen leichten Fortgang und ein sicheres Vorwärts-schreiten auf der Bahn des geistigen Lebens findet. — Ganz welttümliche Menschen aber, die an keinen Gott glauben und dabei doch ein gesundes Leben bis in ihr hohes Alter genießen und am Ende auch eines schnellen und schmerzlosen Todes sterben, haben ihren Lebenslohn auch schon auf dieser Welt empfangen und werden im Jenseits sehr schwer je einen zu gewärtigen haben." (GEJ 08, 16, 11-13)

Durch die körperliche Hinfälligkeit erkennt der Mensch seine Schwäche. Er sieht ein, dass er ohne die Kraft des göttlichen Lebensgeistes nichts ist und lernt Demut, die Grundvoraussetzung alles wahren geistigen Fortschritts. Und weiter lernt der alternde Mensch durch eigene Gebrechen und Leiden das Mitgefühl mit seinen Nebenmenschen und jeder Kreatur. Dadurch beginnt er sich zu vervollkommnen in der reinen himmlischen Liebe. So ist also das Alter jene wahrhaft weise Hochschule der Seelenläuterung. Wer sich willig darein schickt und Gottes Ordnung und Willen sich zu eigen macht, dessen Beschwerden werden auch im höchsten Alter erträglich sein, da der Geist, der inwendige göttliche Herrscher und Helfer, dann seines Wesens Licht und Kraft auch über Leib und Seele ergießt.

Der Schnee des Alters — eine Demutshülle

Seltsam ist auch, dass des alternden Menschen Haar nach und nach dieselbe Farbe annimmt wie der Schnee, der die ruhende winterliche Natur in seine stille Decke hüllt. Auch hier wissen die Biologen einen äußeren Grund: die Veränderung der chemischen Farbstoffe des Haares infolge schwächerer Ernährung. Aber der tiefere geistige Grund wird wohl selten erkannt. Um so klarer wird uns dieser im Lichte der Neuoffenbarung erhellt:

Alles Leibliche und Äußere ist in Form und Farbe ein Entsprechungsbild des geistigen Inneren. So hat auch der "Schnee des Alters" einen geistigen Entsprechungssinn, der aus Folgendem erhellt: Die weiße Farbe ist an sich gleichsam nichts, sie zeigt äußerlich keine der sieben Grundfarben des Regenbogens, und dennoch enthält sie (prismatisch zerlegt) alle sieben Farben in sich vereinigt. Und ganz so ist es auch mit der Demut. Auch diese ist nach außen hin gleichsam nichts; aber in sich birgt sie die ganze Fülle aller sieben göttlichen Hauptgrundeigenschaften:

Liebe, Weisheit, Macht, Ordnung, Ernst, Geduld und Barmherzigkeit. Und so hat der Schöpfer dem Alter des Menschen wie der winterlichen Erdflur dieselbe Farbe zur sinnbildlichen Decke gegeben.

Der Vorgang des Sterbens

Auch über die Löse der Seele vom Leibe, den Vorgang des Sterbens, geben die Neuoffenbarungsschriften bedeutsame, sonst nirgends zu findende Aufklärungen.

Vor allem machen sie uns, wie schon vielfach hervorgehoben, klar, dass der Mensch aus drei Wesensteilen: Geist, Seele und Leib besteht. Sie zeigen, dass der reine Geist, jenes innerste Grundleben, ein himmlisches Wesen von gottähnlicher Liebe, Weisheit und Kraft ist, — dass die Seele aus Myriaden mit Satan gefallener Lebensfunken besteht, die ihre Selbstherrlichkeit und Selbstsucht überwinden und himmlischen Geist sich aneignen sollen — und endlich, dass der Leib aus jenen hartnäckigsten, mit Satan gefallenen Lebensfunken besteht, die sich trotz aller geistigen Belehrung der göttlichen Demuts- und Liebeordnung nicht fügen wollen.

Wenn es nun in der Stunde des Todes an eine Scheidung geht — wie werden sich da diese drei Wesensteile des Menschen verhalten, und wie haben wir uns diesen geheimnisvollen Vorgang zu denken?

Durch Lorber erfahren wir, dass der Herr einem jeden Menschen einen "Todesengel" schickt, der die Löse vornimmt (GEJ 02, 195, 2). Es ist dies einer der höheren Schutzengel des betreffenden Menschen, die oben in den Friedensregionen wohnen und, über den unteren Schutzgeistern waltend, die Führungen und Geschicke des Menschen nach dem Willen des himmlischen Vaters leiten. (Erde und Mond, 28)

Wenn dieser Engelsgeist als "Todesengel" durch seinen Willenshauch das Zeichen gibt, dann entsteigt der als innerer Leiter im Herzen des Menschen wohnende göttliche Sondergeist seinem fleischlichen Kerker und erhebt sich über dem Leibe in die Luft. Und nun geschieht mit der Seele etwas Ähnliches, wie solches der Imker beim Ausflug der Königin im Frühsommer erfährt. Wie dort der Schwarm der jungen Bienen der Königin nachfolgt — die einen eilend, die andern zögernd — und wie sich schließlich der größte Teil traubenförmig an die Königin setzt, ebenso geschieht auch beim Sterben des Menschen (wie auch jedes anderen Lebewesens) der Auszug der Myriaden Seelenfunken aus dem Leibe und die Ansammlung um den das Lebenszentrum des Menschen bildenden Geist.

Auch von den fast zahllos vielen Seelenfunken folgen nicht alle mit gleichem Eifer dem Geiste. Meist ist nur ein Teil schon himmlisch-geistigen Sinnes und eilt mit Lust und Eifer dem Führer nach. Je lauterer, reifer und himmlischer eine Seele ist, desto größer und geistesfeuriger ist dieser Teil. Je fleischlicher, unreifer und erdgebundener aber eine Seele ist, desto größer ist die Zahl der Seelenfunken, welche zögern und beim geliebten Leibe in der irdischen Welt zurückbleiben möchten. Es gibt da meist ein langes Hin und Her zwischen diesen beiden Polen, dem Geiste und dem Leibe. Mit Macht sucht der Geist, was irgend möglich ist, an sich zu ziehen, aber oft ist bei einem Teil der Seelenfunken alle Liebesmühe umsonst. Ihre Fleisches-, Stoff- und Weltsucht ist zu groß, und sie entscheiden sich trotz allem, eigenwillig beim geliebten Leibe zu bleiben. Dieser Wille wird ihnen, da im Reiche unseres himmlischen Vaters die größte Freiheit Grundgesetz ist, bis auf Weiteres auch gelassen.

Schweres und leichtes Sterben

Wenn wir diese Vorgänge in Betracht ziehen, so ist klar, dass auch die Empfindungen der Seele bei der Trennung vom Leibe sehr verschieden sind, je nachdem ihre Liebe eine weltsüchtige oder eine himmlische ist.

Eine himmelsreife Seele wird mit Freude der irdischen Auflösung und dem Übertritt in das Licht der Ewigkeit entgegensehen und auch etwaige körperliche Leiden mit Geduld und Vertrauen tragen. Eine weltsüchtige Seele dagegen wird mit Bangen dieser Stunde entgegensehen und die Leiden, die ihr zur Ablösung von den Banden des Fleisches und der Welt auferlegt sind, mit Ungeduld oder in dumpfer Ergebung tragen.

"Wenn du so leben wirst", spricht der Herr im "Großen Evangelium", "dass deine Seele in ihrem Geiste völlig wiedergeboren wird, so wird dein Geist mit allen in deinem Fleische noch steckenden unreinen Elementen bald und leicht völlig fertig werden und du wirst eines ganz seligen Todes sterben auch dem Leibe nach. Aber so da jemand im allgemeinen zwar wohl nach Meiner Lehre ganz ernstlich leben und handeln will, aber so geheim bei sich doch auch noch in seine alten Gewohnheiten verfällt, ja, da wird er diesseits auch nicht die völlige Wiedergeburt der Seele im Geiste erlangen können und wird sich‘s am Ende schon, gefallen lassen müssen, so er beim Scheiden mit noch manchen Leiden zu kämpfen hat. Denn da werden die Leiden das Feuer sein, durch das des Menschen Lebensgold von gar manchen Schlacken gereinigt wird."

"Es gibt freilich", so lesen wir an anderer Stelle, "wohl auch Beispiele, dass recht fromme und gerechte Menschen am Ende auch mit irgendeiner nicht sehr sanften Todesart von dieser Welt scheiden. Aber da können wir immer zwei Fälle annehmen. Diese können darin bestehen, dass Gott solch einem Menschen eine größere Geduldsprobe zukommen lässt, damit seine Seele fürs Jenseits eine um so größere Gediegenheit erlange. Im zweiten Fall aber kann der im gesetzten Alter fromm und gerecht gewordene Mensch durch manche Jugendsünden seines Leibes Natur in Unordnung gebracht haben. Diese kann ihr dann am Ende seines Lebens noch so manche bitteren Folgen zum Verkosten bringen, die ihm die letzten Stunden eben nicht zu den angenehmsten machen. — Aber das können wir als völlig gewiss annehmen, dass von der Wurzel an ganz nach der Ordnung Gottes lebende Menschen stets höchst sanft dahinsterben." (GEJ 08, 4, 11 ff.)

Ein neuer unverweslicher Leib

Was geschieht nun aber in der Todesstunde weiter, wenn der geistig gereifte Teil der Seele sich vom Leibe getrennt und zum reingeistigen Führer gesellt hat?

Ist es soweit, dann ordnet dieser geistige Führer die Schar der vom Leibe losgelösten Seelenfunken nach der ewigen Ur- und Grundform des Menschen zu einem ätherisch-geistigen neuen Seelenleib, in dessen geistigem Herzen er selber wiederum als Lebenszentrum seine Wohnung nimmt.

Wir lesen in der "Haushaltung Gottes": "Wenn der Geist nach dem Willen des Herrn die Materie verlässt, dann verlässt er sie nie als ein vollkommen reiner, freiester (d.h. hüllenloser) Geist, sondern stets in einem neuen (aus den geläuterten Lebensfunken der Seele gebildeten) ätherischen Leibe, den er dann nie mehr verlassen kann."

Diese Neugestaltung deutet der Apostel Paulus mit den Worten: "Es wird gesäet ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistiger Leib." (1. Kor. 15, 44)

Dieser neue Mensch besteht also nicht mehr aus einer Dreieinheit von Geist, Seele und stofflichem Leibe, sondern nur noch aus einer Zweiheit von Geist und seelischem Leibe. Bei ihm ist nunmehr die Seele der Ätherleib des Geistes.

Dieser neue Mensch hat nun in seinem seelischen Wesensteil selbstverständlich zunächst noch die gleichen Gedanken, Gefühle, Begierden und Bestrebungen wie in der vergangenen Erdenzeit. Es ist ja die gleiche Seele, vereint mit dem gleichen Geiste. Darum ist es durchaus so, als hätte der Mensch beim irdischen Scheiden aus dem fleischlichen Leibe nur einen alten stofflichen Rock abgelegt.

Weiteres vom Seelenleibe

Auch gestaltlich und organisch hat der neue geist-seelische Mensch im allgemeinen die bisherige menschliche Form, nur jetzt nicht mehr in fleischlich-stofflicher Materie, sondern in ätherischer Substanz. — Darüber bekundet im "Großen Evangelium" Zorel, ein Bettler, im magnetischen Schlafe, in den ihn der Herr durch einen Jünger versetzen ließ:

"Freilich hat die Seele auch einen zwar nur ätherischen, aber für sie ebenso vollkommenen Leib. Nichts fehlt dem Seelenleib an Sinnesorganen. Du siehst solches mit deinen Fleischesaugen freilich wohl nicht, aber ich kann das alles sehen, hören, empfinden, riechen und schmecken. Denn auch die Seele hat dieselben Sinne, wie sie der Leib hat als Verkehrsmittel zwischen sich und seiner Seele.

Die Sinne des Leibes sind die Leitzügel in den Händen der Seele zur Beherrschung ihres Leibes für die Außenwelt. Hätte der Leib solche Sinne nicht, so wäre er gänzlich unbrauchbar und der Seele eine unerträgliche Last … Aber im gleichen Maße würden der Seele die schärfsten Sinne des Leibes nichts nützen, so sie nicht selbst in ihrem ätherischen Leibe ganz dieselben Sinne besäße. Weil aber auch die Seele dieselben Sinne besitzt wie der Leib, so nimmt sie leicht und bestimmt mit ihren feinen Sinnen wahr, was vorausgehend die Sinne des Leibes von der Außenwelt aufgenommen haben.

Nun weißt du, dass die Seele auch eine leibliche Form hat. Du weißt es zwar nun, da ich es dir gesagt habe, wie ich es nun schaue, fühle und körperlich empfinde. Wenn ich aber wieder wach werde, dann werde ich nichts davon wissen, weil ich das jetzt nur mit meinen feinen Seelensinnen sehe, fühle und empfinde, und nicht zugleich auch mit den Sinnen des Leibes.

Würde ich das alles nun auch mit den Sinnen des Leibes wahrnehmen, so würden diese auf meines Gehirnes Nerven und entsprechend auf die Lebensnerven des Fleischherzens gewisse Merkmale eingraben; und ich, Seele, würde sie dann in meinem Fleischleibe wiederfinden und erkennen. — Aber da ich nun nahezu außer allem Verbande mit meinem Leibe frei dastehe und auf die Sinne meines Leibes nicht rück- und einwirken kann, so werde ich nach dem Wiedereintritt in meinen Leib von all dem gar nichts wissen, was ich nun sehe, höre, fühle und rede und was alles nun mit mir vorgeht.

Es hat aber die Seele auch für sich ein Erinnerungsvermögen und kann sich demzufolge an alles Kleinste und Unbedeutendste erinnern, was je mit ihr vor sich gegangen ist; aber nur in ihrem freien Zustande kann sie das. Weilt sie aber in ihrem sie durch und durch verdunkelnden Leibe, so sieht, hört und fühlt sie, alles Geistige übertäubend, nur die groben und übermächtig rauschenden und rohen Eindrücke der Welt. Ihres Selbstseins aber wird sie oft kaum bewusst — geschweige dass sie von den in ihr rastenden höheren geistigen Eindrücken etwas wahrnähme.

Auch du hast eine Seele, wie ich selbst nun eine völlig freie Seele bin, aber du wusstest auch wenig oder nichts von dir selbst. Der Grund davon liegt im finsteren Fleische, mit dem eine Zeitlang eine jede Seele umhüllt ist. Erst nun, weil ich dir durch des Leibmundes Stimme einige Eindrücke in deines Hinterhauptes Nerven machte, und du als Seele nun durch solche Eindrücke die gleichen Urmerkmale in dir selbst liesest, so weißt du jetzt auch als Seele und nicht als Fleisch, dass du auf Grund deines Denkens und Wollens selbst Seele bist, die in ihrem ätherisch-leiblichen Wesen die gleiche Gestalt hat wie dein Leib." (GEJ 04, 51, 3 ff.)

Schauung des Todesvorgangs durch einen Seher

Mathael, ein geistig Geweckter, berichtet im "Großen Evangelium" über einen von ihm mit der geistigen Sehe erschauten Sterbefall:

"Ich besah mir nun die Sterbende näher. Aus der Brustgrube, dem gewöhnlichen Ausweg der Seele aus dem Leib, erhob sich etwas wie ein weißer Dunst, breitete sich über der Brustgrube immer mehr aus und wurde auch stets dichter. Aber von irgendeiner menschlichen Gestalt merkte ich lange nichts. — Als ich das so etwas bedenklich betrachtete, da sagte der anwesende Schutz-Geist zu mir: "Sieh nur zu, wie eine Seele ihr irdisches Wohnhaus für immer und ewig verlässt!" — Ich aber sagte: "Warum hat denn diese scheidende Seele keine Gestalt, während doch ihr, die ihr auch lauter Seelen seid, ganz ordentliche Menschengestalten habt?"

Sagte der Geist: "Warte nur ein wenig noch! Wenn die Seele erst ganz aus dem Leibe sein wird, wird sie sich schon zusammenordnen und wird dann auch recht schön und freundlich anzusehen sein."

Während ich jenen Dunst über der Brustgrube der Kranken sich immer mehr ausbreiten und verdichten sah, lebte der Leib noch immer und stöhnte zuweilen wie jemand, der von einem schweren Traume geplagt wird. Nach etwa dem vierten Teile einer römischen Stunde schwebte der Dunst in der Größe eines zwölfjährigen Mädchens etwa zwei Spannen hoch über des sterbenden Weibes Leibe und war mit dessen Brustgrube nur noch durch eine fingerdicke Dampfsäule verbunden. Die Säule hatte eine rötliche Färbung, verlängerte sich bald und verkürzte sich auch wieder dann und wann. Aber nach jedesmaligem Verlängern und abermaligem Verkürzen ward diese Dampfsäule dünner, und der Leib trat während der Verlängerungen stets in sichtlich schmerzhafte Zuckungen.

Nach etwa zwei römischen Stunden ward diese Dampfsäule von der Brustgrube ganz frei, und das unterste Ende sah aus wie ein Gewächs mit sehr vielen Wurzelfasern. In dem Augenblicke aber, als die Dampfsäule von der Brustgrube abgelöst ward, bemerkte ich zwei Erscheinungen. Die erste bestand in dem völligen Totwerden des Leibes, und die andere darin, dass die ganze, weißneblige Dampfmasse sich in einem Augenblick in das mir wohlbekannte Weib des Nachbarn umwandelte." (GEJ 04, 128, 6 ff.)

Der neue Leib ein Entsprechungsbild der Seele

Nicht immer hat freilich der neue Seelenleib eine dem bisherigen Fleischleibe völlig ähnliche Gestalt. Da auch in der geistigen Welt, und hier ganz besonders, die äußere Formgestalt ein Entsprechungsbild des inneren Wesens ist und hier die sinnentsprechende Ausgestaltung des Äußeren noch rascher und vollkommener als im stofflichen Sein erfolgen kann, so gestaltet sich in der geistigen Welt der ätherische Leib äußerlich auch viel vollkommener nach der inneren Beschaffenheit der Seele — sei es in höllischer oder in himmlischer Richtung.

Der Seher Mathael schildert im "Großen Evangelium" in dieser Hinsicht zwei weitere lehrreiche Schauungen. Die eine betrifft den Kreuzestod etlicher arger Raubmörder, wobei tigerähnliche Gestalten der Seelen zum Vorschein kommen. (GEJ 04, 130, 15 ff.) — Das lichtvolle Gegenbeispiel erschaute Mathael beim Tode des alten Lazarus, des Vaters des bekannten Lazarus von Bethanien. Über dieses Begebnis erklärt der Herr dem Seher:

"Im Sterbegemach des Lazarus sahst du keine zerfaserte Dunstgestalt über dem Leichnam schweben, sondern schon mehr eine volle Menschenform. Der Grund davon liegt in der (dem Lazarus eigenen) großen Liebe zur Tätigkeit, was schon ein vollendetes inneres, geistiges Leben andeutet, das aller Furcht vor der kommenden großen Tätigkeit im Reiche der Himmel vollkommen bar ist. Die Angstvibrationen der Seele können da nicht stattfinden. Und somit ist die seelische Menschenform schon gleich beim ersten Austritt aus dem Leibe für den, der solches zu schauen das seltene Vermögen hat, als unzerfasert und in voller Ruhe ersichtlich.

Die kleine und äußerst dünne Bindeschnur zwischen der Seele und ihrem Leib bekundete den geringen Sinn fürs Irdische und somit auch das leichte und schmerzlose Lostrennen vom Leibe. Die Lichterscheinung über dem Haupte der Seele aber bekundete vor allem den mächtigen Willen der Seele und dessen außerordentliche Tätigkeit nach der Ordnung der Himmel."

Je nach der geistigen Beschaffenheit zeigt sich auch ein Unterschied in der Farbe und Lichtstrahlung der Seelen. Die ungeläuterten, selbstsüchtigen sind je nach dem Grade ihres höllischen Wesens dunkel und finster, die geläuterten Seelen dagegen nach dem Grade ihrer Gottes- und Nächstenliebe und ihres himmlischen Tätigkeitseifers hell und strahlend.

Todesstarre

Im Lichte der Neuoffenbarung lassen sich auch die geistigen Gründe verstehen, welche den weiteren, der Seelenlöse nachfolgenden Geschicken des Leibes, der Todesstarre und der Verwesung zugrunde liegen.

Die Todesstarre kennen wir als eine mit der Erkaltung eintretende Erstarrung des Leichnams, welche nach einiger Zeit schließlich durch den Auflösungsprozess der Verwesung abgelöst wird. Welche stofflichen Ursachen dabei wirksam sind, hat die Wissenschaft in beachtenswertem Maße erforscht. Letzten Endes geht aber auch dieser naturmäßige Vorgang, wie alles Werden, Sein und Vergehen der materiellen Schöpfung, auf geistige Gründe zurück.

Wir vernahmen bereits, wie im Tode der Geist die zahlreichen Lebensfunken der Seele gleichsam wie einen Bienenschwarm aus der "Höhle" des Leibes zieht, oft mit einer gewissen heilvollen Gewalt. Viele mit den Bestandteilen des Leibes eng verwachsene Lebensfunken der Seele bleiben aber in den allermeisten Sterbefällen dennoch hartnäckig an ihrem bisherigen Seins- und Wirkungsorte, dem Leibe zurück. Und diese fleischlich gesinnten Seelenfunken sind es, die das ihnen so lieb gewordene Gehäuse und Werkgetriebe des Leibes im Gang erhalten möchten. Sie glauben, dies auch ohne den bisherigen Regenten, den reinen göttlichen Geist durchführen zu können und geben sich alle Mühe, die stoffliche Form in ihren Bestandteilen aufrechtzuerhalten. Aber bei aller Anstrengung gelingt es ihnen nicht, neues Leben dem erkaltenden Leichnam einzuhauchen. Ihre der göttlichen Hilfe ermangelnde Kraft reicht nur soweit, das Bauwerk eine kurze Zeitlang in lebloser Starre zusammen zu halten. Und diesen Zustand nennen wir eben die Todesstarre.

Mit der Zeit erkennen aber die einen und andern unter den zurückgebliebenen Seelenfunken die Aussichtslosigkeit ihres Beginnens und eine Gruppe um die andere läuft vom gemeinsamen Unternehmen weg und sucht, nach dieser bitteren Erkenntnis ihrer Ohnmacht, nun doch den Anschluss an den vorangegangenen, auf sie harrenden geistigen Führer, der die belehrten Nachzügler nun der bereits angesammelten Seele zu deren Vervollkommnung einordnet.

Verwesung

Dieses unter den zurückgebliebenen Seelenelementen erfolgende Erkennen der Ohnmacht und reuige Verlassen des Leichnams sowie Sichanschließen an den Geist zeigt sich stofflich als jene wahrnehmbare Auflösung der Leibesteile, die wir "Verwesung" nennen. Sie beginnt zuerst bei den Weichteilen und endet bei den Haaren und Knochen, wo die hartnäckigsten Seelenelemente sitzen. Wir erkennen also im Lichte der neuen Offenbarung auch diesen für unser Gemüt so erschreckenden Vorgang als eine von der unendlichen Liebe, Weisheit und Erbarmung Gottes angeordnete segensvolle Schulung der Erkenntnis für diejenigen Seelenteile, die ohne solch harte Belehrung nicht zur Freiheit des himmlischen Lebens geführt werden könnten.

Im "Großen Evangelium" deutet der Herr diese Geheimnisse mit den Worten an:

"Die Seele als ein Gemengtes und sich ergreifend Zusammengesetztes ist durch und durch ätherisch-substantieller Beschaffenheit. Da aber auch der Leib in seinem Wesensgrunde Ätherisch-Substantielles in sich fasst, so ist solches verwandt mit der Substanz der Seele. Dieses Verwandte ist das Eigentliche, das die Seele mit dem Leibe so lange verbindet, als es nicht zu sehr in das nur Materielle übergegangen ist, woselbst es dann mit der eigentlichen Seelensubstanz eine zu geringe und oft auch gar keine Verwandtschaft nicht hat. Und wenn schon noch welche vorhanden ist, muss diese erst durch den Verwesungsprozess aus dem Körper geschieden und jenseits der gleichsam nackten Seele zugeführt werden.

Hat aber die Seele selbst am Ende zu viel Materielles aus ihrem Leibe in sich aufgenommen, so erreicht der Leibestod auch sie, und sie muss mit dem Leibe mitverwesen und dann erst nach mehreren Erdenjahren als höchst unvollendet erwachen, wobei ihr alles ein finsteres Erdendasein ist, in dem wenig Leben in allen Winkeln rastet."

Bestattung

Diese Erkenntnisse der geistigen Bedeutung der Verwesung werfen endlich auch ein Licht auf die Frage der rechten Bestattungsweise.

Da durch den demütigenden Verwesungsvorgang die hartnäckig am Leiblichen klebenden Lebensfunken der Seele und des Nervengeistes durch Erfahrung gründlich umgestimmt werden sollen, so ist klar, dass wir gut tun, diese heilsame Schule den genannten Seelenelementen weder zu verkürzen noch ihnen die Möglichkeit des Verweilens im Gehäuse des Leibes über die Maßen zu verlängern.

Das Volk Israel hat daher nach dem Wort: "Du bist Staub und sollst wieder zu Staub werden" wie viele alte Völker, seine Toten begraben (1. Mose 3, 19; 15, 15; 23, 4; Joh. 19, 40). — Und der Herr selbst hat ein Beispiel gegeben dadurch, dass Er seine eigene irdische Hülle, den Leichnam Jesu im Grabe des Joseph von Arimathin bestatten ließ.

So werden wir denn also das Erdbegräbnis als die geeignetste Art der Bestattung ansehen dürfen, weil hier der für die hartnäckigen Seelenelemente so notwendige Verwesungsprozess seinen ungehinderten Verlauf nehmen kann. — Ein bestimmtes Gebot in dieser Richtung gibt der Herr allerdings nicht, wie Er auch keine unbedingt schädigende und nie wieder gutzumachende Folge anderer Bestattungsarten betont.

Im "Großen Evangelium" stellt ein Römer an den Herrn die Frage: "Meister, bei uns Römern werden die Leichname, besonders vornehmer Menschen verbrannt und die Asche dann in Urnen und Krügen an dazu bestimmten Orten aufbewahrt. Die Leichname gar hochstehender Herren aber werden einbalsamiert und dann in den Katakomben aufbewahrt. Nur das ganz arme Volk und die Sklaven werden begraben auf den dazu bestimmten Stellen. Ist das so zu belassen oder zu ändern? Was sagst Du zum Verbrennen und Einbalsamieren der Leichname?"

Dem Fragenden erwidert der Herr: "So ihr es nicht ändern könnt, belasset es beim alten Gebrauch! Aber das Verbrennen ist besser noch als das Einbalsamieren, durch das der Akt der Verwesung sehr verzögert wird. Aber ein rechtes Beerdigen des Leichnams ist das beste. Nur soll dabei darauf gesehen werden, dass ein Leichnam erst dann beerdigt wird, wenn er vollkommen tot ist, was ein Arzt aus der Gesichtsfarbe und dem Verwesungsgeruche wohl beurteilen kann, denn bei den Scheintoten stellen sich die eigentlichen Todeszeichen nicht ein. Darum sollen sie auch nicht eher beerdigt werden, als bis sie erkennbar völlig tot sind" (GEJ 08, 83, 1 ff.)

Der Herr selbst gibt also hier, wie wir sehen, für die Erdbestattung des Leibes nur einen zwanglosen Rat, ohne die anderen Bestattungsarten gänzlich zu verwerfen. Es ist daher ohne Zweifel falsch, aus der Erdbestattung einen Glaubenssatz oder ein kirchliches Dogma zu machen. Gegenüber dem ewigen Geschick und Leben von Geist und Seele ist die Art der Auflösung des Leibes doch immer nur von geringerer Bedeutung, und ohne Zweifel hat der Schöpfer auch im Falle anderer Auflösungsarten Mittel und Wege, die betreffenden Seelenelemente zu sammeln und zu reifen. Denn sonst wären ja alle die Menschen im ewigen Nachteil, deren Leib ohne ihren Willen durch Feuer, Unfall, Zerreißung oder Verzehrung durch wilde Tiere usf. aufgelöst wurde.

Das Wichtigste

Das Allerwichtigste aber ist, dass der Mensch schon zu Lebzeiten sein ganzes Fühlen, Denken und Streben von der vergänglichen Welt auf das ewig Unvergängliche und Himmlische richtet, so dass die ganze Seele bis in die tiefsten Schichten ihrer fleischlichen Elemente in der Todesstunde weiß, wohin sie zu halten hat, dass die ganze Fülle der unzählbaren Seelenfunken dem göttlichen Führergeiste folgt und nichts, was der Seele angehört, zurückbleibt bei der sterblichen, der Auflösung geweihten Hülle.






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Kapitel 68
Auferstehung

So rätselvoll wie das Geheimnis des Todes ist für viele Christen auch die Bedeutung der Auferstehung. Wohl weiß man aus der Heiligen Schrift, dass Jesus am dritten Tage nach dem leiblichen Tode als verklärter Geist aus dem Grabe wieder auferstanden ist, und dass auch der Mensch die Bestimmung hat aufzuerstehen. Aber wann und wie die Auferstehung des Menschen stattfindet und wer ihrer (im seligen Sinne) teilhaftig wird — darüber gehen die Meinungen sehr auseinander.

Die katholische Kirche lehrt:

Beim Tod des Menschen scheidet die Seele aus dem Leibe. Der Leib kommt ins Grab, wo er verwest. Die Seele kommt vor das Gericht Gottes, wo sie über alle Gedanken, Worte und Werke Rechenschaft geben muss. Dieses Gericht heißt das "besondere" oder "geheime" (im Gegensatz zum späteren "Allgemeinen Weltgericht").

Nach dem "besonderen" Gericht kommen die Seelen, welche von allen Sünden und (kirchlichen) Sündenstrafen frei sind, alsbald in den Himmel, dürfen dort Gott schauen, sind von allen Übeln frei und genießen unaussprechliche Freuden. — Seelen, welche noch lässliche Sünden oder zeitliche (Kirchen-)Strafen abzubüßen haben, kommen in das Fegfeuer. Denn viele Seelen sind beim Sterben zwar nicht in der Todsünde, aber auch nicht so rein, dass sie gleich in den Himmel eingehen könnten. Für sie muss es noch einen Ort geben, wo sie ihre Sünden vollends abbüßen können, bis sie des Himmels würdig sind. Die Seelen aber, welche in der Todsünde aus dem irdischen Leben scheiden, d.h. die in einer wichtigen Sache ein Gebot Gottes oder der Kirche wissentlich und freiwillig übertreten haben und keine kirchliche Lossprechung besitzen, kommen in die Hölle, wo sie auf ewig von der Anschauung Gottes ausgeschlossen sind und unaussprechliche Qualen im ewigen Feuer leiden müssen.

Dies alles aber ist nach katholischer Lehre nur ein vorläufiges, besonderes Gericht. Ihm folgt zu einer im Weltplane Gottes bestimmten Zeit der Jüngste Tag und das Weltgericht.

Am Jüngsten Tag wird Gott den Leib des Menschen wieder auferwecken und für immer mit der Seele vereinigen. Die Leiber der Guten werden herrlich, die Leiber der Bösen aber hässlich sein. Und jetzt bekommt nicht nur die Seele, sondern auch der Leib seinen Teil am ewigen Leben, bzw. an der ewigen Strafe, "so wie er es verdient".

Nach dieser "Auferstehung des Fleisches" folgt dann am "Ende der Welt" für alle Menschen zugleich das "Weltgericht", auch das "Jüngste", "Letzte" oder "Allgemeine" Gericht genannt, welches Jesus Christus halten wird, damit Er, Christus, vor aller Welt verherrlicht würde und "die Gerechten die verdiente Ehre, die Gottlosen die verdiente Schmach empfangen."

Die protestantische Lehre

An diesen Anschauungen hat die Reformation wenig geändert. Luther hat in der Hauptsache nur insofern eine gewisse Änderung gebracht, als er mit der Beseitigung des Fegfeuers jede Möglichkeit der weiteren Seelenreinigung im Jenseits in Abrede stellte. Seine Jenseitslehre ist dadurch noch dürftiger als die katholische. In seinem Katechismus lesen wir über die "Auferstehung des Leibes" und das "ewige Leben" nur das Wenige:

"Das Werk der Heiligung wird vollendet am großen Tage der Auferstehung aller Toten. An diesem Jüngsten Tag, der allein Gott bekannt ist, wird Christus wiederkommen, sichtbar und in großer Kraft und Herrlichkeit zum allgemeinen Gericht. Mit seinen Heiligen, Auserwählten und Engeln wird Er richten die Lebendigen und die Toten nach ihren Werken und Worten, in welchen der Glaube und Unglaube sich offenbart."

Den Gläubigen wird in der Auferstehung ein neuer Leib zuteil. "Es wird gesäet ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistiger Leib." — In diesem geistlichen Leibe kommen die Seelen der Gläubigen zum Herrn ins ewige Leben. Sie werden Gott von Angesicht schauen, mit Engeln und Auserwählten im Himmel Gemeinschaft haben, von allen Übeln befreit und aller himmlischen Güte vollkommen teilhaftig sein. Doch wird es für diese "Kinder Gottes" je nach ihrer (irdischen) Treue einen besonderen Gnadenlohn und verschiedene Stufen der Herrlichkeit geben. — Die Gottlosen aber werden in die "ewige Pein" gehen, in das "ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln."

Der Grundgedanke der neuen Offenbarung

ist diesen katholischen und protestantischen Anschauungen gegenüber weniger abhängig vom Buchstaben etlicher Bibelstellen und geht dafür auf den lebendigmachenden Sinn und Geist der himmlischen Grundwahrheiten zurück.

Vor allem betonen die Neuoffenbarungsschriften, dass Gott, als die allervollkommenste Liebe und als ein endlos barmherziger Vater aller Menschen, Geister und Engel, nicht des Sünders Tod und ewige Verdammnis, sondern dessen geistige Vollendung und ewiges, seliges Leben will.

Es kann daher weder im Diesseits noch im Jenseits von einem Gerichte Gottes die Rede sein, in dem die einen, welche im kurzen Erdenleben gläubig waren, ein für allemal zum ewigen Leben gelangen und aller himmlischen Güter teilhaftig werden, die Ungläubigen dagegen für alle Ewigkeit in eine nie endende entsetzlichste Pein verdammt werden. Was müsste denn das für ein grauenhafter Rache- und Strafgott sein, der mit den von Ihm selbst geschaffenen, schwachen und unvollkommenen Wesen derartig verführe! — Er, der dem Menschen selber das Gebot gegeben hat, seine Feinde zu lieben, zu segnen, die ihm fluchen (Matth. 5, 44) und den Schuldigern "siebzigmal siebenmal" zu vergeben! (Matth. 18, 22)

Nein, nie und nimmer ist dies der Sinn und Geist unseres himmlischen Vaters, der jedem Menschen seine Veranlagung gegeben hat — dem einen eine schwierigere, dem andern eine leichtere — der aber sowohl den mit starken Seelenfunken der Widerordnung (Selbstherrlichkeit und Selbstsucht) veranlagten Sünder, das "Gefäß zur Unehre" (Röm. 9, 21), wie den mit stärkeren Seelenfunken der Ordnung (Gottes- und Nächstenliebe) veranlagten Gerechten, das "Gefäß zur Ehre", durch Belehrung und väterliche Führung zum ewigen Leben in Gott leiten und zum Gotteskinde reifen will.

Zu allen Menschen ohne Unterschied hat Jesus die in Ewigkeit geltenden Worte gesprochen: "Ihr sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!" und: "So ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben." — Und im Gr. Evangelium lesen wir:

"O ihr Narren! Gibt es wohl einen Vater von nur einiger Liebe zu seinen Kindern, der ein Kind, das gegen sein Gebot einen Fehler beging, auf lebenslänglich in einen Kerker stieße und es dazu noch züchtigen lassen möchte alle Tage, solange es lebte? Wenn aber das ein menschlicher Vater nicht tun wird, der im Grunde als Mensch doch schlecht ist, um wie viel weniger wird das der Vater im Himmel tun, der die ewige und reinste Liebe und Güte selbst ist!" (GEJ 06, 243, 9)

Von der ewigen Verdammnis

erhalten wir diesen himmlischen Grundwahrheiten zufolge in den Schriften der Neuoffenbarung daher ganz andere Vorstellungen, als solche in der Christenwelt durch buchstäbliche Auslegung einiger Schriftstellen nach der strafsüchtigen Art der blinden Menschenseele kirchliches Dogma geworden sind.

In dem Lorberwerke "Robert Blum" (Bd. 2, 226, 9 ff.) spricht ein jenseitiger Geist zum Herrn: "Eines geht mir noch ab zur vollen Ruhe meines Herzens, und das ist eine Aufhellung über den fast in allen christlichen Sekten vorkommenden Begriff einer sogenannten ewigen Strafe. Gibt es eine solche, oder gibt es keine? Denn so man für die irdischen Minuten rechtlichen Lebenswandels eine ewige Belohnung erhält, so kann man nicht leichtlich umhin anzunehmen, dass es füglicherweise auch für eine böse Zeit eine ewige Strafe geben müsse. Ich finde diese Annahme ganz logisch."

Der Herr erwidert: "Du schon, aber Ich nicht! Da Ich selbst das ewige Leben bin, so kann Ich doch nie ein Wesen für den ewigen Tod erschaffen haben! Eine sogenannte Strafe, wo sie auch immer vorkommen mag, kann daher stets nur ein Mittel zur Erreichung des einen Grund- und Hauptzweckes (nämlich der seligen Vollendung der Wesen), ewig nie aber eines gleichsam feindseligen Gegenzweckes sein!"

Spricht der Belehrte: "Ja, o Herr, das verstehe ich nun! Aber in der Schrift, und zwar in Worten aus Deinem allerheiligsten Munde selbst, steht nur zu deutlich geschrieben von einem 'ewigen Feuer, das nimmerdar erlischt', von einem 'Wurm, der nimmer stirbt!' ja es steht geschrieben: 'Weicher von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Dienern bereitet ist!' — O Herr, ich kenne eine Menge Texte, wo der Hölle und ihres ewigen Feuers sehr handgreiflich gedacht wird. So es nun aber keine ewige Strafe gibt — da sehe ich durchaus nicht ein, wie von einem ewigen Feuer, das nimmer erlischt, und von einem Wurme, der nimmer stirbt, in der Schrift die Rede sein kann.

Sagt der Herr: "Mein lieber Freund! Es steht wohl geschrieben von einem ewigen Tode, welcher da ist ein ewig festes Gericht, und dieses Gericht gehet hervor aus Meiner ewig unwandelbaren Ordnung. Diese ist das sogenannte Zorn- oder besser Eifer-Feuer Meines Willens, der ganz natürlich für ewig unwandelbar verbleiben muss, ansonst es mit allem Geschaffenen auf einmal völlig aus wäre.

Wer sich nun von der Welt und ihrer Materie hinreißen lässt (die doch notwendig gerichtet sein und bleiben muss, ansonst sie keine "Welt" wäre), der ist freilich so lange als verloren und tot zu betrachten, als er sich von der gerichteten Materie nicht trennen will. Es muss also der Geschaffenen wegen wohl ein ewiges Gericht, ein ewiges Feuer und einen ewigen Tod geben. Aber darin liegt nicht die Folge, dass ein im Gericht gefangener Geist so lange gefangen verbleiben muss, als dieses Gericht an und für sich dauern kann — so wenig wie auf Erden, so du ein festestes Gefängnis erbaut hättest, die Gefangenen deshalb auf die ganze mögliche Dauer dieses Gefängnisses verurteilt werden sollen.

Ist denn nicht "Gefängnis" und "Gefangenschaft" für jedermann ersichtlich zweierlei? Das Gefängnis ist und bleibt freilich ewig und das Feuer Meines Eifers darf nimmer erlöschen; aber die Gefangenen bleiben nur so lange im Gefängnis, bis sie sich bekehrt und gebessert haben.

Übrigens steht in der ganzen Schrift auch nicht eine Silbe irgendwo von einer ewigen Verwerfung oder Verdammnis eines Geistes, sondern nur von einer ewigen Verdammnis der Nichtordnung gegenüber Meiner ewigen Ordnung. Das Laster als Unordnung oder Widerordnung ist wahrlich ewig verdammt, aber der Lasterhafte nur so lange, als er sich im Laster befindet!

So gibt es denn auch in aller Wahrheit eine ewige Hölle — aber keinen Geist, der seiner Laster wegen ewig zur Hölle verdammt wäre, sondern nur bis zu seiner Besserung! Ich habe wohl zu den Pharisäern gesagt: 'Darum werdet ihr desto mehr (oder eine desto längere) Verdammnis überkommen!' — aber nie: 'Darum werdet ihr auf ewig verdammt werden!' Verstehst du nun deine so gefährlich aussehenden Schrifttexte?"

Jüngster Tag und allgemeines Weltgericht

Ebenso wenig wie eine ewig währende Verdammung und Höllenpein gibt es, diesen geistigen Gründen zufolge, aber auch ein "allgemeines Weltgericht" an einem "Jüngsten Tage".

Was hätte es für einen Sinn, alle Menschen, die je auf Erden gelebt haben (und vielleicht auch die der andern Gestirne) zu einem bestimmten Zeitpunkt vor die Person Jesu, des allgemeinen "Weltrichters", zur Aburteilung treten zu lassen? Stehen wir denn nicht täglich, ja in jedem Augenblick vor Gottes Angesicht? Haben wir nicht ständig in unserem Herzen die richtende Stimme und in unseren inneren und äußeren Verhältnissen das Gericht? (Vergl. Röm. 2, 6 ff.) Sind wir nicht schon in diesem Leben und nicht minder im jenseitigen zu jeder Stunde entweder in Gott und selig, oder fern von Gott und dadurch unselig?

Wohl ist von Jesus in verschiedenen Reden (besonders Matth. 11, 27 und Matth. 25, 31 ff.) gleichnisweise von einem "allgemeinen Gericht" gesprochen worden. Allein diese Stellen der Schrift beziehen sich — sofern sie überhaupt getreu überliefert sind — offensichtlich nicht auf ein jenseitiges allgemeines Gericht an einem "Jüngsten Tag", sondern auf die geistige Scheidung der Gottes- und der Weltmenschen bei der geistigen Wiederkunft des Herrn auf unserer Erde. Da wird es in der Tat einmal heißen für die liebetätigen Gottesmenschen: "Kommet her, ihr Gesegneten, ererbet das (Liebe-)Reich, das euch bereitet ist!" — und zu den selbstischen Weltmenschen: "Gehet hin, ihr Verblendeten, in das ewige Feuer der Gottesferne, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!"

Die auf Daniel 12, 2 ff. sich gründende Vorstellung der Pharisäer von einer allgemeinen Auferstehung an einem "Jüngsten Tag", hat der Herr selbst der Martha von Bethanien gegenüber berichtigt. Denn als diese zu Ihm sagte: "Ich weiß wohl, dass er (Lazarus) auferstehen wird in der Auferstehung am Jüngsten Tage!" — da entgegnete ihr Jesus: "Ich bin die Auferstehung und das Leben! Wer an Mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe! Und wer da lebt und glaubt an Mich, der wird nimmermehr sterben." (Joh. 11, 25 ff.)

Damit ist deutlich gesagt, dass es einer allgemeinen Auferstehung an einem Jüngsten Tag und einer Zusprechung oder Absprechung des ewigen Lebens an einem allgemeinen Weltgericht nicht bedarf, sondern dass einem jeden Menschen schon durch seinen Glauben (d.h. natürlich den allein gültigen, der "durch die Liebe tätig ist" Gal. 5, 6) die Auferstehung und das Leben in Jesu Christo gegeben ist ins Diesseits wie ins Jenseits.

Im "Großen Evangelium" werden vom Herrn die groben, welttümlichen Vorstellungen der jüdischen Jünger in dieser Hinsicht mehrfach richtiggestellt. So lesen wir:

"Dass Ich mit euch noch nie von einem allgemeinen Erweckungs- und Gerichtstag gesprochen habe, dessen werdet ihr euch alle wohl erinnern. Wohl aber von einem besonderen 'Jüngsten Tag', der für einen jeden Menschen kommt, und das in dem Augenblick, in dem seine Seele die fleischlich-irdische Probehülle verlassen wird. Freilich wird diese Erweckung nicht jedem zum sofortigen ewigen Leben verhelfen, sondern auch umgekehrt zum ewigen Tode, wobei aber wohl zu bemerken ist, dass ihr das Wort 'ewig' nicht als eine endlos fortdauernde Zeit betrachten dürft." (GEJ 10, 155, 1) — Der "Jüngste Tag" ist also für jeden Menschen der erste, den er, der groben irdischen Leibeshülle ledig, als "Seelengeist" in der geistigen Welt zubringt. — In weiterem Sinn ist jeder neue Tag ein jüngster Tag und kann dem Herrn dienen zur Erweckung der Seele."

Auferstehung des Fleisches

Nicht minder welttümlich als die landläufigen Begriffe vom Jüngsten Tag und allgemeinen Weltgericht sind auch die Vorstellungen von der Auferstehung des Leibes oder Fleisches.

Der Glaube an eine Auferstehung des "Leibes" oder des "Fleisches" wird vornehmlich auf ein Wort Hiobs (Kap. 19, 25 ff.) gestützt, welches Luther im Einklang mit der katholischen Überlieferung übersetzt: "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Er wird mich hernach aus der Erde aufwecken. Und ich werde danach mit dieser meiner Haut umgeben werden und werde in meinem Fleische Gott sehen."

Diese berühmte Stelle des nach der neuzeitlichen Bibelforschung etwa ums Jahr 300 v.Chr. geschriebenen Lehrgedichtes, genannt Buch Hiob, ist freilich urtextlich sehr entstellt und lückenhaft und wurde von der katholischen Kirche und Luther völlig unrichtig, ja geradezu widersinnig übersetzt. Es ist darin in Wirklichkeit nicht von einem "Erlöser" im christlichen Sinn die Rede; sondern Hiob hofft auf einen nach seinem irdischen Tod über seinem Staub auftretenden "Anwalt" oder "Ehrenretter", der seinen Ruf als eines rechten Gottesmannes wiederherstellt. Und während seine, Hiobs Haut, d.h. sein irdischer, äußerer Mensch, von seinen irdischen Widersachern zerschlagen sei, werde er "ledig seines Fleisches" Gott schauen.

Die Hiobstelle spricht also keineswegs für eine "Auferstehung des Fleisches" und ein Schauen Gottes "im Fleische", sondern im Gegenteil: "ledig seines Fleisches" hofft Hiob als ein Gerechtfertigter Gott zu schauen.

Was frommte es denn auch der Seele, mit ihrem schweren Fleischesleib im Jenseits wieder beladen zu werden? Und welchen Leib sollte sie wiederhaben — den Jünglings-, Mannes- oder Greisenleib? Die diesbezüglichen grobstofflichen Vorstellungen einiger Jünger zerstreut der Herr im "Großen Evangelium" mit den Worten:

"Es ist selbstverständlich, dass der irdische Leib, so er einmal entseelt worden ist, nimmerdar auferstehen und in allen seinen Teilen wieder belebt werden wird. Denn wenn solches der Fall wäre, so müssten an dem gewissen 'Jüngsten Tage' auch alle durch das ganze, manchmal recht lange zeitliche Leben von dem Leibe abgelegten Teile, wie die Haare, die Nägel, die verlorenen Zähne und alle durch das Waschen weggeschafften groben Hautteile, wie auch die in manchen bitteren Fällen vergossenen Blutstropfen, Schweißtropfen und noch so mancherlei, was der Leib mit der Zeit ablegte, miterweckt und belebt werden. Nun stellet euch solch eine am Jüngsten Tage wiederbelebte Menschengestalt vor — welch ein lächerliches Aussehen müsste sie haben!

Dazu wäre das auch noch eine Sache, die sich mit der ewigen Ordnung Gottes nie vertragen könnte, indem Gott selbst ein reinster Geist ist und am Ende auch die Menschen ausschließlich nur die Bestimmung haben, zu gottähnlichen, reinen Geistern für ewig zu werden. Wozu sollen ihnen dann die Leiber dienen? Ja, die Menschen werden auch dort mit Leibern angetan sein, aber nicht mit diesen irdisch-grobmateriellen, sondern mit ganz neuen geistigen, die da hervorgehen werden aus ihren diesirdischen guten Werken nach Meiner euch nun gegebenen Lehre."

Vergeistigung des Fleisches

Wie die "Auferstehung des Leibes" (oder "Fleisches") demnach in Wahrheit zu verstehen ist, enthüllen uns die Neuoffenbarungsschriften durch ihre Lehren vom Wesen und Bau alles Stofflichen, im besonderen auch des menschlichen Leibes.

Alles Stoffliche (alle Materie) ist im Grunde Geistiges, das seines widergöttlichen Willens wegen sich im Gerichte der Ohnmacht und im Banne der Erstarrung befindet. Auch für unseres Leibes stoffliche Atome gilt dies. Auch diese sind, wie die Materie aller Weltkörper, in einer harten Erfahrungsschule, in welcher sie es lernen sollen, die alte satanische Selbstherrlichkeit und Eigenliebe aufzugeben und dafür die Gottes- und Nächstenliebe sich anzueignen.

Damit sie endlich freiwillig von der Widerordnung zur Ordnung Gottes umkehren, werden auch die Atome unseres Leibes, während sie in ihrer materiellen Seinsform als Bausteine des Leibes dienen, vom Geist und den schon zum Guten umgestimmten Seelenfunken ständig beeinflusst. Ganz besonders in der beschwerlichen Zeit des Alters und in der Todesstunde (aber auch noch im Grabe, in der Zeit der Verwesung und Auflösung) geschieht diese geistige Bearbeitung der stofflichen Elemente des Leibes. Mit dem Feuer himmlischen Liebeeifers sucht der Geist möglichst viele dieser hartnäckigen Bestandteile umzustimmen, ja womöglich alle für sich zu gewinnen und der geläuterten Seele zuzuführen. Denn dadurch "komplettiert" (vervollständigt) sich die Seele immer mehr und bildet einen immer herrlicheren, ätherischen Seelenleib des Geistes.

In "Erde und Mond" wird über dieses Geheimnis gesagt: "Auch der menschliche Leib besteht aus puren Seelenpartikeln (d.h. aus gefallenen Geist- oder Urlebensfunken). Aber jene, die den Leib ausmachen, sind noch grob, arg und unlauter. Daher müssen sie zuvor wieder in die Erde kommen, dort verwesen und von da erst aus der Verwesung aufsteigen, um sich zur Komplettierung desjenigen Wesens, dem sie einst leiblich angehörten, anzuschicken, was gewöhnlich in der dritten oder obersten Erdluftsphäre vor sich geht. Dadurch erst wird ein jeder reine Geist vollkommen wenn er all das Seinige wieder in sich aufgenommen hat, welches Aufnehmen die sogenannte 'Auferstehung des Fleisches' ist."

Friedhofseelen

Um auch die letzten ins Geistige umzuwandelnden Elemente aus dem Leibe an sich zu ziehen, ist es nicht erforderlich, dass sich Geist und Seele räumlich in unmittelbarer Nähe des sich auflösenden Leibes aufhalten. Der Geist, als ein mit göttlicher Macht ausgestattetes Wesen, vermag die vergeistigten Teile des Leibes, die wieder den Anschluss an den Geist und die Seele gewinnen wollen, auch aus weitester räumlicher Zerstreuung und Entfernung an sich zu ziehen.

Stark materielle Seelen wissen das freilich nicht. Und so lesen wir in dem Lorberwerk "Himmelsgaben" von den sogenannten "Friedhofseelen":

"Seelen, deren Herz sehr stark an der Welt gehangen ist, hängen nach dem Hinscheiden noch lange an der materiellen Erde und namentlich gerne an dem Ort, wo ihr Leib verwest. Manche verweilen so lange in den Friedhöfen über den Gräbern ihrer Leiber, bis nicht ein Atom mehr von ihrem Leibe durch den Akt der Verwesung übrigbleibt. Da die Seele nach dem Tode immerwährend mit ihrem freien Geiste vereint bleibt, dessen vollkommenen Leib sie eigentlich selbst ausmacht, so wird auch in Hinsicht der ewig zu achtenden Freiheit des Willens diesen Wesen durchaus kein Zwang angetan. Sie werden von Zeit zu Zeit belehrt, können aber im übrigen tun, was sie wollen, gerade so, als wenn sie noch leiblich auf der Welt lebten.

Der Hauptgrund, dass sich die Seelen dort in den Friedhöfen aufhalten, ist wohl die falsche Lehre von der Auferstehung des Fleisches. Die Seelen werden zwar allezeit belehrt, dass der verstorbene Körperleib sie gar nichts mehr angeht. Dessenungeachtet wünschen doch viele dieser Seelen in den "Himmel" zu kommen. Diese werden dann von ihren Lehrern (Schutzgeistern) hinweg geführt und über das Wesen des Himmels unterrichtet. Ihnen wird gezeigt, dass der wahre Himmel aus ihnen selbst hervorgehen muss und sie durchaus nicht in den Himmel kommen können, sondern nur der Himmel in sie durch das lebendig ernstliche Wollen, stets mehr Gutes zu tun und darum auch stets geringer zu werden, um desto mehrfach Gelegenheit zu bekommen, jedermann dienen zu können." (Himmelsgaben Bd. 1, S. 362.)

Verklärung und Verwandlung

Die geschilderte Vergeistigung des Leibes findet je nach der Geistesstärke des Menschen mehr oder weniger schon während des irdischen Lebens statt und vollendet sich dementsprechend mehr oder weniger rasch nach dem leiblichen Tode.

Bei Jesus selbst erfolgte sie restlos bis zum Morgen des dritten Tages, wo Magdalena mit der geistigen Sehe den Herrn im auferstandenen Seelenleibe vor der Pforte des Grabes schauen durfte. Im Grabe selbst waren nur noch die Binden und Tücher zu sehen, vom Leibe aber war keine Spur mehr da. Alles Stoffliche hatte der urgöttliche Geist und die vergöttlichte Seele vergeistigt und aufgelöst in das für das Fleischesauge unsichtbare, nur der geistigen Sehe erkennbare Seelische des Herrn.

Eine ähnliche alsbaldige "Verklärung des Leibes" haben aber auch schon manche wahrhaft fromme und selbstlose Menschen bald nach dem Leibestode erlebt, wenn sie, wie Jesus, schon im irdischen Dasein alles Selbstische abgelegt und ganz Liebe und Demut geworden waren. "Dadurch wird", sagt der Herr im "Großen Evangelium", "auch der edlere Teil des Leibes mitgeheiligt, und nahezu alles Fleisch erreicht mit der Seele und dem mit ihr vereinigten Geiste eine Art Verklärung und Auferstehung und bildet dann für ewig ein mit Seele und Geist völlig vereintes Wesen. Allein, das erreichen auf Erden nur höchst wenige, aber kurz nach dem Leibestode recht viele." (GEJ 05, 184, 8; Bd. 4, 83, 9 ff.)

Wunder in den Gräbern

In "Bischof Martin" (Kap. 188, 10 ff.) lesen wir über dieses "Lebensgeheimnis der Gräber":

Der Herr: "Dies merket euch: Wessen Liebe zu Mir wahrhaft über alles stark, rein und mächtig ist, der wird auch schon im Leibe verwandelt durch die heftige Liebe zu Mir so, dass sein Fleisch vom Feuer seines Geistes alsbald zersetzt, geläutert und in das eigene Leben und Wesen des Geistes aufgenommen wird …

Die Erde hat solche Verwandlungsbeispiele genug aufzuweisen, sowohl in der alten wie in der neuen Zeit. Aber einer solchen Wirkung muss auch die dazu erforderliche Ursache vorangehen. Bei zu wenig Wärme zerschmilzt nicht einmal das Wachs, geschweige das Erz! Verstehst du dies?"

Bischof Martin: "Ja, Vater, das verstehe ich wohl. Denn ich selbst bin ein solches Wachs oder Erz und habe viel zu wenig Wärme in mir, um das Wachs damit auch nur um ein geringes zu erweichen, geschweige das harte Erz in meiner Materie zu zerschmelzen. Und so werden wohl eine Menge Brüder die Erde bewohnen, deren Materie nicht nur Erz, sondern Diamant ist! Wir alle werden darum wohl schwer so, wie Du sagst, verwandelt werden können!"

Der Herr: "Du weißt, dass Mir gar vieles möglich ist, was dir unmöglich erscheint! Ich sage dir, auch in den Gräbern geschehen Wunder, die von den Fleischesaugen der Erdenmenschen nicht gesehen und beobachtet werden!"

Einige Fälle, in welchen die geistige Auflösung des Leibes sofort beim Lebestode stattfand, nennt die Heilige Schrift. So bei Henoch (1. Mose 5, 24) und Elia (2. Kön. 2, 11 ff.) Man spricht hier von "Verwandlung". Auch in den Neuoffenbarungswerken werden solche besondere Gnadenakte erwähnt. (Vergl. GEJ 03, 110,5; Bd. 8, 10, 4; Bd. 9, 174, 11; Haush. Gottes, Bd. 2, 5, 34; Kap. 280, 35.)

Alles in Gottes Scheunen

Im allgemeinen geht aber die volle Vergeistigung des Leibes beim gewöhnlichen Sterblichen bedeutend langsamer vonstatten. Braucht es doch nicht selten nach irdischer Rechnung lange Jahre, Jahrzehnte, ja Jahrhunderte, bis nur erst die Seele bekehrt und für die himmlische Liebe gewonnen wird. Wie schwer mag es da mit der Verklärung der Leibeselemente gehen! Je mehr wir in dieser Hinsicht im zeitlichen Leben erreichen, desto leichter, rascher und seliger ist der Fortschritt und unsere Vollendung im Jenseits.

Darum möge es unser aller irdisches Lebensziel sein: durch ein vollkommenes Eingehen in die Ordnung Gottes nicht nur unsere Seele, sondern auch möglichst viele Bestandteile des Leibes schon im zeitlichen Dasein zu vergeistigen, dem Schoße der Materie nichts zu überlassen und alles in die Scheunen Gottes einzubringen.






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XI. Was erwartet uns drüben?

Kapitel 69
Die Seele in der geistigen Welt

"Siehe, wenn Gott die Menschen nur für diese Erde erschaffen hätte, dann wäre es wohl eine sonderbare Liebhaberei von seiner Seite, in einem fort zu schaffen und das Geschehene wieder zu zerstören. Aber weil Gott die Menschen für ein höheres und ewiges Leben erschaffen hat und sie nur so lange auf dieser Erde lässt, bis sie die nötige Willensfreiheitsprobe oder mindestens den Durchgang durchs Fleisch gemacht haben, so ist das eine wahre und lebendige "Liebhaberei" Gottes zu seinen Menschen, dass Er sie auf dieser "Jammerwelt" nur so lange im Fleisch erhält, als es für sie höchst nötig ist. — Verlässt der Mensch diese Erde, so wird er jenseits in andere Schulhäuser geführt, die geeignet sind, ihn zur wahren Lebensvollendung gelangen zu lassen." (GEJ 07, 217, 2)

Diese lichtvollen Worte des Herrn im "Großen Evangelium" geben uns einen beglückenden Ausblick in das, was die ihres schweren Erdenleibes entledigte Seele des Menschen drüben in der geistigen Welt erwartet.

Es sind neue, höhere Wege der Vollendung in Gottes "Schulhäusern", denen die Seele an ihrem "jüngsten Tage", d.h. beim Übertritt in das geistige Reich entgegengeführt wird.

Immer höher hinan zum geistigen Hochziel

"Des Menschen Seelenleben nach dem Abfall des Leibes ist ein fortwährend sich steigerndes, da die Vollendung unmöglich das Werk eines Augenblicks sein kann. Und das aus dem Grunde, weil die Seele (gleich ihrem früheren materiellen Leibe) ein räumlich wie auch zeitlich begrenztes und in die Menschenform gewisserart eingezwängtes Wesen ist und deshalb das Unendliche und das Ewige, sowohl dem Raume und der Zeit, wie auch der unbegrenzten Macht des Gottesgeistes nach, nur nach und nach in sich aufnehmen und fassen kann.

Es kommt nun auf den Standpunkt der inneren Gesittung an, in dem eine Seele ihren Leib verlässt. Ist dieser den göttlichen Gesetzen gemäß, so wird der jenseitige Zustand der Seele sogleich ein solcher sein, von dem aus sie sich sofort auf eine höhere Vollendungsstufe des freien Lebens setzen und immer weiter auf eine höhere Stufe fortschreiten kann.

Hat aber eine Seele entweder aus Mangel an Erziehung oder im schlimmeren Falle aus Mangel an gutem Willen den Leib verlassen müssen, ohne sich im Leibesleben nur ein wenig zum Wahren und Besseren gekehrt zu haben, dann ist es begreiflich, dass eine solche ganz verkümmerte Seele jenseits zunächst in einen sicher nicht beneidenswerten Zustand gestellt werden muss, in den sie nach der Liebe und Weisheit Gottes von ihrer tierischen Roheit gereinigt und geheilt wird und mit der Weile sich zu einer höheren Lebensstufe erheben mag." (Gr.Ev., Bd. Bd. 5, 225, 8 ff.)

Abholung und Führung durch Schutzgeister

Eine Reihe sehr denkwürdige Übertritte in die geistige Welt wird von diesem Gesichtspunkte aus in der Schrift "Jenseits der Schwelle" geschildert. Wir erfahren dort das erschütternde Erleben verschiedener Menschentypen (eines Weltmannes, Gelehrten, Stutzers, Papstes, armen Mannes, einer Tänzerin usf.), das diese Seelen unmittelbar nach dem Verlassen ihrer Körperhülle in der sogenannten Ewigkeit ereilt. Umfassender noch sind diese Geschicke in den großen Jenseitswerken "Bischof Martin" und "Robert Blum" geschildert. Und auch in den übrigen Lorberwerken finden sich verschiedene derartige Berichte.

Danach sendet der himmlische Vater — wenn Er bei besonders hochgereiften oder Ihn besonders heiß verlangenden Seelen nicht selbst in seiner Jesusgestalt erscheint einer jeden, von irdischen Leben abscheidenden Seele einen Schutz- oder Führergeist oder zumeist deren mehrere. Deren hohe Aufgabe ist es, die Seele, ebenso wie dies schon im irdischen Leben der Fall war, nunmehr auf den Wegen der geistigen Welt zu belehren, zu behüten und dem Ziele der geistigen Neu- oder Wiedergeburt entgegenzuführen.

"Ich sage dir, auch im Jenseits wird den Seelen das Evangelium von Meinen zahllos vielen Engeln verkündet. Die es anhören, annehmen und sich danach richten, werden auch zur Seligkeit gelangen; doch so leicht und so bald nicht wie auf dieser Erde, auf welcher der Mensch viele und oft recht schwere Kämpfe mit der Welt, mit seinem Fleische und mit vielen anderen Dingen — wenn auch kurz dauernd — in aller möglichen Geduld, Selbstverleugnung, Sanft- und Demut durchzukämpfen hat. Darum sei dir um niemand im großen Jenseits allzu bange! Denn Gottes Liebe und Weisheit und große Erbarmung waltet überall, auch dort!"

Grundnorm: Wahrung der geistigen Freiheit

Die den geistigen Dienern Gottes, den Schutzgeistern und Engeln obliegende Führung der Seelen im Jenseits muss, wie auch schon im irdischen Leben, um der Freiheit des Menschen willen eine höchst behutsame und verborgene sein. Denn da die Menschenseelen aus geschöpflicher Gebundenheit und Unvollkommenheit zur höchsten Selbständigkeit und Selbsttätigkeit im Göttlich-Guten erzogen werden sollen, so ist klar, dass kein aufdringlicher Zwang stattfinden darf, sondern nur ein fast unbemerkbares Aufklären und Leiten im "sanften Säuseln" des Geistes.

Im "Großen Evangelium" beleuchtet dies der Herr einem römischen Hauptmann, der ein rascheres Lichtmachen in den Seelen wünscht, mit den Worten:

"Ich, der es wohl am besten weiß, wie der Mensch beschaffen sein muss, um ein Mensch und kein Menschtier zu sein, sage dir, dass der Mensch nur dem Leibe nach eine Maschine ist, bei welcher der Meister im Falle eines Schadens leicht durch seinen allmächtigen Willen helfen kann, ohne dadurch der Erkenntnis-, Glaubens- und Willensfreiheit des Menschen im geringsten schädlich zu werden. So Ich es aber auch mit jemandes Seele und Geist also täte, wäre deren eigene Lebenskraft (die da besteht in ihrer freien Liebe, in dem ebenso freien Denken, Forschen und Erkennen, im Glauben und im freien Wollen) so gut wie gebrochen und zerstört und mit ihr auch alle individuelle Selbständigkeit. Was hätte dann eine solche Seele, was am Ende Ich selbst davon?

Die Seele des Menschen muss daher durch einen guten Unterricht und dann durch ihr eigenes Forschen, Prüfen, Erkennen, Glauben und Wollen ins innere, lebendige Licht ihres aus Gott ihr innewohnenden Geistes gelangen. Dann ist ihr für ewig wahrhaft geholfen. Jede andere, gewaltsame Art, ihr nach deiner Idee zu helfen, würde nur zerstörend und nie heilend auf ihre Lebenselemente einwirken." (GEJ 08, 126, 5 ff.)

"Wie schwer und mühsam oft eine weltliebige und zur Trägheit geneigte Seele das reine Gute und Wahre begreift und sich danach zu handeln entschließt, das kannst du an deinen eigenen Kindern merken. Und so geht es auch einer (im irdischen Dasein) verwahrlosten Seele im großen Jenseits zunächst noch um vieles schlimmer, weil sie sich im Leibesleben in allerlei Irrtümern und daraus im Falschen und Bösen begründet hat. Eine solche Begründung ist gleich wie eine Erhärtung der Liebe und des Willens der Seele, welche beide das Leben und individuelle Sein des Menschen ausmachen. Wenn Ich da einer solchen Seele ihre Liebe und ihren Willen auf einmal hinwegnähme, so wäre dadurch auch die ganze Seele hinweggeschafft.

Es muss daher mit solchen Seelen gar behutsam zu Werke gegangen werden, um sie nach und nach auf den rechten Weg zu bringen. Dazu gehört aber eine allerhöchste göttliche Liebe, Weisheit und Geduld. Denn man muss eine solche Seele, stets nur wie von außen auf sie einwirkend, durch ihr Wollen, Trachten und Handeln in solche Zustände kommen lassen, in denen sie aus sich inne wird, dass sie sich in großen Irrtümern befindet. Fängt eine Seele an, dieselben an sich wahrzunehmen, dann wird in ihr auch schon der Wunsch rege, den Grund zu erfahren, aus dem sie sozusagen auf kein 'grünes Gras', sondern nur auf düstere und fruchtlosere Wüsteneien gelangt.

In solch einem Zustand ist es dann erst an der Zeit, einer solchen Seele einen ihr wie ganz ebenbürtig aussehenden weisen Geist entgegenkommen zu lassen, der sich dann mit ihr über dies und jenes besprechen kann. Dadurch wird es in solch einer verirrten Seele auch schon lichter und sie erkennt, wie völlig aus sich selbst, dass sie sich in großen Irrtümern befindet und sich nach dem wahren Lichte stets mehr zu sehnen anfängt. Ist es soweit, dann kommt eine ehedem noch so im Finstern wandelnde Seele bald und leicht zum wahren Lebenslichte. Aber eine nach deiner Meinung urplötzliche Umwandlung der Seele wäre soviel wie ihre völlige Vernichtung." (GEJ 08, 129, 6 ff.)

Die Seele in ihrer selbstgeschaffenen Geisteswelt

Sehr wesentlich ist nun bei dieser jenseitigen Seelenschulung, dass allen in unvollendetem Zustande abgeschiedenen Seelen — und dies ist bei weitem die größte Zahl — bei Ihrem Übertritt in das geistige Reich das Organ für das Erkennen der neuen, sie umgebenden Welt zunächst noch mehr oder weniger mangelt. Diese unvollendeten Seelen sind daher drüben zunächst in einer seltsamen, gleichsam von der Außenwelt abgeschlossenen, auf sich selbst angewiesenen Lage. Die äußeren Sinne der Wahrnehmung: Auge, Ohr, Geruch, Tastsinn usf. sind solchen Seelen mit Wegfall des Leibes abhanden gekommen, und es gibt daher für sie kein leibliches Sehen, Hören, Riechen, Tasten mehr. In dieser Hinsicht geht es ihnen wie einem plötzlich völlig erblindeten und ertaubten Menschen. Andererseits hat aber eine unreife, noch weltlich gerichtete Seele auch noch keine rechte Verbindung mit ihrem geistigen Wahrnehmungsorgan, dem in ihr wohnenden göttlichen Geist (oder "Geistfunken"), der dazu bestimmt ist, ihr als ein Mittler des ewigen Gottes-All-Lebens im unendlichen Schöpfungsraume zu dienen.

So ist denn eine unvollendete, welttümliche Seele im großen Jenseits zunächst ganz auf sich selbst gestellt und in ihrem inneren Denken, Schauen, Fühlen und Wollen auf das angewiesen, was sie sich im irdischen Leben erworben und in ihrem seelischen Gehirn oder Gedächtnisarchiv, dem sogenannten Unterbewusstsein, aufgespeichert hat.

In dem Büchlein "Unsterblichkeit und Wiedersehen" wird über diesen bedeutsamen Umstand gesagt:

"Wer im irdischen Leben nicht wenigstens zur Hälfte im Geiste wiedergeboren wird, kommt im Jenseits stets mehr oder weniger in obbezeichneten Zustand und kann sich selber darin ebensowenig helfen wie ein Embryo im Mutterleibe … Wie kommt das aber? Wenn ein Mensch auf dieser irdischen Welt nur sehr wenig oder auch gar nichts zur Belebung und Bildung dessen getan hat, was seine Seele in ihrem Herzen verborgen trägt, sondern alles nur auf den äußeren Verstand verwendete, um sich weltliche Schätze aller Art zu verschaffen und durch sie die feinsten Genüsse und Lustreize sich zu bereiten — so ist, wenn dann solch eines Menschen Seele jenseits ankommt, ihre göttliche Lichtkammer sehr verdunkelt und verschlossen. Das irdische Verstandeslicht aber — das eigentlich bloß eine Vereinigung der äußeren, materiellen Lichtbilder ist, die an den vielen Millionen Flächen der Gehirntäfelchen haften — bleibt wie die Bildergalerie eines aus dem Leben scheidenden Bilderliebhabers in der Welt zurück.

Die Folge davon ist, dass solch eine Seele dann völlig finster in der Geisterwelt anlangt und nichts behält als das Bewusstsein oder den Ausdruck des Lebens, dagegen die Erinnerung an ihre irdischen Zustände und Verhältnisse nur insoweit, als solche in der dem leiblichen Gehirn entsprechenden Gehirnkammer der Seele in entsprechenden Eindrücken aufgezeichnet sind."

Die geistige Gestaltungskraft der Seele

In ahnungsvoller Erkenntnis dieses Zustandes unreif abgeschiedener Seelen spricht der Volksmund vom "Schlafen" der Toten. Und das Alte Testament kennt das Totenreich nur als ein "Reich der Schatten und Finsternis", wo die Gerechten "ruhen in ihren Kammern".

An diesen Vorstellungen ist, wie wir sehen, so viel wahr, dass die geistig unvollendeten Seelen tatsächlich wie Blinde in das für sie ganz neue Reich des geistigen Seins gelangen und hier in ihrer selbstgeschaffenen Lage zunächst nur ein in ihrer Phantasie bestehendes geistiges Innenleben führen, das im Wesen völlig gleich ist dem irdischen, im Schlafe gepflegten Traumleben.

Über die bei diesem geistigen Innenleben zur Geltung kommende, allen Menschen und Geistern verliehene Gestaltungskraft der Phantasie erklärt der Herr im Großen Evangelium:

"Dieser Mein Leib, der so wie der eurige aus Fleisch und Blut besteht und eigentlich dasjenige an Mir ist, was man den Sohn Gottes nennt, ist freilich bei euch nun hier und zu gleicher Zeit nirgends anderswo. Aber die von Mir ausgehende Kraft des Gottesgeistes erfüllt die ganze Unendlichkeit und wirkt nach dem Grundwillen in Mir, und zwar in dem Augenblick, in dem von Mir das "Werde" ausgesprochen wird (was Ich freilich nicht laut auszusprechen vonnöten habe, sondern nur in Meinem Innersten). Und so ist alles, was du siehst, im Grunde des Grundes nichts anderes als Mein fester und unwandelbarer Wille.

Diese Eigenschaft haben auch alle reineren Geister, ganz besonders Meine Engel, die Mir stets zu dienen in vollster Bereitschaft stehen, in einem vollkommeneren Grade als die minderen und noch weniger entwickelten Geister. Dieses kannst du freilich noch nicht vollkommen verstehen, weil die Welt deine Seele noch gefangenhält. Wenn aber deine Seele frei wird durch Meinen Geist in ihr, so wird diese dir nun sichtbare Welt für dich vergehen. Du wirst sie zwar allezeit noch schauen können, so du das wollen wirst, aber ihre für dich jetzt allenthalben harte Materie und die in ihr wohnenden Kräfte werden dir nach keiner Seite hin den geringsten Widerstand mehr bieten können. Du aber wirst dir aus deinem Inneren selbst eine Welt erschaffen können, die für dich, solange dein Wille sie wird halten wollen, eine ebenso vollkommene Wohnunterlage bilden wird, wie da nun diese Meine Erde für deinen Leib eine Wohn- und Tätigkeitsunterlage bildet."

Traumartiges Sein und Gestalten

"Ein kleines Bild davon kann Ich dir zeigen: Du hast z.B. in der Nacht einen recht lebhaften Traum. Du bist in diesem Traum bei vollkommenem Bewusstsein und wirst dabei stets inne, dass nur du es bist, der da träumt, und kein anderer an deiner Statt. Du hattest aber noch nie einen Traum, in dem du nicht irgendeine Gegend, in der du dich befunden hast, gesehen hättest, wie auch Menschen, mit denen du oft Zwiesprache führtest, und das stets nach deiner Erkenntnis und Denkweise. Wo ist denn aber diese Gegend, in der du dich im Traume befunden hast, und wo und wer waren denn die Menschen, mit denen du gesprochen oder sonst etwas zu tun hattest? Siehe, nirgends anders als in dir selbst!

Wenn sich deine Seele im Leibesschlaf auf kurze Zeit zum größten Teil von den Leibesbanden frei fühlt, kann sie nicht umhin, das in ihr Zugrundeliegende in der Form, wie es in ihr liegt, auch wie außer sich zu erblicken. Sei es dann, was es wolle, so sieht es die Seele in der vollen Wirklichkeit vor sich und ist dann ebenso in 'ihrer Gegend' zu Hause wie im wachen Zustande auf dieser Erde.

Dass sie aber auch mit Menschen im Traume zusammenkommen kann, und zwar teilweise mit noch lebenden und teilweise mit solchen, die schon verstorben sind, hat darin seinen Grund: Eines jeden Menschen Seele fasst (durch ihren göttlichen, allwissenden Geist) gleichsam im kleinsten Maßstab alle Menschen, die je auf der Erde gelebt haben, jetzt leben und noch leben werden, und so auch die ganze Geisterwelt abbildlich in sich, so wie ein Spiegel die äußeren Bilder in sich aufnimmt, ohne dass diese Bilder Wirklichkeiten sind. Freilich ist das nur ein sehr matter Vergleich, weil der Spiegel an und für sich tot ist und daher nur die toten Formen der ihm gegenüberstehenden Dinge wiedergeben kann. Die Seele ist aber ein lebendiger Spiegel des Geistes, daher kann sie die in ihr haftenden Bilder beleben und mit ihnen so umgehen und handeln, als wären sie volle Wirklichkeit. Sie hat dabei den unberechenbaren Vorteil, dass sie sich durch diese in ihr belebten Bilder auch mit leichtester Mühe mit den wirklichen Bildern (den Abgebildeten) in Verkehr setzen kann.

Solange die Seele in der irdischen Welt noch lebt, bleibt in ihr dieses Vermögen zwar noch unvollkommen, und sie weiß am Ende selbst nicht, was sie damit machen soll. Ist sie aber einmal von dieser Welt gänzlich befreit, so wird sie in immer höherem Grade innewerden, was sie mit diesem Vermögen zu tun hat. Sie gleicht einem jungen Erben, der von seinem Vater viele Güter übernommen hat und im Anfang auch nicht weiß, wie die Güter aussehen und wozu er sie verwenden soll; aber mit der Zeit wird er alle seine Güter kennenlernen und auch zur Erkenntnis gelangen, wozu sie zu verwenden sind und was er zu tun hat, um sie alle sich zunutze zu machen. Und ebenso wird es einer jeden nur einigermaßen ausgebildeteren Seele ergehen, dass sie nach und nach stets mehr inne wird, was in ihr zugrunde liegt und wie sie die in ihr zugrundeliegende geistige Fähigkeit zu verwenden hat."

Die geistige Wohnwelt der Seele

Zur Belehrung eines römischen Ratsherrn über die innere Geisteswelt der Seele im Jenseits beruft der Herr im "Großen Evangelium" den Geist Julius Cäsars und lässt diesen Großen der Welt dem römischen Mitbürger seinen (des Julius Cäsar) Demutsweg im Reiche des ewigen Lebens berichten.

Der Geist schildert die schlichte Wohnwelt, in der er durch den Verkehr mit fortgeschritteneren Seelen nach und nach zum wahren Lichte gelangen durfte. Darauf sagt ganz verblüfft der Ratsherr: "Ja, wo befindet sich denn nun irdisch die von dir beschriebene Gegend?"

Der Geist des Julius Cäsar erwidert: "Auf dieser Erde befindet sich die beschriebene Gegend wohl nirgends. Sie kann aber örtlich dennoch überall vorhanden sein. Denn wo ich bin, da ist auch die Gegend. Ich habe nach und nach wohl kennengelernt, dass der Ort, die Gegend und alles, was mich in unserer geistigen Welt als scheinbare Materie umgibt, aus mir, gewisserart wie ein Baum aus der Erde, hinausgewachsen ist. Oder: ich selbst bin der Schöpfer der Welt, die ich bewohne. Ich und meine Freunde bewohnen, weil wir von einer gleichen Liebe, vom gleichen Willen und somit auch von gleicher Denkweise sind, darum auch eine gleiche Landschaft. Aber es können auf demselben Punkte auch noch zahllos viele andere Geister wohnen, und zwar ein jeder in einer andern Gegend. Das ist der große Unterschied zwischen uns Geistern und euch noch irdischen Menschen."

Sagt der Ratsherr: "Das verstehe ich nicht! Wie können denn auf einem und demselben Punkte mehrere Gegenden und Landschaften vorhanden sein?"

Sagt Julius Cäsar: "Oh, ganz leicht, und am Ende sogar ganz natürlich dazu! Siehe, in ein- und demselben Gemach schlafen zum Beispiel 100 Menschen, und alle träumen! Der eine ist in Rom, der andere in Athen, ein dritter in Jerusalem, ein vierter in Alexandria und so fort, ein jeder ganz woanders, und das so lebhaft, dass er am Tage nicht genug davon erzählen kann. Ja, wie kann das wohl möglich sein? Alle hundert in ein und demselben Schlafgemach, und doch ein jeder in einer ganz andern Gegend?

So aber stehen ungefähr die Dinge und Sachen in unserer Geisterwelt! Der Unterschied zwischen unserer und dieser eurer Welt besteht bloß darin: Wir Geister wohnen so ganz eigentlich in unserer völlig eigenen Welt, ihr aber wohnt in Gottes Welt. Denn unsere Welt ist das Werk unserer Gedanken, Ideen, Begierden und unseres Willens. Diese eure Welt aber ist das Werk der Liebe, der Gedanken, der Ideen und des Willens Gottes.

Darum ist der Mensch das Ebenmaß Gottes, hat in sich schöpferische Eigenschaft und kann sich im reingeistigen Zustande seine Welt selbst erschaffen und sonach in seinem vollkommenen Eigentum wohnen. Dieses wirst du nun doch verstanden haben?"

Sagt der Ratsherr: "Dann sind die Menschen, die dich umgeben und mit dir umgehen, ja auch nur deine Werke und dein Eigentum in der Welt, die aus dir wie ein Traumbild hervorgegangen ist!"

Sagte Julius Cäsar: "Auch das zum Teil! Aber ich könnte ohne ihr Wollen sie mir nicht vergegenwärtigen und noch weniger mit ihnen umgehen, sie sehen, hören und sprechen. Es hat aber das auch eine bedeutende Ähnlichkeit mit dem diesirdischen Sehen, Hören und Fühlen der Nebenmenschen. Denn du siehst den wirklichen Menschen auch nicht, sondern nur sein Abbild in dir, fühlst ihn nur durch dein eigenes Gefühl und hörst den Ton seiner Rede in deinem Ohr, das also eingerichtet ist, dass es die durch die Luft zu ihm gelangenden Töne nachahmt. Bist du aber blind, taub und gefühlsstumm, so besteht für dich kein Nebenmensch, wenn er sich auch in deiner nächsten Nähe befände. Wenn du aber auch hörst, siehst und fühlst und dir in deiner Idee auch noch so viele Menschen vorstellst, so wirst du aber, wenn kein Mensch da ist, dennoch keinen sehen, hören und fühlen.

Und so muss auch in der Geisterwelt der Geist, mit dem du verkehren willst, dasein — zum wenigsten mit seinem Willen, seiner Liebe und seinem Erkennen. Ohne das bist du allein, oder die Menschen, die du auf Augenblicke sähest, wären nichts als Phantome deiner Phantasie, hätten für sich kein Sein, keine Realität und könnten sonach mit dir auch in keinen Wechselverkehr treten; denn all das ihrige wärst du selbst.

Darin aber besteht der ewig gleiche und endlos große Unterschied zwischen Gott und uns Ihm ähnlichen Menschen, dass nur Gott allein aus seinen großen Gedanken Menschen ins vollkommene, selbständige und ganz freie Dasein rufen kann, während wir Geister wohl Phantome, aber keine Realitäten ins erscheinliche Dasein stellen können. So ist auch die Welt, die ein (noch unvollendeter) Geist bewohnt, mehr ein Phantom als eine Wirklichkeit. Denn es haben mich vollkommenere Geister auch ihre Welt sehen lassen auf ein und demselben Fleck, und solche Welt hatte ein ganz anderes Aussehen als die, welche ich bewohne. Doch das wirst du erst dann völlig verstehen und einsehen, wenn du selbst ein Bewohner deiner inneren Geisteswelt werden wirst.






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Kapitel 70
In Gottes geistiger Seelenschule

Die Beschaffenheit des inneren Geisteslebens und der geistigen Wohnwelt der Abgeschiedenen im Jenseits zu kennen, ist ungemein wichtig, wenn man den weiteren Fortbildungsgang der Seelen in der geistigen Welt begreifen will. In dieser Hinsicht gilt auch in der Ewigkeit der Grundsatz: "Ohne Mich nichts!" Ohne die gnadenvolle Hilfe Gottes müsste das geschilderte innere Geistesleben der unvollendeten Seelen für alle Zeiten ein sehr licht- und haltloses bleiben.

Der allliebende himmlische Vater will alle seine Kinder zur Vollendung und zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes im Lichte des ewigen Lebens reifen. Und so überlässt Er die unreifen Seelen nicht dauernd sich selbst und ihrem ungeordneten geistigen Traumleben, sondern bestellt, wie schon erwähnt, einer jeden Seele Schutzgeister und Schutzengel, welche die Liebesaufgabe haben, durch ein sanftes Einfließen in das geistige Innenleben die Seele zu belehren und vom widergöttlichen, selbstischen Wesen zur ewigen Lebensordnung der Demut und selbstlosen Liebe zu leiten.

Dieses belehrende Einfließen seitens der Schutzgeister geschieht durch ein suggestives Gestalten der inneren Traumerlebnisse der Seele in einer Weise, dass die Seele durch diese gleichsam inspirierten Schauungen und inneren Begebenheiten aufs tiefste beeindruckt und belehrt wird.

Dass eine Seele durch die lebhafte Einbildung innerer Erlebnisse, die sie für unbedingt wirklich hält, nicht minder als durch wirkliche Erfahrungen des irdischen Lebens belehrt und gereift werden kann, können wir verstehen, wenn wir an die Wirkung denken, welche z.B. ein gutes Buch oder ein dramatisches Bühnenstück auf den Leser bzw. Hörer ausübt.

In dem Büchlein "Jenseits der Schwelle" wird darüber gesagt: "Welttümliche Seelen sind in ihrem lichtlosen Zustande nur den Engeln zugänglich durch Entsprechungen, welche diese in die Phantasiewelt solcher blinden Seelen hinein zu hauchen imstande sind."

Wenn eine Seele die ihr auf diesem Wege zugeführten Belehrungen zurückweist, so bleibt sie in ihrer stets ärger werdenden Traumwelt lange Zeit der Zeiten. Und da ist dann von einem erfreulichen Fortschritt, einem höheren Erkennen und Leben keine Rede. Wenn die Seele dagegen die in dem inneren Erleben dargebotene Belehrung ergreift und zu ihrem wahren Besten verwendet, "so bleibt es ihr erhalten. Und es beginnt so für die Seele aus dem Traume eine feste und bleibende Welt sich zu entwickeln. Je mehr die Seele ergreift, was ihr von ihrem Geiste geboten wird, desto mehr einige sie sich mit ihm und geht dadurch unvermerkt in ihren Geist ein und mit denselben zum Urlicht aller Wahrheit."

Die Grundnorm der jenseitigen Seelenschulung

Diese jenseitige Seelenschulung geht, wie alles in der Schöpfung unseres himmlischen Vaters, in stufenmäßiger Entwicklung ganz allmählich vor sich. Im "Großen Evangelium" gibt der Herr den Jüngern einen kurzen Umriss der dabei richtunggebenden allgemeinen Grundnorm, wobei Er betont:

"Es versteht sich von selbst, dass hier (bei dieser Darlegung) von einem sonderheitlichen Falle nicht die Rede sein kann, sondern nur von einer Grundnorm, nach der, sowohl bei der diesseitigen und besonders bei der jenseitigen Führung, eine Seele aus ihrer lebenhemmenden Materieverhaftung zu heben ist.

Es gibt daneben zahllos viele Abweichungen, von denen eine jede ein wenig anders zu behandeln ist. Aber dessenungeachtet muss es doch eine Grundnorm geben, nach der sich verbindlich alle anderen Fälle zu richten haben, so wie das Erdreich mit einem Regen befruchtet werden muss, damit im selben der ausgesäte Samen zu keinen beginnen kann. Wie aber dann die verschiedenartigen Samen, die im Erdreiche zur Belebung ruhen, das ihnen Zusagende aus dem Regentropfen an sich bringen, das ist Sache der speziellen Intelligenz der Geister, die die Keime bewohnen und für ihr Haus gar wohl zu sorgen verstehen!" (Gr. Ev. Bd. 4, 93, 1ff.)

Die erste Stufe — der Öde und des Suchens

Den ersten Zustand, welchen eine in die geistige Welt tretende unreife Seele durchzumachen hat, nennt der Herr die Stufe der Abödung und des Suchens.

"Kommt eine Seele, z.B. die eines Weltmenschen, völlig licht- und hilflos in das geistige Reich, so muss sie zunächst, so lange in ihrer Lichtlosigkeit allein gelassen werden, bis sie, durch eigene Not gedrungen, sich aus ihrer mehr als halb- materiellen Stumpfheit aufrüttelt und so bestimmtere Gedanken in ihrem Herzen hervorzubringen beginnt.

Werden die Gedanken immer ausgeprägter und bestimmter, so fängt es in einer solchen Seele ganz leise zu dämmern an. Sie beginnt einen Grund zu bekommen, auf dem sie ein wenig "stehen" und nach und nach auch ein wenig "umhergehen" kann. Dieses Umhergehen entspricht dem Übergehen eines Gedankens in einen anderen und einer Empfindung in die andere. Es ist das ein Suchen. Sobald die Seele nun irgend etwas findet, gibt ihr das einen neuen und erhöhten Antrieb zu einem noch weit emsigeren Forschen. Entdeckt sie nun gar Spuren von ihresgleichen, so jagt sie diesen gleich einem Spürhunde nach und ruht nicht eher, bis sie etwas gefunden hat das ihr wenigstens ein nahes Dasein von ihresgleichen bezeugt.

Durch dieses sich stets steigende Suchen wird die Seele auch reifer und sucht sich zu sättigen mit allem, was sie (in ihrer Traumwelt) irgend wie zufällig zur Umhüllung ihres substantiellen Seelenleibes findet. Hier und da findet sich auch etwas, wenn auch noch so Mageres, zur Füllung ihres (geistigen) Magens und zur Stillung ihres oft brennenden Durstes … Da muss dann aber von seiten eines Schutzgeistes, der wie von Ferne eine solche Seele leitet, die größte Vorsicht gebraucht werden, damit die Seele auf dem Suchpfade ja nur das findet, was sie in ihrer Lebensvollendung weiterbringen kann." (GEJ 04, 91, 7 ff. und Kap. 92, 1)

Glückliches Finden guter Gesellschaft

"Mit der Zeit erst kann die suchende Seele eine ihr ähnliche Seele, von nahe gleichen Bedürfnissen bedrückt, finden, mit der sie dann natürlich sogleich in Verkehr tritt wie in dieser Welt zwei Menschen, die von demselben Schicksal verfolgt werden. Die beiden Leidensgenossen fragen sich nun gegenseitig aus, bedauern sich und fangen an, Rat zu halten, was da zu tun sei, um ihr Los erträglicher zu gestalten.

Es versteht sich von selbst, dass diese zweite Seele nur eine scheinbare Ähnlichkeit mit der ersten, aus der vollen Abödung getretenen Seele haben darf. Denn sonst würde ein Blinder einem Blinden als Führer gegeben, wobei dann nur zu leicht beide in eine Grube fallen könnten. Der wie zufällig zu der suchenden Seele stoßende, in sich vollendete Geistmensch aber darf von seiner Vollendung nichts merken lassen, sondern muss anfänglich ganz das sein, was die junge Seele ist. Lacht sie, so lache er mit ihr; und weint sie, da weine er mit! Nur so die Seele ärgerlich wird über ihr Schicksal und schimpft und flucht, da tue dieser Geist nicht mit." (GEJ 04, 92, 2 ff.)

Zeit der Sammlung und Kräftigung im Liebesdienst

"Wenn nun solch eine Seele (in ihrer inneren Geisteswelt) durch ihr emsiges Suchen, Fragen und Forschen endlich irgendein Rastplätzchen gefunden hat, so lasse man sie dort so lange, als sie selbst kein Bedürfnis in sich verspürt, ihr Los zu verbessern. Denn solche Seelen gleichen oft gewissen genügsamen Menschen, die mit einer kleinen Besitzung lange ganz zufrieden sind, wenn sie ihnen nur knapp soviel einträgt, dass sie dabei notdürftig bestehen können. Alles Höhere und Bessere geht sie nach ihrer Sehnsucht gar nichts an, und sie bekümmern sich dessen auch nicht. Was liegt ihnen an der großen Beschäftigung eines Kaisers oder Feldherrn? Wenn sie nur etwas zu essen und die liebe Ruhe haben, sind sie schon ganz glücklich.

Ist nun auf dieser zweiten Stufe eine Seele dahin versorgt, dass sie (in ihrer Traumwelt) z.B. bei ziemlich guten Leuten einen Dienst gefunden hat, der sie mit dem Nötigsten versieht, oder dass sie irgendein Häuschen mit reichlich besetzten Obstgarten und ein paar Melkziegen als ein verlassenes Gut zum Eigentum erhalten hat, dann hat der leitende Geist vorderhand nichts weiter zu tun, als die Seele eine Zeitlang in diesem Besitz ungestört zu belassen.

Er entferne sich auch zeitweilig von ihr und tue, als ginge er selbst etwas Besseres suchen, komme dann wieder und rede davon, dass er wohl etwas Besseres gefunden habe, aber man müsse es sich durch viel Mühe und Arbeit verdienen. Die Seele wird darauf sicher fragen, worin die Mühe und Arbeit bestehe. Dann erkläre der Führer dies der fragenden Seele. Fühlt sich die Seele dazu geneigt, so führe er sie dahin. Im Gegenteil aber belasse er sie, sorge jedoch dafür, dass ihr bisheriger Besitz in seinen Erträgnissen stets magerer wird und am Ende nicht einmal mehr das Allernotdürftigste trägt. Die Seele wird nun wohl allen Fleiß anwenden, um ihr Besitztum zu einem wieder reichlicheren Ertrag zu bringen. Aber der Führer darf es nun nicht mehr zulassen, dass die Seele ihre Absicht erreicht, sondern muss bewirken, dass die Seele endlich das Vergebliche aller ihrer Mühen einsieht und den Wunsch äußert, diese ganze Behausung aufzugeben und einen Dienst anzunehmen, in dem sie eine erträgliche Versorgung finde." (GEJ 04, 92, 5 ff.)

Weitere Stärkung und Reifung im Dienst der Liebe

"Hat sich in einer Seele solch ein Wunsch zur Genüge lebendig ausgesprochen, so werde sie weitergeführt und in einem Dienst mit viel Arbeit untergebracht. Da verlasse sie dann der Führer wieder unter irgendeinem Vorwand, als hätte er auch an einem Ort einen zwar sehr beschwerlichen, aber sonst gut bezahlten Dienst bekommen. Die Seele wird nun zur Arbeit gewiesen, die sie genauest zu verrichten hat. Man sage es ihr und lege es ihr ans Herz, dass da jede Vernachlässigung mit entsprechender Entziehung des bedungenen Lohnes bestraft, dagegen ein freiwilliges Mehrtun übers Bedungene hinaus sehr löblich berücksichtigt werde.

Nun wird die Seele entweder das Bedungene genau und noch manches darüber leisten, oder sie wird sich die Mühe zu sauer werden lassen, wird träge werden und darum in noch größere Not verfallen. Im ersten Fall wird sie dann erhoben und in einen freieren und schon bedeutend angenehmeren Zustand versetzt, wo sie mehr zu denken und zu fühlen bekommt.

Im zweiten Fall aber überlässt sie der Führer einer bedeutenden Not, lässt sie zu ihrem früheren mageren Besitz zurückkehren und etwas Weniges, aber bei weitem nicht Genügendes finden. Nach einer Zeit, wenn sich eine dringendste Not eingestellt hat, kommt der nun viel besser aussehende Führer schon als ein Herr und Selbstbesitzer von vielen Gütern zurück und fragt die Seele, was ihr denn eingefallen sei, den guten und aussichtsvollen Dienst so fahrlässig zu behandeln. Die Seele wird sich nun mit der für ihre Kräfte zu großen und zu anstrengenden Mühe ausreden und entschuldigen. Da wird ihr aber gezeigt, wie ihre Mühe und Anstrengung hier auf dem mageren Kleinbesitz eine noch viel größere sei und doch sei da keine Aussicht vorhanden, je nur zu einem notdürftigen Vorteil zu gelangen." (GEJ 04, 92, 10 ff.)

Es wird Licht! Erkenntnis des geistigen Vollendungsweges

"Auf diese Weise wird solch eine Seele schließlich zur Einsicht gebracht, wird abermals einen Dienst annehmen und nun sicher mehr guttun als vorher.

Tut sie dies, so wird ihr in Kürze ein wenig vorwärtsgeholfen. Aber noch ist sie bei dem Gefühl zu belassen, als sei sie leiblich noch nicht gestorben! Denn dies fühlen materielle Seelen lange nicht und müssen davon erst auf einem geeigneten Wege unterwiesen werden. Die Kunde davon wird für sie erst dann erträglich, wenn die einst ganz nackten Seelen zu einer mit schon gutem Gewande bekleideten, gewisserart seelenleiblichen Festigkeit gediehen sind. In solchem festeren Zustande sind sie dann auch schon der Aufnahme kleiner Offenbarungen fähig, weil ihres Geistes Keim sich in ihnen zu regen beginnt.

Ist eine Seele einmal so weit gediehen und hat sie einsichtig angenommen, dass sie sich nun in der Geisterwelt befindet und von nun an ihr ewiges Los ganz allein von ihr abhängt, so wird ihr der allein rechte Weg der Liebe zu Mir und dem Nächsten gezeigt, den sie ganz aus ihrem völlig freien Willen und aus ihrer ganz freien Selbstbestimmung zu wandeln hat." (GEJ 04, 92, 13 ff.)

Die Seele im Himmel der dienenden Liebe

So tritt dann der Mensch jenseits "in eine neue Welt", die ihm die Wunder Gottes und das Weltall immer mehr enthüllt, da er jetzt mit geistigem Auge sieht und nicht mit den schwachen fleischlichen Augen.

"Im Anschauen der großen Wunderwerke erkennt er nun, dass die rechte Seligkeit allein in der Tätigkeit liegt und dass Gott selbst das allertätigste Wesen ist." (GEJ 011, 11)

Je nach seinem Fortschreiten kann dem neuen Bürger der geistigen Welt dann auch ein rechtes Arbeitsfeld im großen Liebeswerke der Schöpfung anvertraut werden, das er allerfleißigst ausfüllt. Und in dieser Tätigkeit und im Erfolg seiner nützlichen (Liebes-)Arbeit wird er die höchste Seligkeit genießen.

Über die Führung zur geistigen Wiedergeburt

Ober diese göttlich weise und liebevolle Führung der Seelen zur geistigen Wiedergeburt und die Erreichung des Vollendungsziels im Diesseits oder Jenseits sagt im "Großen Evangelium" der Erzengel Raphael zu einem Geweckten:

"Siehe, ein jeder Mensch hat ein geistiges Organ in seinem Herzen, das uns Engeln Gottes stets offen steht und unbehindert zugänglich ist. Dieses Organ vertritt die einfachen Begriffe gut — schlecht, wahr — unwahr, recht — unrecht. Tust du gleichfort das Gute, Wahre und Rechte, so wird von uns der bejahende Teil angerührt. Und in dir entsteht das lohnende Gefühl, dass du gut und recht gehandelt oder geredet hast. Hast du aber nicht gut gehandelt oder geredet, so wird von uns der verneinende Teil des Organs erregt. Und es wird dich ein Bangen ergreifen und dir sagen, dass du aus der göttlichen Ordnung getreten bist. Und dieses Organ heißt in der Sprache der Moral das "Gewissen".

Du kannst dich auf diese Weisung treu verlassen, sie wird dich nie und nimmer trügen! Es müsste nur sein, dass jemand dieses Organ so abstumpfen ließe, dass es am Ende als ein zu materiell gewordenes unsere Berührung gar nicht mehr wahrnähme. Dann wäre es aber mit dem geistigen Teil des Menschen schon so gut wie völlig verloren! Das aber wird wohl bei dir sicher ewig nie der Fall werden, weil du in der Gnade und Liebe des Herrn schon einen zu großen Vorsprung gemacht hast und der Herr dich neu gestaltet hat. Deine Seele ist wohl noch die alte, in der des Herrn Liebe als sein Geist bereits mächtig zu walten begonnen hat; aber dein altes, arges Fleisch ist vom Herrn umgewandelt worden, dass es nicht drücke deine Seele.

Du müsstest nur in deinem Herzen fest wollen vom Herrn abfallen, da würde dein Fleisch auch verwildert werden, wie dereinst das des Esau, dem wider des Vaters Willen die Jagd nach wilden Tieren mehr Vergnügen schaffte als die Wache über die zahmen Herden des Vaters. Aber bei dir ist auch eine solche Verwilderung unmöglich, weil deine Seele schon zu mächtig und allgemein vom Geiste der Liebe zum Herrn durchdrungen ist.

In kurzer Zeit wird deine Liebe zum Herrn durch die Tätigkeit der Nächstenliebe in die intensivste Glut und Form übergehen und dann mit deiner Seele völlig eins werden. Dann wirst du im Geiste und in der Wahrheit wiedergeboren sein und in die geistige Ehe mit der Urliebe in Gott eingehen und mit ihr dadurch ebenfalls eins werden.

Dadurch aber wird auch Gottes Liebe dir gegenüber erst wesenhaft werden und eine Form annehmen. Du wirst dann Gott allzeit schauen und sprechen können, und es wird der Herr leiblich sichtbar und deinem Herzen vernehmbar, dein Führer und Lehrer sein und bleiben für ewig. Und da wird es wohl keine Möglichkeit mehr sein, dich vom Herrn abzuwenden in deinem Herzen und in deiner Erkenntnis; denn da wirst du im Wollen und Erkennen als ein echter und wahrer Sohn des ewigen Vaters eins sein mit Ihm." (GEJ 03, 232, 8 ff.)






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Kapitel 71
Geheimnisse der anderen Welt

Es wird viele Menschen immer wundern, warum denn der himmlische Schöpfer die überaus wichtige Tatsache der jenseitigen Weiterentwicklung und Vollendung der Seele den Menschen nur so unvollkommen offenbart. Wäre es denn nicht für die Klärung und Anfeuerung der Menschheit von größter Bedeutung gewesen, diese jenseitige Fortsetzung des Lebens den Menschen im Buch der Bücher, der Bibel, zur unzweideutigen Kenntnis zu bringen?

Gewiß ist für jeden Wanderer eine genaue Kenntnis des Ziels und Wegs in der Regel ein großer Vorteil. Aber in diesem Erdenleben soll ja der Mensch vor allem auch zur Selbsttätigkeit und Selbständigkeit erzogen werden. Er soll fragen, suchen und dann schließlich durch vielseitige Lebenserfahrung tiefe und anfeuernde Erkenntnisse sich selber erwerben; dies besonders in dieser großen "Mittelbildungszeit" der Erdenmenschheit, welche dem triebhaft bewegten Jünglings- und Mannesalter des Menschen entspricht und in dem bis heute noch alle großen Völker dieser Erde stehen.

In dieser "Mittelbildungszeit" zieht sich Gott von dem heranreifenden Menschengeschlechte gleichsam zurück, verbirgt seine Gedanken und Pläne hinter "Wolken" (wie solches in der Schöpfungsgeschichte des Moses angedeutet ist mit dem Verschwinden des Herrn aus dem Garten Eden), um den in der ersten Kindheitszeit väterlich belehrten Menschen nunmehr auf dieser zweiten Reifestufe sich selbst zu übergeben und ihn im freien Betätigen und Ausleben seiner angeborenen Triebe gute und schlimme Erfahrungen machen zu lassen, die schließlich die Sehnsucht nach höherem Lichte in ihm erwecken. Auch über die jenseitigen Vollendungswege der Seelen ist eben aus diesem Grunde von der Liebe und Weisheit Gottes bis auf unsere Zeit ein gewisser Schleier gezogen.

In "Bischof Martin" wird gesagt: "Ihr alle habt erfahren, wie elend es auf Erden zugeht, so dass man gerade meinen sollte, dem Herrn liege eben an jener Welt, die Er selbst durch seine Menschwerdung zur wichtigsten und heiligsten im ganzen Universum gemacht hat, gar nichts, und Er kümmere sich um sie nicht im geringsten. — Aber dem ist nicht so! Bedenket, die Menschen der Erde sind im vollsten Sinne frei und können tun, was sie wollen: Gutes nach dem Gebote Gottes und Schlechtes wider dasselbe. Sie werden zum Guten wie zum Schlechten durch nichts gereizt oder gezogen als lediglich durch ihren vollkommen freien Willen, aus welchem Grunde jene Welt auch in allen ihren Lebensverhältnissen so mager gestellt ist, auf dass durch sie kein freier Wille irgendeine Beirrung erleiden und schlecht werden solle. Im Gegenteil aber ist auch das Himmlische dergestalt verdeckt, dass ob der bestimmten Anschauung künftiger Seligkeiten ebenfalls kein freier Wille zum Guten genötigt werden solle. Obschon jeder die Folgen seines guten oder schlechten Lebens aus der gegebenen Gotteslehre weiß, kann er dennoch handeln, wie er will, weil er weder auf der einen und ebensowenig auf der andern Seite irgendeine nötigende Gewissheit hat.

Das alles ist auf der Erde darum also eingerichtet, auf dass der Wille der Menschen vollkommen ein freiester bleibe, weil es ohne diesen unmöglich ist, die ewig ungerichtete, freieste Kindschaft Gottes zu erlangen."

Lichtstrahlen auch bisher

Völlig im Dunkeln hat die Liebe und Weisheit Gottes die irdische Menschheit aber in diesen Dingen nie gelassen. Allen Völkern der Erde ist über das Leben nach dem Tode zu allen Zeiten doch so manches geoffenbart worden. Das erweisen die Religionsbücher der Chinesen, Inder, Perser, Ägypter usf. Und auch in der Bibel sind für die geistige Fortentwicklung der Seelen Andeutungen gegeben.

So schreibt Petrus (1. Brief 3, 19 und 4, 6) über die Belehrung der Abgeschiedenen in der Geisterwelt: "In demselben (d.h. im Geistleibe) ist Er (Christus) auch hingegangen und hat den Geistern im Gefängnis (in der unteren Geisterwelt) die Heilsbotschaft gebracht. … Denn dazu ist auch den Toten die Heilsbotschaft verkündet worden, dass sie — wenn auch leiblich, dem menschlichen Los entsprechend, dem Gericht verfallen — dennoch im Geiste, dem Wesen Gottes entsprechend, leben sollen". (Übers. von Menge.)

Die jenseitige Fortbildung einer Weltseele zeigt auch die bekannte Gleichniserzählung des Herrn vom reichen Prasser und armen Lazarus (Lukas 16, 19 ff.) — Der reiche Mann, der im irdischen Leben nicht an den Gott Abrahams geglaubt und für seine Nebenmenschen keine Spur von Liebe gehabt hat, darf im Jenseits durch die Pein und Qual, die er in der Gottesferne leiden muss, seine "Augen aufschlagen" d.h. zu höheren Anschauungen kommen, den Glauben Abrahams als wahr erkennen und in der Liebe zum Nächsten so weit fortschreiten, dass er Abraham inständig bittet, seine noch auf Erden in Glaubensfinsternis lebenden Brüder ernstlich zu warnen, damit sie nicht auch an diesen Ort der Pein kommen.

Sind diese Fortschritte des einstigen finsteren Weltmenschen in der Erkenntnis und Liebe nicht schon deutliche Anzeichen einer jenseitigen Weiterreifung der Seele? Und wird die Liebe und Allerbarmung Gottes dieser bekehrten Seele es ewig wehren, sich dem Herzen Gottes und der Vollendung und Seligkeit zu nähern?

Auch das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist hier zu beachten, wonach der Vater dem reuigen Kinde auf halbem Wege mit offenen Armen entgegenkommt. Sollte dieses Zeugnis der endlosen Barmherzigkeit nur im kurzen Erdendasein des Menschen gelten? Nein! Es ist klar, auch im Jenseits gibt es keine ewig unübersteigliche Kluft. Und die Stimme der Vernunft wie die des Herzens wird bejahen, was über diese Worte des Gleichnisses in dem Lorberwerk "Robert Blum" ausgeführt wird.

Die unübersteigliche Kluft

Dort sagt ein seliger Geist zum Herrn: "Wenn zwischen denen, die im Schoße Abrahams im Himmel sich befinden, und denen, deren schreckliches Los die Hölle ist, eine ewig nimmer übersteigbare Kluft sich befindet, wie wird dann wohl eine Erlösung aus der Hölle möglich sein? Dass aus der Hölle schwerlich je eine Erlösung stattfinden dürfte, leuchtet ja auch noch aus einem andern Lehrtext der Schrift hervor, wo nämlich den sogenannten Sündern gegen Deinen Heiligen Geist entweder eine nur sehr schwere oder auch gar keine Erlösung zugesichert it. Und das, o Herr, aus Deinem heiligsten, höchsteigenen Munde! Was hat es sonach mit der "unübersteiglichen Kluft" und mit den Sündern gegen Deinen Heiligen Geist für eine Bewandtnis?"

Der Herr erwidert: "Die Kluft bedeutet auch hier wieder den nie übersteigbaren Unterschied zwischen Meiner freiesten Ordnung in den Himmeln und der ihr in allem schnurgerade widerstrebenden Unordnung in der Hölle. Dieser Text bezeichnet also nur die Unvereinbarkeit der Ordnung und der Unordnung, nicht aber gleichsam eine ewige Torsperre für denjenigen, der sich darin (d.h. in der Unordnung oder "Hölle") befindet.

Dass aber einer, der so schlecht ist, dass er in sich selbst schon vollkommen zur Hölle ward, nicht gar zu bald und leicht aus der "Hölle" kommen wird, das versteht sich von selbst, da es dir nur zu bekannt sein muss, wie schwer es einem Bösestolzen und in allem Herrschsuchts-Hochmut-Gefangenen ankommt, in die Sanftmut und Demut der Himmel überzugehen. Es ist so etwas gerade wohl keine Unmöglichkeit, aber dennoch eine große Schwierigkeit. Du wirst in der Zukunft es noch oft erfahren, wie schwer es hergeht, jemanden völlig aus der Hölle zu heben. Der Stolze kehrt immer wieder zum Stolz zurück, der Unkeusche zur Unkeuschheit, der Träge zur Trägheit, der Neider zum Neid, der Geizhals zum Geiz, der Lügner zur Lüge, der Prasser und Schwelger zum Prassen und Schwelgen, der Dich zum Stehlen, der Räuber zum Raube, der Mörder zum Morde, der Rohe zur Roheit, der Wollüstling zur Wollust usw. Wenn man ihnen die unordentlichen Eigenschaften auch tausendmal rügt, so verfallen sie immer wieder in die gleichen sündigen Leidenschaften, sobald ihnen zu ihrer nötigen Sichselbstrichtung die fürs ewige Leben bedungene Freiheit gegeben wird. Und je öfter sie wieder in einen Rückfall kommen, desto schwächer werden sie stets und desto schwerer wird es ihnen auch, sich aus den bösen Leidenschaften zu erheben und als lautere Geister in Meine wahre göttliche Freiheit überzugehen. Aber bei den Menschengeistern ist wohl vieles unmöglich, was Mir am Ende dennoch gar wohl möglich ist. Verstehst du dieses?"

Spricht der selige Geist: "Ja, mein Herr, mein Gott, mein heiliger Vater! Jetzt sind mir alle jene Texte klar, die ich auf der Erde wohl geglaubt habe, die aber auf mich nie einen wohltätigen Eindruck gemacht haben. Merkwürdig aber war doch stets, dass ich (als Herrscher auf Erden) in meinem Gemüt keinen harten und strengen Richter leiden konnte. Wer von meinen vielen Amtsrichtern die Sünder zu scharf richtete, dem war meine Gunst ferne. Wer aber die Sünder nach ihren Vergehungen richtete, dass er dem Sünder wohl die Größe und Schwere seiner Sünde genau zeigte, ihm auch aus dem Strafgesetzbuch zeigte, welcher Strafe er verfallen war, darauf aber bei dem Reuigen auf meinen Namen hin den Akt der Gnade übte und dem Sünder statt fünf Jahre schweren Kerkers nur ein Jahr im leichteren Kerker als Besserungsstrafe gab, der wurde bei mir im weißen Buche vorgemerkt und hatte an mir seinen sicheren Freund.

Und so war es auch, wenn ich das Evangelium las! Wenn ich die Verse durchging vom verlorenen Sohn, vom guten Hirten, wenn ich die Ehebrecherin in Tempel vor Dir betrachtete, wenn ich Dich den Zachäus vom Baume herabrufen hörte, den gerechtfertigten Zöllner im Tempel vernahm: "O Herr, ich bin nicht wert, meine Augen zu Dir emporzuheben!" — und Dich, o Herr, mit den samaritanischen Weibe am Jakobsbrunnen bedeutungsvollste heilige Worte tauschen vernahm, da konnte ich mich nie der Tränen erwehren. Oh, welch ein Gefühl hat Dein Wort am Kreuze: "Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" in mir stets rege gemacht! — Aber die Stellen, wo Du, wennschon gerechtestermaßen, die Sünder mit scharfen Fluchsentenzen zur Hölle wiesest und wo ich überhaupt aus Deinen Worten (Herr, vergib mir, dass ich so frei vor Dir zu reden wage!) eine gewisse Unversöhnbarkeit entnahm, machten auf mein Gemüt wahrlich keinen guten Eindruck. Ich sah darin wohl einen gerechten, allmächtigen Gott walten, aber Ihm gegenüber nichts als allerohnmächtigste Wesen, die sich die endlose Machtschwere ihres Schöpfers und ewigen Richters gefallen lassen müssen.

Aber nun, o Herr — Dir allein alle Liebe, alles Lob! — bin ich erst auf dem rechten Wege. Jetzt verstehe ich Dein heiliges Wort. Und Du, o Herr, bist mir nun erst die Liebe aller Liebe! Kurz, ich bin nun ganz geheilt und wollte, dass alle Menschen es wären." (Rob. Blum, Bd. 2, 227, 1-7 und Kap. 228, 1)

Gnadenzeit

Diese Worte des seligen Geistes werden gewiss in jedem fühlenden Herzen einen frohen Widerhall finden. Aber wenn nun in den Schriften der Neuoffenbarung der gereifteren Menschheit der heutigen und kommenden Zeit die jenseitigen Vollendungsmöglichkeiten in lichtvollster Weise vielseitig enthüllt sind, so dürfen diese beseligenden Aussichten dennoch niemanden veranlassen, das irdische Leben leicht zu nehmen und diese Schul- und Probezeit zu vertändeln, in dem Gedanken, dass es drüben ja schon noch Zeit sei zu ernsterem Streben und zum Nachholen des Versäumten.

Nach den Eröffnungen durch Jakob Lorber handelt ein solch leichtfertiger Spekulant doppelt töricht. — Erstens versäumt er in dieser hochwichtigen Erdenzeit unendlich viel. Er bringt sich durch seinen gottesfernen Wandel um all die beglückenden Gaben und Erfahrungen, welche eine innige Verbindung mit Gott, der Urquelle des Lichts und Lebens, und der Wandel in der göttlichen Ordnung uns gewährt. Er weiß und genießt nichts von der Seligkeit der Kinder Gottes. Auch verpasst er die einzigartige Möglichkeit, welche gerade das Erdenleben, diese Hochschule der wahren Gotteskindschaft, zu einem unvergleichlichen geistigen Fortschreiten bietet.

Wer hier auf diesem Stern, dem Kerkersitz Luzifers, (wo das Böse durch die unmittelbare Nähe des argen ‚Gegenpols‘ die stärkste Macht hat), unbeirrt dem göttlichen Lichte zustrebt und der Ordnung Gottes in Liebe und Vertrauen sich weiht, der wird einst drüben in der geistigen Welt wunderbar rasch und leicht die höchsten Sphären des Lichts und der Glückseligkeit erklimmen und befähigt sein, im Reiche der ewigen Liebe Großes mitzuwirken am herrlichen Werke der Schöpfung und Erlösung. Er wird sehen und erleben, dass gerade der harte und dornenvolle Boden der Erde für die Regsamen, die "guten Willens sind", eine Art Sprungbrett ist, von dem aus mit göttlicher Gnadenhilfe große Bahnen jenseitiger Entwicklung zum unermesslichen Glück und Heil der Seele übersprungen werden können.

Und ferner wird der träge, leichtfertige oder gar bösartige Säumer, der sich schon im Diesseits so viel verscherzt, im anderen Leben finden, dass dort das geistige Fortschreiten ein viel schwierigeres ist als in der irdischen Gnadenzeit.

Schwierigkeit der jenseitigen Entwicklung

Mit eindringlichem Ernst wird auf diese Tatsache vielfach hingewiesen. So heißt es im "Großen Evangelium":

"Wie im irdischen Leben die Seele eines manchen Menschen erst durch große Leiden und Schmerzen, die er durch sein unordentliches Leben sich selbst bereitet hat, nüchtern, geduldig, bescheiden, reiner und zum Wirken für ihr inneres Leben kräftiger, ernster und tiefer wird, so werden auch die Seelen im großen Jenseits durch allerlei Leiden, Widerwärtigkeiten und auch Schmerzen, die sie sich selbst bereiten, mit der Zeit geläutert. Und zwar dadurch, dass sie selbst einen rechten Widerwillen gegen ihr unordentliches Handeln und Treiben bekommen, es in sich verabscheuen, ihr Denken und Trachten völlig ändern und so von Stufe zu Stufe (durch das Licht des Geistes) in ein helleres und glücklicheres Sein übergehen.

Doch im großen Jenseits geht das schwerer und mühsamer als auf dieser Welt, und es wird bei gar vielen zu tief gesunkenen Seelen wohl einer für euch undenkbar langen Zeitenfolge benötigen, bis sie den Weg in Meine ewige und unwandelbare Ordnung finden!

Auf dieser Erde hat ein jeder Mensch einen festen Boden, hat vor sich eine Menge guter und schlechter Wege und hat um sich allerlei Ratgeber, Führer und Lehrer. Er kann sich da bei nur einigem Prüfen leicht für alles Gute entscheiden, seine Liebe und seinen Willen ändern und so in allem seinem Handeln nach Meiner ihm stets klarer werdenden Ordnung stets vollkommener werden. — Aber im anderen Leben hat des Menschen Seele nichts als nur sich selbst und ist die Schöpferin ihrer Welt, ähnlich wie in einem Traum. In solch einer Welt kann es dann auch keine andern Wege geben, als die sich eine Seele aus ihrer Liebe, aus ihrem Willen und aus ihrer Phantasie gebahnt hat.

Ist ihre Liebe und ihr Wille nach Meiner Ordnung gut und gerecht, wenn auch nur zum größten Teil, dann wird solch eine Seele auch bald nach einigen bitteren Erfahrungen, die sie auf einem oder dem anderen unordentlichen Wege gemacht hat, sich freilich leichter für die ordentlichen Wege entscheiden, auf ihnen vorwärtsschreiten und so denn auch von ihrem Phantasie- und Traumsein in ein wahres und reelles Sein übergehen, in dem ihr alles in stets hellerem Lichte verständlich wird. Und solch eine Seele kommt dann bald und leicht vorwärts. — Dagegen wird sich eine unordentliche, eigenwillige Seele, in deren arger Traum- und Phantasiewelt es oft kaum einen halben Ordnungsweg gibt, sicher höchst schwer entschließen, nach langen Zeiten auf einen ordentlichen Weg zum wahren Lichte des Lebens sich zu begeben und auf demselben, mit noch manchen Hindernissen kämpfend, in Meine volle Ordnung emporzukommen.

Wie wird es dann erst einer Seele in der andern Welt ergehen, die auch nicht einen halben oder viertel Weg in Meine Ordnung hat und so denn auch keinen wird finden können? Siehe, das ist dann schon die eigentliche Hölle! Eine solche Seele wird alle ihre oft zahllos vielen bösen Wege in ihrer finsteren Traum- und Phantasiewelt betreten und zur Herrschaft auch über Mich sich emporschwingen wollen. Da sie dadurch aber nicht nur nichts erreichen, sondern nur immer mehr verlieren wird, so wird sie stets zorniger, grimmiger und in immer größerer Wut rachgieriger, aber dabei auch stets finsterer und ohnmächtiger.

Nun denke dir die zahllos vielen unordentlichen Argwege in der tollen Phantasiewelt einer solchen Seele! Wann wird sie diese alle durchgemacht haben, bis sie in sich endlich dahin gelangt, dass sie nur so halbwegs zu ahnen anfängt, dass all ihr Trachten, Streben und Mühen eine eitle Torheit ist, und dann in ihr ein gewisses Sehnen wach wird, in der Folge lieber zu gehorchen, als über alles selbst zu herrschen?"

Das Schicksal der Selbstmörder

In diesem Zusammenhang drängt sich manchem Menschenfreund gewiss auch die bange Frage auf, wie es in der anderen Welt wohl den Bedauernswerten gehen werde, die ihr irdisches Leibesleben freiwillig aufgeben und sich dieser wichtigen Heils- und Lebensschule selbst berauben.

Darüber sagt der Herr mit großem Liebesernst:

"Hat ihnen Gott denn das Leibesleben darum gegeben, dass sie es vernichten sollen? Das Leben des Leibes ist das dem Menschen von Gott gegebene Mittel, durch welches er das (wahre geistige) Leben der Seele gewinnen kann und soll. So er nun aber das Mittel zuvor vernichtet, womit soll er dann das Leben der Seele gewinnen und erhalten? Wenn ein Weber zuvor seinen Webstuhl zerstört, wo wird er hernach seine Leinwand weben? Ich sage euch: Die Selbstmörder, so sie nicht Irrsinnige (oder Besessene) sind, werden schwerlich je das Reich des ewigen Lebens besitzen! Denn wer einmal ein solcher Feind seines Lebens ist, in dem ist keine Liebe zum Leben. Ein Leben ohne Liebe aber ist kein Leben, sondern der Tod."

Bei jedem Tun, auch der Selbstentleibung, sieht freilich der Herr nicht auf das Äußere, sondern auf das Herz, d.h. die Beweggründe. Und so wird im "Großen Evangelium" (Bd. 4, 152, 1 ff.) weiter gesagt: "Gott zu erkennen und in seine Ordnung einzugehen, wird bei Selbstmördern zwar stets eine ungemein schwere Sache sein — aber es gibt auch Unterschiede bei den Selbstmördern.

Wenn jemand z.B. aus dem Grunde, weil sein großer Hochmut zu sehr gedemütigt ward und ihm dafür keine Möglichkeit zur Rache offensteht, sich das Leibesleben nimmt, so ist das eine böseste Art des Selbstmordes. Eine solche Tat kann an einer Seele nimmer völlig gutgemacht werden." –. Schlimm ist auch ein Selbstmord aus niederer Eifersucht. "Derartige Seelen erscheinen jenseits in der ihrer inneren Gesinnung entsprechenden Gestalt eines tierischen Gerippes und gelangen höchst schwer zu einer Vollendung des Lebens."

Dann gibt es aber "noch weiter eine Menge Arten des Selbstmordes, die in ihren Folgen nicht so bösartig auf die Seelen wirken."

Da werden wir vor allem daran denken, dass Menschen, die infolge schwacher Veranlagung oder falscher Erziehung wenig oder nichts von Gott wissen, in Krankheit, wirtschaftlicher Not oder sonstiger großer Bedrängnis oft keinen andern Ausweg aus ihrem Elend mehr sehen, als die Hand an sich zu legen. Hier, wo es im Grunde nicht an der Liebe zum Leben fehlt und nur die Verhältnisse stärker sind als die in ihrer Gottentfremdung auf sich selbst gestellten Seelen, wird gewiss die Erbarmung Gottes einen andern Maßstab anlegen und ihre helfende Hand der verirrten Seele im Jenseits nicht versagen. Ja, solcher Ärmsten wird sich der himmlische Vater sogar mit besonderer Liebe annehmen, um auch sie schließlich noch in die himmlischen Scheunen zu bringen.

Und noch milder dürfte der Vater, der ins Verborgene sieht, sicherlich diejenigen Seelen beurteilen, die in geistiger Störung oder unter dem Andrang der die heutige Welt besonders überlagernden Dämonen und bösen Geister als "Umsessene" oder "Besessene" gehandelt haben. Solche Störungen, sei es durch körperlich verursachtes Irresein, sei es durch aufdringliche böse Geister, fallen ja für die Seele in der geistigen Welt hinweg und können dieser in deren innerem Geistesleben nur noch als Erinnerung zur belehrenden Erfahrung dienen.

Alle diese durch Selbstentleibung aus dem Leben geschiedenen Seelen werden, wie alle andern Abgeschiedenen, in ihrem inneren, traumartigen Geistesleben durch die belehrenden Eingebungen ihrer Schutzmächte höheren Erkenntnisstufen zugeführt. Und so dürfen wir bei allem Ernst der Selbstmordfolgen doch auch bezüglich dieser Brüder und Schwestern auf die Erbarmung der Ewigen Liebe vertrauen, zumal es den Hinterbliebenen ja gegeben ist, auch diesen Abgeschiedenen durch Fürbitte Licht und eine Verbesserung ihres Loses zu verschaffen.

Kinderseelen im Jenseits

Da nach Lorber dem irdischen Leibesleben eine so große Bedeutung für die Vollendung der Seelen zukommt, ist weiterhin auch die Frage berechtigt: Wie mag es drüben den im frühen Kindesalter sterbenden Menschen ergehen? Muss diesen Seelen durch ihr frühes Abscheiden nicht ein großer Schaden erwachsen?

Auch in dieser Hinsicht bietet die Neuoffenbarung licht- und trostvolle Erkenntnisse! Wir erfahren vor allem, dass dem frühen Hinsterben so mancher Menschenkinder in jedem Falle die weisesten Absichten des himmlischen Seelenerziehers zugrunde liegen. — Zuweilen handelt es sich hier um zarte, schon sehr fortgeschrittene Sternenseelen, d.h. solche, die schon auf irgendeinem Gestirn ein oder mehrere Menschenleben durchgemacht haben und zu ihrer Selbständigmachung und Vollendung nur noch eines kurzen Durchgangs durch das irdische Leben bedürfen. — Oder solche, die hier etwa nur irgendeine Sendung (an ihren Eltern oder an sonstigen Erdenbewohnern) zu erfüllen hatten.

Andere Seelen junger Menschenkinder sind ihrer zarten Natur wegen den rauhen irdischen Verhältnissen nicht gewachsen und ziehen sich möglichst bald in die geistige Welt zurück. Und wieder andere sieht der Herr des Lebens durch affenliebige Eltern und sonstige Erzieher verzärtelt und in ihrem Wesen derart gefährdet, dass nur ein zeitiges Hinwegnehmen die junge Seele vor dem völligen Verderben retten kann. (Vergl. "Erde und Mond", 61) — Und so spielen denn bei jedem dieser vom irdischen Standpunkt aus oft so betrübenden Vorkommnisse die weisesten Gründe der Ewigen Liebe mit, die wir einst, zum Schauen gelangt, mit Dank und Ehrfurcht bewundern werden.

Noch erhebender aber ist, was durch Jakob Lorber über die weitere Fürsorge Gottes für die früh dahingeschiedenen Kindlein der Erde kundgetan ist. Diese knospenjungen Seelen werden von ihren Schutzmächten von der rauhen Erde hinweg in die lichte und wonnige Geistersphäre der Sonne getragen und dort in der Obhut besonderer Liebegeister großgezogen. (GEJ 02, 140, 1 ff.)

In dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Bd. 2, 67, 5. 295 ff.) ist dieses "Sonnenreich der Kinder" und die sinn- und liebevolle Art ihrer geistigen Fortbildung eingehend geschildert. Am Schluss dieser Beschreibung heißt es: Haben die jungen Seelen alle diese wunderbaren Schulen durchgemacht und sich sodann selber als Lehrer und Führer in vielen Aufgaben der geistigen Welt geübt und gestärkt, dann werden auch sie zu Bürgern der heiligen Stadt Gottes — wo sie jedoch zunächst wiederum die Allergeringsten sein und sich von den Hauptbürgern leiten lassen müssen für all die großartigen Aufgaben der Himmel. (Geistige Sonne, Bd. 2, 122.)

Frohe Botschaft

In des himmlischen Vaters Schöpfung und Haushalt geht also nichts verloren, auch nicht die kleinste, unreifste Knospe. Alles mit Liebe und Weisheit Begonnene wird auf wunderbaren Wegen schließlich von der Geduld und Barmherzigkeit des Schöpfers zur Vollendung gebracht. Für den hartnäckigsten Sünder und Übeltäter hat der Herr in bitteren Erfahrungen des geistigen Innenlebens die wirksamsten Belehrungsmittel. Den Vernichter des Lebens, den Selbstmörder, bringt Er zur Besinnung und baut das zerstörte Leben in ihm neu auf. Das im harten Erdboden verwelkte junge Seelenpflänzchen setzt Er in einen anderen, zarteren Boden.

Im Anfang der großen Neuoffenbarung, im ersten Kapitel der "Haushaltung Gottes", empfing daher Jakob Lorber den Auftrag: "Den Schwachen tue kund aus Meinem Munde: Ich bin ein starker Gott. Sie sollen sich alle an Mich wenden; Ich werde sie vollenden. Aus dem Mückenfänger will Ich einen Löwenbändiger machen, und die Furchtsamen sollen mit Mir im Bunde die Welt überwinden!" (Haushaltung Gottes, Bd. 1, 1)

Diese Botschaft der Liebe in den Eröffnungen des neuen Gotteswortes zu vernehmen, erweckt in jedem aufgeschlossenen Gemüt freudige Zuversicht und tiefen Herzensfrieden. Man fühlt sich in treuer Hut, und Dank und Liebe müssen das Herz gegenüber einem solchen Gott und Vater erfüllen. Aber es wird uns durch diese Erkenntnisse zur Herzensangelegenheit ein reinstes Suchen und ein unentwegtes Festhalten der Gotteshand, die uns zur Vollendung bringt.






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Kapitel 72
Ein Wiedersehen — wo und wann?

Viele Menschen können sich nicht vorstellen, wo der Aufenthaltsort der abgeschiedenen Seelen, das "Reich der Geister" zu suchen ist. Und doch ist diese Frage einfach zu beantworten, wenn man sich an den Erfahrungssatz hält, dass sich Gleiches zu Gleichem gesellt.

Im "Großen Evangelium" wendet sich ein vom Herrn über die geistige Welt belehrter Römer an den großen Allwissenden mit der Bitte: "Herr und Meister, ich danke Dir für das gespendete Licht! Doch habe ich noch zu bemerken, dass Du uns auch anzeigen mögest, wo sich denn örtlich die eigentliche Geisterwelt befindet."

Wo wohnen die Geister und Engel?

Auf diese Frage erwidert der Herr: "Es hat zwar alle Geisterwelt mit Raum und Zeit der gerichteten und somit unfreien Welt an sich nichts mehr zu tun. Aber der Raum als eine äußerste Hülle ist am Ende doch der Träger aller Himmel und Geisterwelten, weil sich diese außerhalb des unendlichen Schöpfungsraumes nirgends befinden können. Und so muss es auch gewisse Räumlichkeiten geben, in denen sich die Geisterwelten örtlich befinden, obschon besonders einen vollendeten Geist die Örtlichkeit des Raumes ebensowenig angeht wie dich nun dieser Ölberg, wenn du dir Rom oder Athen denken willst. Denn für den Geist gibt es weder einen bestimmten Raum noch irgendeine gemessene Zeit (als Grenze seines Wollens und Wirkens).

Was aber das individuelle Wesen eines Geistes betrifft, so kann sich dieses dennoch, so wenig wie Ich selbst, völlig außer Raum und Zeit stellen. Und so befinden sich auch die Seelen der von dieser materiellen Welt Abgeschiedenen in einer bestimmten örtlichen Räumlichkeit, obwohl besonders die lebensunvollendeten keine Ahnung davon haben — sowenig wie du in einem Traum, in dem du dich bald in dieser und bald in einer anderen Gegend sogar tätig befindest, ohne dabei die materiell-räumliche Ortlichkeit für deine Person auch nur im geringsten zu verändern.

Du willst aber von Mir die eigentliche, gleichsam stabile Örtlichkeit kennenlernen, in der besonders die lebensunvollendeten Seelen nach dem Tode des Fleisches sich befinden. Ich will dir das treulich kundgeben. So höre und verstehe wohl, was Ich dir darüber sage:

Wenn ein Mensch in seinem Leibesleben eine besondere Liebe für diesen oder einen andern Ort auf der materiellen Welt hatte, so bleibt er auch als abgeschiedene Seele an demselben Ort, oft viele hundert Jahre lang, und wird dessen, wenn auch unklar, zuweilen auf dem Wege der geistigen Entsprechung inne.

Es sei aber z.B. ein Mensch, der eine große Sehnsucht in sich trägt, den Mond, die Sonne und die Sterne näher kennenzulernen. Wenn eines solchen Menschen Seele entleibt wird, so ist ihre materielle Örtlichkeit auch schon dort, wohin sie ihre Liebe gezogen hat. Dort wird sie auch bald mit den Geistern jener Welt in Verkehr treten und ihre dortigen Studien beginnen.

Ist eine Seele aber hier (auf Erden) schon von der Liebe zu Gott völlig durchdrungen, so wird ihre materiell-individuelle Bestandsörtlichkeit zwar aus der Nähe dieser Erde als Erziehungswiege für die Kinder Gottes nicht verändert. Aber sie wird durch Mich dennoch im hellsten Lebenslicht die ganze Unendlichkeit nach dem stets steigenden Bedürfnis ihrer Intelligenz und der daraus hervorgehenden Seligkeit durchwandern können, ohne dabei die materiell-räumliche Örtlichkeit für ihr individuelles Sein auch nur im geringsten verändern zu müssen — gleichwie auch Ich sie im Geiste nicht verändere und dennoch überall in der ganzen Unendlichkeit zugleich gegenwärtig bin.

Ein Mehreres und Tieferes kann Ich dir darüber jetzt nicht sagen. Wenn du aber im Geiste selbst wiedergeboren sein wirst, so wirst du auch noch viel mehr sonnenklar verstehen."

Vom räumlichen und geistigen Sein der Jenseitigen

Der räumliche Aufenthaltsort spielt also für die Bürger der geistigen Welt keine große Rolle im Vergleich zu ihrer inneren Geisteswelt. Zur Verdeutlichung dieser Verhältnisse erklärt der Herr an anderer Stelle weiter:

"Raumörtlich hält sich eine Seele nach dem Abfall ihres Leibes, besonders in ihrer ersten Entwicklungszeit gewöhnlich dort auf, wo sie sich im Leibe auf der Erde aufgehalten hat, dies, wenn sie als noch lange nicht völlig gereift ins jenseitige Reich übertritt.

In solchem Falle sieht und hört sie aber von der Naturwelt, die sie im Leibe bewohnt hat, nichts, wenn sie sich auch räumlich auf ebenderselben Welt befindet. Ihr Sein ist mehr oder weniger wie ein heller Traum, in dem die Seele auch in einer gleichsam aus ihr hervorgegangenen Gegend lebt und so handelt, als befände sie sich in einer ganz natürlichen Welt, und es geht ihr die verlassene Naturwelt nicht im geringsten ab.

Aber durch Zulassungen von Gott aus wird die von ihr bewohnte Gegend oft verändert, und die Seele befindet sich dann in einer anderen, die ihrem inneren Zustande ganz angemessen ist. Bei einer solchen Seele dauert es dann oft lange, bis sie durch manche Belehrung erkennt, dass alles, was sie dort zu besitzen wähnt, eitel und nichtig ist. Kommt sie einmal aus manchen Erfahrungen und Erscheinungen zu dieser Einsicht, so fängt sie erst an, ernstlicher über ihren Zustand Betrachtungen anzustellen und daraus mehr und mehr innezuwerden, dass sie die frühere irdische Welt verlassen hat. Und die Sehnsucht wird in ihr wach, eine bleibendere und unwandelbarere Lebensstätte zu bekommen.

In solch einem Zustand wird sie von schon vollendeteren Geistern belehrt, was sie zu tun hat. Und tut sie das, wird es auch heller in ihr, weil ihr innerer Geist sie mehr und mehr durchdringt. Je mehr aber der innere Geist gleichsam in ihr wächst wie ein Kind im Mutterleibe, desto mehr Bestand beginnt alles um sie herum anzunehmen. Kommt eine Seele einmal dahin, dass ihr innerer Geist sie ganz erfüllt, dann kommt sie auch zum vollen Erkennen und zur klaren Erinnerung an alles, was sie war, wie sie geworden ist, was sie gemacht und wie die Welt bestellt war, in der sie im Leibe gelebt.

Solch eine Seele kann dann diese Erde, den Mond, die Sonne, alle anderen um diese Sonne kreisenden Planeten oder Erden, und auch die anderen Sonnen in einer oder mehreren Hülsengloben auf das genaueste erschauen und sich an ihrer wunderbaren Einrichtung im höchsten Grade ergötzen und höchste Freude an der Liebe, Weisheit und Macht Gottes haben."

Der räumliche Aufenthalt entspricht der geistigen Stufe

Wenn demnach für die Bewohner des Jenseits zwar die innere Geisteswelt die eigentliche Lebenssphäre ist, so ist der räumliche Aufenthaltsort ihrer Person doch nicht ohne alle Bedeutung. Wir hören darüber vielmehr, dass dieser äußere Standort eines jeden Geistes grundsätzlich dem Zustand seines inneren Geisteslebens entspricht, da auch in der geistigen Welt Gleiches und Gleiches sich anzieht und hier, mehr noch als in der stofflichen Welt, das Äußere der vollkommene Ausdruck des Innern ist.

Dieser Lebensregel zufolge zieht es die noch sehr materiellen und selbstliebigen Geister in die grobstoffliche Sphäre der Weltkörper. Sie wohnen daher gerne in der niedersten Luftregion, auf der Oberfläche oder gar im Inneren der Weltkörper und vereinigen sich dort vielfach zu finsteren und bösen Rotten. — Die besseren, zum Lichte Gottes strebenden Seelen dagegen erheben sich in die mittlere und obere Luftregion der Weltkörper. — Die himmlisch geläuterten, reinen Geister und Engel aber leben außerhalb der materiellen Sphären und Luftregionen in den endlosen Räumen des Äthers. Sie können vermöge ihrer himmlischen Machtvollkommenheit sich nicht nur geistig, sondern nach dem Willen Gottes auch raum-örtlich in der ganzen Schöpfung an jeden ihnen erwünschten Ort begeben.

In der "Geistigen Sonne" (Bd. 2, 57, S. 254) vernehmen wir darüber:

"Es gibt Geister, die überaus schwerfällig und finster sind und daher ihr Leben auch nur in den dichtesten, innersten Teilen der Erde fristen können. — Und wieder gibt es Geister, welche etwas leichter sind, und daher die oberen Teile der Erde wie die Gewässer bewohnen, andere, die in der halben unteren Luftregion leben und dort ihr Wesen treiben. — Und wieder gibt es Geister vollkommenerer Art, welche die oberen reineren Luftregionen, etwa von der Gegend der Gletscher angefangen, bewohnen. — Und wieder gibt es (noch vollkommenere) Geister, welche die erste Region des Äthers, und dann solche, welche die höchsten und freiesten Ätherregionen, die freien Räume zwischen den Weltkörpern bewohnen. — Und endlich gibt es allervollkommenste Geister, welche die oberen Sphären der Sonnen bewohnen, die da sind ein ewiges Licht."

Was aber den Verkehr unter allen diesen Geistern anlangt, so gilt in dieser großen Geisterstufung: "Die Geister einer unteren Stufe können die einer höheren Stufe in der Regel nicht erschauen. Wohl aber ist solches umgekehrt möglich und auch so geordnet."

Gibt es ein Wiedersehen?

Werden wir nun in dieser geistigen Welt aber auch unsere lieben Abgeschiedenen wirklich einmal wiedersehen dürfen? Auf diese Frage, welche gar vielen Menschen überaus am Herzen liegt, erwidert der Herr nach dem Büchlein "Unsterblichkeit und Wiedersehen":

"Ja, so und so — je nachdem der Mensch dies irdische Probeleben mehr oder weniger vollkommen nach Meiner, allen Menschen geoffenbarten Ordnung durchlebt hat!

Wer es hier schon, was jedem möglich ist, zur wahren Wiedergeburt seines Geistes gebracht hat und als voll Wiedergeborener hier so lebt, dass ihm die Geisterwelt mit all ihren Verhältnissen und ihrer auf die materielle Welt einfließenden Wirkung, sowie auch die materielle Welt selbst völlig klar erschaulich ist — bei dem kann die Ablegung seines Fleischleibes unmöglich irgendeine Veränderung in seinem Denken, Wollen, Erinnern und lebendigen Bewusstsein bewerkstelligen. Denn da die Materie nur als eine auf bestimmte Zeit festgehaltene Gottesidee ins erscheinliche Sein tritt und das Leben mit allen seinen Auswirkungen schon diesseits ganz in den höchst bewussten Geist übergeht — so dürfte es für jeden Denkenden mit Händen zu greifen sein, dass das rein geistige Leben jenseits ein viel helleres und aller Lebensverhältnisse bewussteres sein muss, und zwar um so viel mehr, als der Geist ewig erhaben ist über alle Materie.

Dass dagegen unvollkommene Seelen sich nach ihrem Freiwerden vom Leibe oft mehr und mehr verfinstern, liegt in ihrem bösen Willen. Solche Seelen oder "böse Geister" sehen dann nur das, was sich aus ihrer eigenen Phantasie gleich einer niederen Traumwelt entwickelt. Darin verharren sie oft Hunderte von Jahren. Sie sehen die stets neu ankommenden Seelen, wenn sie auch auf der Erde ihre nächsten Verwandten waren, nicht, sondern nur ihre lang andauernde Phantasiewelt. Sie sind (in diesem Zustande) nur den Engeln durch pure Entsprechungen, welche diese in die Phantasiewelt solcher blinden Seelen einzuschieben imstande sind, zur Belehrung zugänglich. Wenn sie solche Belehrung und Besserung ihres Willens annehmen, dann verschwindet nach und nach ihre Traumwelt, und sie kommen dann stets mehr zum wahren Licht und zur Anschauung alles Seienden und damit auch zum Wiedersehen ihrer Verwandten und Freunde. Sie erkennen diese nun als solche bald wieder und haben eine rechte Freude an ihnen." ("Jenseits der Schwelle", Seite 104 ff)

Das dauernde Wiedersehen kommt aber erst im eigentlichen Himmelreich, d.h. auf der Vollendungsstufe der reinen Geistigkeit. Hier erlangt die völlig zur himmlischen Demut und Liebe geläuterte Seele die vom göttlichen Wesenbildner erstrebte vollkommene Verbindung mit dem ihr innewohnenden rein göttlichen Geist und durch diesen mit dem gesamten Gottesleben im Schöpfungsraume. Sie erschaut, empfindet und erkennt nun alles im ganzen All und wird fähig, überall, wo es Gottes Wille ist, gegenwärtig und wirksam zu sein. Und da ist es ihr dann natürlich auch gegeben, mit allen Abgeschiedenen, den nahen und fernen, in allen Sphären der Menschen-, Geister- und Engelwelt nach freiem Belieben zu verkehren.






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Kapitel 73
Der breite Weg im Jenseits

Durch Jakob Lorber ist uns kundgemacht, dass die Weiterreifung der unvollendet aus dem irdischen Leben scheidenden Seelen in der geistigen Welt zunächst in einem traumartigen inneren Geistesleben vor sich geht, das von den Schutzmächten der Seele beeinflusst und geleitet wird. Wie verhält es sich aber mit den Begriffen Fegfeuer und Paradies, Hölle und Himmel? Was haben diese Stationen zu bedeuten?

Nach den Lehren der Neuoffenbarung bezeichnen diese Begriffe jenseitige geistige Entwicklungsstufen, nicht bestimmte Örtlichkeiten — obwohl, wie wir im vorangehenden Kapitel sahen, zwischen dem geistigen Entwicklungszustand einer Seele und deren räumlichen Aufenthaltsort stets eine bestimmte Beziehung obwaltet.

Wie kommt man in den Himmel oder in die Hölle?

Wir vernehmen darüber:

"Unter dem Begriff "Hölle" sollt ihr euch keinen bestimmten Kerker denken, in den man kommen kann, sondern nur einen Zustand, in den sich ein freies Wesen durch seine Liebeart, sein Handeln versetzen kann. Und wer nur einigermaßen reif zu denken imstande ist, wird leicht begreifen, dass ein jeder Mensch so lange der Hölle angehört, als er nach ihren Prinzipien handelt. Diese aber sind Hochmut, Eigenliebe und Selbstsucht und stehen zu den himmlischen Prinzipien im Gegensatz, welche da sind die Demut, die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten.

Wer bei sich klar erfahren will, ob er der Hölle oder dem Himmel angehöre, der frage nur sorgfältig sein eigenes Gemüt. Sagt dieses nach seiner Grundneigung und Liebe: "Das ist mein, und jenes ist auch mein — und das möchte ich, und jenes auch — gebt mir alles, denn ich will alles!" — da ist noch die Hölle der positive Pol.

Wenn aber das Gemüt sagt: "Nichts ist mein, weder dieses noch jenes — alles ist des Einen, und ich bin des Geringsten nicht wert. Und so ich etwas habe oder hätte, soll es nicht mein, sondern meiner Brüder sein!" — wenn das die innere Antwort des Gemütes ist, so ist der Himmel der positive Pol.

Wenn sonach jemand eine Maid erwählt hat, die ein anderer auch erwählt, und ist dann der erste alsbald voll der gröbsten Eifersucht, wenn der zweite auch Zutritt erhält, so ist bei ihm schon der Pol der Hölle agierend. — Spricht aber der erste: "Meine Liebe, du allein bist deines Herzens Gebieterin. Ich liebe dich wahrhaft, darum will ich kein Opfer von dir, wohl aber bin ich bereit, dir jedes Opfer zu deinem Besten zu bringen. Ich liebe nicht mich in dir, sondern dich allein in mir. Daher hast du von mir aus auch die vollkommenste Freiheit, alles zu ergreifen, was du zu deinem Glück für am meisten tauglich hältst."

Sehet, aus dieser Sprache leuchtet schon der Bürger des Himmels heraus. Denn so spricht man im Himmel. Wer so vom Grunde seines Herzens aus sprechen kann, in dem ist schon kein Tropfen der Hölle mehr vorhanden. Denn wer sich bei diesem heikelsten Punkte verleugnen kann, der wird sich in den anderen um so leichter verleugnen. Wer aber da eifersüchtig wird und bricht sogleich mit seiner Geliebten und verwünscht sie in seinem Herzen durch Verachtung, Groll und Zorn und begegnet ebenso seinem Nebenbuhler, der handelt schon aus der Hölle, die bei ihm ganz klar den positiven Pol bildet.

Ich meine, das dürfte nun wohl hinreichen, um jedermann begreiflich zu machen, wann bei ihm die "Hölle" oder wann der "Himmel" zum positiven Pol wird. Und so wird niemand mehr mit der lächerlichen Frage zum Vorschein kommen:

"Wie und wann kommt man in die Hölle oder in den Himmel?" Denn niemand kommt in die Hölle noch in den Himmel, sondern ein jeder trägt beides in sich." (Geistige Sonne, Bd. 2, 118.)

Der Ort macht es nicht

"Siehe", spricht der Herr im "Großen Evangelium", "in einem Hause wohnen zwei Menschen. Der eine ist mit allem zufrieden, was er im Schweiße seines Angesichtes unter dem Segen Gottes dem Erdboden entlockt. Seine größte Freude ist es, mit den noch ärmeren Brüdern seinen Vorrat zu teilen. So ein Hungriger zu ihm kommt, hat er Freude ihn sättigen zu können, fragt ihn nie ärgerlich um den Grund seiner Armut und verbietet ihm nicht, dass er wiederkommen dürfe, so es ihn wieder hungern sollte.

Kurz, diesen Menschen kann nichts in seiner Liebe und seinem Vertrauen zu Gott sowie in der Liebe zu seinen irdischen Brüdern stören. Zorn, Neid, Hader, Haß und Hochmut sind für ihn fremde Begriffe.

Sein Bruder ist dagegen der unzufriedenste Mensch. Er glaubt an keinen Gott und sagt: 'Gott ist ein leerer Begriff, mit dem die Menschen den höchsten Grad der diesirdischen Macht bezeichnen. In der Dürftigkeit kann nur ein dümmster Mensch glücklich sein, gleichwie auch die verstandlosen Tiere glücklich sind, wenn sie nur das spärlich erhalten, was ihr stumpfer Naturtrieb verlangt.' — Mit solcher Gesinnung verwünscht ein solcher Mensch sein ärmliches Sein, verflucht die Armut in seinem Herzen und sinnt auf Mittel, wie er sich große Reichtümer verschaffe, um damit seine herrschsüchtigen Ideen zu verwirklichen. Seinen zufriedenen Bruder verachtet er, und jeder noch Ärmere ist ihm ein Gräuel. Kommt ein Armer zu ihm, so fährt er ihn an mit allerlei Scheltworten und sagt: 'Weiche von mir, du faule Bestie! Arbeite, so du einen Fraß haben willst! Gehe zum ungeratenen Bruder meines Leibes; dieser, selbst ein gemeines Lasttier, arbeitet für deinesgleichen!'

Siehe, diese beiden Brüder, Kinder eines Vaters und einer Mutter, leben in einem Hause beisammen. Der erste ist ein Engel, der zweite nahe ein vollendeter Teufel! Dem ersten ist die ärmliche Hütte ein Himmel, dem zweiten dieselbe Hütte ohne irgendeine Veränderung eine reinste Hölle voll der bittersten Qual. — Siehst du nun, wie Himmel -und Hölle auf einem Fleck beisammen sein können?"

Was deine Liebe will

"Durch dein Herz wirst du nach dem Tode deines Leibes hinaustreten in den endlosen Gottesraum, und nach der Art deines Herzens wirst du ihn entweder als Himmel oder als Hölle antreffen!

Denn es gibt nirgends einen eigens geschaffenen Himmel noch irgendeine Hölle, sondern alles das kommt aus dem Herzen des Menschen. Und so bereitet sich ein jeder Mensch im Herzen, je nachdem er Gutes tut oder Böses, entweder den Himmel oder die Hölle. Wie er glaubt, will und handelt, so wird er auch seines Glaubens leben, aus dem heraus sein Wille genährt ward und ins Handeln überging.

Jeder aber prüfe die Neigungen seines Herzens, und er wird leicht erfahren, wessen Geistes sein Herz voll ist! Ziehen seine Neigungen das Herz und dessen Liebe zur Welt hinaus und fühlt er in sich eine Sehnsucht, in der Welt etwas Großes und Angesehenes zu werden, hat das hochmütige Herz ein Missbehagen an der armen Menschheit, und fühlt den Trieb in sich, zu herrschen über die andern, ohne zum Herrschen von Gott erwählt zu sein — so liegt im Herzen schon der Same der Hölle. Und so er nicht bekämpft und erstickt wird, bereitet er dem Menschen nach dem Tode des Leibes offenbar nichts denn die Hölle.

Ist aber des Menschen Herz voll Demut, und fühlt er sich glücklich, der Geringste unter den Menschen zu sein, allen zu dienen, seiner selbst der Liebe zu den Brüdern und Schwestern wegen gar nicht zu achten, dem Vorgesetzten willig zu gehorchen in allen guten, den Brüdern nützenden Dingen, und liebt er Gott über alles — dann erwächst im Herzen der himmlische Same zu einem wahren, ewig lebendigen Himmel. Und der Mensch, der so schon den gesamten Himmel in seinem Herzen birgt voll wahren Glaubens, reinster Hoffnung und Liebe, der kann nach dem Tode des Leibes unmöglich irgendwo anders hinkommen als ins Himmelreich Gottes, das er in aller Fülle schon lange im Herzen trug!"

Das große Mittelreich

Was geschieht aber mit einer Menschenseele nach dem Austritt aus der sterblichen Hülle des Leibes? Wohin gelangt sie zunächst nun räumlich-geistig? Darüber vernehmen wir durch Lorber: Nach dem Abscheiden wird eine jede unvollendete Seele von ihren geistigen Schutzmächten in die mittlere Luftregion, das sogenannte "Mittelreich" erhoben, wo viele Seelen ihresgleichen in traumartigem Zustande schweben.

In dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" wird über die erste jenseitige Seinsstufe gesagt: "Sehet die naturmäßig-geistige Sphäre eurer Erde, das sogenannte "Mittelreich", welches auch den Namen "Hades" führt und ungefähr das ist, was ihr als Römischgläubige (freilich ziemlich stark irrig) unter dem "Fegfeuer" verstehet. Am besten kann dieses Reich einem großen Eintrittszimmer verglichen werden, wo alles ohne Unterschied des Standes und Ranges eintritt und sich zum ferneren Übertritt in die eigentlichen Gastgemächer gleichsam vorbereitet. Ebenso ist auch dieser "Hades" derjenige erste naturmäßig-geistige Zustand des Menschen, in den er gleich nach dem Tode kommt.

Denn niemand gelangt entweder sogleich in den Himmel oder in die Hölle, außer es müsste im ersten Fall jemand schon auf der Erde vollkommen wiedergeboren sein aus der reinen Liebe zum Herrn, oder er müsste im zweiten Falle ein allerböswilligster Frevler gegen den Heiligen Geist sein. Im ersten Falle wäre ohne Eintritt in das Mittelreich der Himmel, im zweiten Falle aber sogleich die unterste Hölle zu erwarten. Der Himmel darum, weil ihn ein solcher Mensch schon in höchster Vollendung in sich trägt, und die Hölle darum, weil ein solcher Mensch alles Himmlischen völlig ledig geworden ist.

Das große "Mittelreich" ist die Hauptwerkstätte für alle himmlischen Geister. Da bekommen alle vollauf zu tun. Denn denket euch diesen Ort, der alle Stunden eures Tages viele Tausende neuer Ankömmlinge erhält. Diese müssen alle sogleich durchgeprüft und an den ihnen vollkommen entsprechenden Ort gebracht werden, oder besser gesprochen: Sie müssen sobald in einen solchen Zustand hineingeleitet werden, der mit ihrer Grundliebe in eins zusammenfällt. — Daher müssen sie in all ihren Neigungen erforscht und erprobt werden. Und wohin sie dann am meisten neigen, dahin muss ihnen geistig der Weg geöffnet werden.

Jeder Arzt muss ja zuvor seinen Patienten sehr gründlich erkennen, bevor er ihm eine Medizin verschreiben kann, die ihn von Grunde aus heilen soll. Auch Jenseits ist niemandem mit einer Scheinkur gedient. Also muss auch dort ein jeder neue Ankömmling erstens ein Generalbekenntnis von A bis Z seines Lebens ablegen. Ist solches erfolgt, dann geschieht eine Veränderung des Zustandes, welche die vollkommene Enthüllung heißt. In diesem Zustand steht dann ein jeder Geist völlig "nackt" da und gelangt dann in einen dritten Zustand, welcher die Abödung oder auch die Abtötung alles dessen genannt wird, was der Mensch (an irdischen Begierden und Schwächen ins Jenseits) mitgenommen hat."

Zustände im Mittelreich

In "Erde und Mond" (Kap. 31) wird über das lebhaft bewegte Traumleben der Seelen in diesem "Mittelreich" gesagt:

"Eines jeden Verstorbenen Seele und Geist kommen gleich nach dem Tode zunächst in diese Region, in welcher der Mensch (in der "Einbildung" seines inneren Geisteslebens) gerade so fortlebt, wie er auf Erden gelebt hat. Er genießt da die volle Freiheit und sucht sich (in seinem traumartigen Innenleben) ganz natürlich seinesgleichen auf. Da geschehen dann vereinliche Zusammenrottungen. Und wo mehrere einmal so in einem Verein beisammen sind, da werden bald Pläne geschmiedet, wie dieses oder jenes (gewöhnlich) durch Gewalt oder List könnte erreicht werden.

Unter solchen Vereinen gibt es dann auch Verräter, die einen Plan ihres Vereines einem anderen mächtigeren Verein verraten. Wenn zwei Vereine oder manchmal auch mehrere durch die Verräter in die Kenntnis gegenseitiger arger Pläne kommen, da gehen Rüstungen vor sich, welche in der naturmäßigen Welt sich als stets zunehmende Wolkentrübungen erschauen lassen. Es dauert nicht lange und die erbitterten Heere ziehen gegeneinander. Allein über ihnen sind die alles durchblickenden, mächtigen Friedensgeister. Diese senken sich herab, nehmen die erbitterten Heere gefangen und werfen sie zur Erde herab. Hier dauert es dann wieder eine Zeit, bis sie sich zusammengerafft und Kraft und Mut gesammelt haben, um wieder nach und nach dorthin zurückzukehren, von wo sie hinabgeworfen wurden. Wenn die Geister nach einer solchen kräftigen Zurechtweisung sich demütigen und dadurch in den Stand gebracht werden, den Namen Jesus aussprechen zu wollen und in diesem Namen Hilfe, Rettung und Heil suchen, werden sie alsbald von den Friedensgeistern freundlich begrüßt und in die dritte (Luft-)Region geleitet, wo sie dann schon in Verbindung mit diesen reinen Geistern leben und von da nach dem Grade der Zunahme ihrer Liebe zu Gott und seiner Ordnung stets höher aufsteigen." (Erde und Mond, 31, S. 91)

Solche innere Geisteswelten und Geisteserlebnisse sind auch in dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Band 1 und 2) sowie in dem Büchlein "Jenseits der Schwelle" eingehend und vielseitig geschildert. Und es geht daraus hervor, wie weise diese Führungen von den Schutzmächten geleitet werden und wie eindringlich deren Wirkung ist.

Der Weg abwärts — Die Vorhölle

Geht eine Seele im Mittelreich auf die Belehrungen ihrer Schutzmächte nicht ein, sondern will sie in ihren unlauteren Gedanken und Trieben beharren und ihren alten Leidenschaften weiterfrönen, so verändert sich ihre innere Vorstellungswelt in entsprechender Weise und die Seele gelangt in den Geisteszustand der sogenannten "Vorhölle".

Wie sich dieser Zustand als Innenerleben der Seele ausspricht, wird in vielen Beispielen in dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Bd. 1, 23 bis 38) geschildert. Wir blicken hier in die kahlen, kalten, dämmrig-düsteren Wohnwelten der hartherzigen Reichen, der kalten, hochmütigen Stoiker, Gelehrten und sonstigen Verstandesmenschen, der falschen Priester, untreuen Beamten, Lebemänner und Lebedamen und hören von deren licht- und freudlosem Dasein, durch dessen Öde die Seelen zur Aufnahme eines höheren Lichtes zubereitet werden sollen. Die einen Bewohner dieser Sphäre sehen wir das von oben gebotene Licht dankbar ergreifen; die andern schauen wir in Zorn und Abscheu sich von ihm abwenden. Besonders lehrreich ist hier das tragische Geschick eines Ehepaars, wobei der schwache Mann durch das arge, einst schöne Weib immer tiefer in das höllische Verderben gezogen wird.






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Kapitel 74
Die Hölle — Gottes Feueresse

Manche Seele entfernt sich, obwohl sie das Gute kennt, aus Hochmut oder Selbstsucht immer weiter aus der Gottesordnung und mithin auch aus dem Bereich der segensvollen Lebensströme des göttlichen Geistes. Das innere Geistesleben wird dann, je mehr eine solche Seele sich in ihrer Gottesverachtung verrennt, um so finsterer und grauenvoller. Und dieser Zustand der bewussten und hartnäckigen Bosheit heißt die "Hölle". Er hat nach Lorber drei Grade (Geist. Sonne, Bd. 1, 20; Rob. Blum, Bd. 2, 162, 10)

Die drei Grade der Hölle

"In der ersten Hölle", so lesen wir bei Lorber, "ist die Seele nichts als ein Genuss- und Fresspolyp, und das aus lauter stummer Selbstsucht und Selbstliebe.

In der zweiten Hölle ist durch eine starke "Fastenbehandlung" die begierliche Seele mehr und mehr eingeschrumpft und dem mit ihr verbundenen Geiste dadurch mehr Freiheit geworden. Im seltenen, besseren Falle kehrt so mancher Geist hier um, kräftigt sich und erhebt dann auch seine Seele (d.h. den unedleren Teil) stets mehr und mehr. Im gewöhnlichen, schlimmen Falle erwacht der Geist1 zwar auch; da er aber in diesem Erwachen in solcher Vernachlässigung seiner "Seele" sich überaus gekränkt und übel behandelt fühlt, so wird er zornig. Er lässt in diesem Zustand mehr und mehr die Idee in sich aufkeimen, dass ihm für solche Unbill von Seite der Gottheit eine kaum zu berechnende, große Genugtuung zukommen sollte. Je mehr der Geist sich mit dieser Idee beschäftigt, desto stärker setzt er seine Rechnung an und desto unzufriedener wird er mit jedem ihm vorgeschlagenen Maß der ewigen Genugtuung.

Aus dieser immer größeren Forderung, die in der wachsenden Unzufriedenheit ihren Grund hat, geht dann der stets mehr wach werdende (Seelen-)Geist in ein sich rächenwollendes Selbstgenugtuungsgefühl über. In diesem Gefühl wird er endlich zum vollkommenen "Verächter Gottes" (Teufel). Er ersieht auch seine Unzerstörbarkeit und stärkt sich mit der Idee, dass der Geist sich durch die Erhöhung seiner Begriffe und Forderungen ins Unendliche stärken kann. Aus diesem Gefühl erwächst dann sogar auch die satanische Idee, dass die Gottheit sich fürchte vor der stets wachsenden Macht solcher Geister. Durch diese Wahnidee wird das übermächtige Selbstgefühl des Geistes immer stärker, das Rachegefühl gegen eine vermeintliche Verschmitztheit der Gottheit stets größer. Der Geist geht dann in satanischen Abscheu vor der Gottheit über, fängt an sie zu verachten und zu hassen, dabei aber sich selbst als ein höheres Wesen anzusehen. Tritt dieser Fall ein, dann ist die dritte Hölle auch schon fertig."

Kämpfe in der Hölle

Da die gemäß ihrer Gleichgesinnung örtlich in denselben Sphären vereinten Seelen des Jenseits sich gegenseitig empfinden und in ihrem inneren Geistesleben beeinflussen, so gestalten sich diese inneren Erlebnisse für die friedlosen Seelen in der Hölle gleich einem furchtbaren, endlosen Kampfestraum.

"Denke dir", so erklärt der Herr einem Jünger, "zahllos viele solcher Geister, die von nichts als von grenzenlosester Selbstsucht und schrankenlosestem Hochmut erfüllt sind, wie diese untereinander wirtschaften! Denke dir aber noch, dass sie jenseits (in ihrem inneren Geistesleben) ganz frei sind, dass kein Gesetz sie auf irgendeine Art bindet und ein jeder tun kann, was er will. Wenn du dir das so richtig vor Augen führst, so wirst du da eine Anarchie sehen, von der die Erde kein Beispiel aufzuweisen hat.

Ein jeder will gleich der höchste Herr sein. Die im gleichen Bösen und Falschen sind, rotten sich gegen andere, welche im andern Bösen und Falschen sind. Da gibt es einen ewigen Hader, Zank, Krieg und gegenseitige Verstümmelungen von der grauenhaftesten Art. Und klauben sich die Verstümmelten wieder zusammen, da sind sie dann gar rachgierig und versuchen mit ihren Vorstellungen und Trugkünsten sich als allerlei Zauberer und Künstler bemerkbar zu machen. Haben sie sich dadurch nach und nach einen großen Anhang erworben, dann wehe denen, die sie verstümmelt haben!

Und so gibt es für jede Art Böses und Falsches ganz große Vereine, die nur eine Weile in einer Scheinharmonie miteinander bestehen. Haben sie irgendeinen anderen Verein bestürmt, ihn gesprengt und Beute gemacht, so will dann bei der Teilung ein jeder der Anführer gewesen sein und somit auch den größten Teil der Beute an sich ziehen. Dadurch kommt der siegende Verein untereinander in Streit. Zuerst wird gelost. Ist einem durch das Los der größte Teil zugefallen, so werden ihm dann noch allerlei Proben echt höllischer Art vorgestellt, ob er sich getraut, sie zu bestehen. Es werden ihm große Verheißungen gemacht, sogar die Krönung zum König und Gott aller Vereine. So er sich den Proben nicht unterziehen will, wird ihm der kleinste Teil der Beute zugedacht, was ihn natürlich in geheime Wut versetzt. Nimmt er dagegen die Proben an, wird er fürchterlich gemartert und muss sich alle möglichen Beschimpfungen gefallen lassen und selbst die größten Schmerzen standhaft ertragen.

Jetzt gilt dann das römische Sprichwort: Aut Caesar, aut nihil! (Entweder Herr sein oder nichts!). Er nimmt die Proben an, und hat er diese überstanden, so wird er zwar ein Scheinkönig, aber diese Ehre dauert nicht lange. Es gibt bald Meutereien und der gemarterte König wird abgesetzt. Ein Diktator setzt sich an seine Stelle und gibt Konstitution über Konstitution, wobei dann ein jeder für seinen Sack sorgt. Das ist dann wieder denen nicht recht, die dabei zu kurz kommen, und erzeugt schon wieder Verschwörungen, aus denen bald eine Gegenmeuterei der grässlichsten Art zum Vorschein kommt. Und so kann es da niemals zu einer Ordnung kommen."

Dämonen und Teufel

Die Gesellschafter und Verführer der armen Seelen auf diesen unseligen Wegen sind schon im Erdenleben die Schergen Satans, die Dämonen und Teufel.

Unter "Dämonen" versteht man urgeschaffene, mit Satana (Luzifer) aus der Ordnung Gottes in die äußerste Widerordnung verfallene Geister, welche noch nicht zum Demutsweg durch das Menschenfleisch sich angeschickt haben. Es sind das also Wesen der allerhartnäckigst bösen, echt satanischen Gesinnung. — Unter "Teufeln" dagegen versteht man Menschenseelen, welche, sei es im Diesseits oder im Jenseits, völlig dem argen, höllischen Geiste verfallen sind und somit höllisch denken, wollen und handeln.

Im "Großen Evangelium" spricht der Herr: "Ihr fragt: 'Gibt es denn im Ernst einen persönlichen Satan und einen persönlichen Teufel?' Und ich sage: O ja, es gibt deren schon hier, noch im Fleische wandelnd, und noch um ein Großes mehr im weiten Jenseits. Diese sind fort und fort bemüht, einen argen Einfluss auf das Diesseits auszuüben, einmal durch die rohen Naturgeister, die noch in allerlei Materie der Ausreifung wegen weilen, dann aber auch unmittelbar (auf die Menschen) durch gewisse geheime Einflüsterungen, Anreizungen und Verlockungen. Sie merken bei den Menschen gar wohl die verschiedenen Schwächen und Anlagen, bemächtigen sich derselben und fachen sie zu glühenden Leidenschaften an. Ist aber eines Menschen Schwäche einmal zur glühenden Leidenschaft geworden, dann befindet er sich schon ganz im Zustande des Gerichts der Materie und ihrer argen Geister. Und es ist für ihn dann schwer, sich davon loszumachen.

Das könnet ihr auch annehmen, dass es wohl auf keinem Weltkörper ärgere und bösere Teufel gibt als eben in und auf dieser Erde. Wenn es ihnen zugelassen wäre, würden sie die Erde und ihre Bewohner gar arg zurichten. Aber es wird das nicht zugelassen. Und damit die Teufel das nicht tun können, so sind sie eben darum mit aller Blindheit behaftet, und ihre Vereine gleichen jenen Sicherheitsanstalten dieser Erde, in denen die argen Narren und Wahnsinnigen festgehalten werden, auf dass sie den anderen Menschen nicht schaden können."

Beruhigend fügt der Herr an anderer Stelle noch bei: "Wenn deine Seele aus Mir rein und stark ist, so kann sie sich in den ärgsten Teufelsvereinen befinden, und sie werden ihr nicht den geringsten Schaden zufügen können. Denn eine reine und aus Mir starke Seele befindet sich, mitten unter zahllosen Legionen von persönlichen Teufeln, dennoch vollkommen im Reiche der Himmel, die da nicht sind ein äußeres Schaugepränge, sondern inwendig im Herzen der vollkommenen Seele. Solch eine Seele wird zu einer Mir ähnlichen Schöpferin ihres seligsten Wohnreiches, in das ewig kein persönlicher Teufel zu dringen vermag."

Der Wohnort der Dämonen und Teufel

Über den irdischen Aufenthalt der Geister der Finsternis wird ein Schriftgelehrter, der sich vor diesen Wesen schützen möchte, vom Herrn belehrt:

"Da wir nun schon davon reden, so will Ich euch auch die besonderen Wohnörtlichkeiten der persönlichen Teufel etwas naher bezeichnen, und so höret denn:

Sehet unter den Menschen jene öffentlichen Häuser und Gebäude an, in denen viel betrüglicher Handel und Wandel getrieben wird, wie z.B. nun im Tempel und in vielen anderen Kauf- und Verkaufhäusern! Das sind denn auch besondere Aufenthaltsorte für viele persönliche Teufel. Und so sind auch jene Häuser, in denen allerlei Unzucht, Hurerei und Ehebruch getrieben wird, ebenfalls besondere Wohnörtlichkeiten für die persönlichen Teufel. Ebenso auch jene Berge und Höhlen, in denen Menschen mit großer Hast und Gier dem Golde, Silber und anderen Erdschätzen nachgraben. Desgleichen Wälder und Höhlen, in denen sich Diebe, Räuber und Mörder aufhalten. Ebenso auch die Kriegslager und -felder, die Wege der kaufmännischen Karawanen und die Flüsse, Seen und Meere, auf denen ein starker Gewinnhandel getrieben wird.

Und weiter sind die Länder und Gründe, Wiesen, Acker, Weinberge und Wälder der harten Ungläubigen und auch der geizigen und hartherzigen Reichen besonders beliebte Wohnorte für die persönlichen Teufel. Desgleichen auch die Luft über und in jenen bezeichneten Wohnstätten sowie das Feuer, die Wolken und der Regen und auch alle Götzentempel und falschen Orakel. Ferner halten sich die persönlichen Teufel gar sehr zahlreich dort auf, wo ihr eine große irdische Pracht und den mit ihr verbundenen starken Hochmut erschauet.

An Orten aber, die von Menschen nicht bewohnt werden und auch von ihren Sünden nicht verunreinigt worden sind, halten sich die persönlichen Teufel nicht auf, außer es bereiste sie eine weltgewinnsüchtige Menschenkarawane; dieser zuliebe würden sich dann dort auch die persönlichen Teufel bald wohnlich einfinden.

Warum aber die persönlichen Teufel gerade die genannten Aufenthaltsorte lieben, das liegt für den, der das Frühere nur einigermaßen aufgefasst hat, von selbst klar auf der Hand und bedarf darum keiner weiteren Erklärung."

Ewige Höllenpein

Da die Hölle kein "kerkerlicher Strafort", sondern ein "geistiger Seelenzustand" ist, so ist klar, dass es sich bei der in der Heiligen Schrift den unseligen Geistern angedrohten "ewigen Pein" nicht um materielle Feuersgluten und dergleichen handelt, sondern um geistige Qualen und Leiden, die sich die hartnäckigen Seelen in den Erlebnissen ihres geistigen Innenlebens durch ihre arge Gesinnung selber zuziehen.

Da diese Seelen sich selber von der Urquelle alles Lichts und Lebens, von Gott, dem Vater, entfernen und dadurch des Zustromes der heiligen göttlichen Lebensgeistkräfte berauben, so entbehrt ihr geistiges Innenleben des Lichts und der Wärme, d.h. der göttlichen Liebe, Weisheit und Kraft. Es wird in ihnen immer finsterer, kälter und friedloser, bis zu den äußersten Graden geistiger Qual und Pein. Und eben in dieser äußersten Finsternis, Kälte und Friedlosigkeit der Seele besteht die Pein der Hölle.

Inwiefern ist diese Pein nun aber "ewig"? Sollen etwa die Seelen in alle Ewigkeit fort zur Strafe für ihre Sünden in solchen Qualen weiterleben müssen? Nein, der Wille eines allbarmherzigen Gottes kann dieses nicht sein! Die geistige Pein soll auch in ihren höllischen Graden nur dazu dienen, die hartnäckigen Seelen zu erweichen, sie zur willigen Aufnahme höherer und besserer Erkenntnisse zuzubereiten und für die reine, himmlische Liebe zu reifen. Ewig ist die Pein also nur so lange, als der "Sünder" sich nicht zur Ordnung Gottes bekehrt. — Kehrt er um, was freilich bei den hartnäckigen Seelen der Unterwelt höchst schwer ist und erst nach den qualvollsten Erfahrungen geschieht, so wird die Pein von ihm genommen. Sein inneres Geistesleben lichtet und erwärmt sich, d.h. es belebt sich mit neuen, glücklichen Vorstellungsbildern. Und so kann dann eine Seele — wenn auch meist nur mit großen Schwierigkeiten — auch aus dem ersten und zweiten Grade der Hölle wieder zurückkommen. Kaum möglich ist dies allerdings aus dem alleruntersten dritten Grade, wo die allerunversöhnlichste Gottes- und Lebensverachtung wohnt — obschon auch hier für die Allbarmherzigkeit Gottes nicht alles ausgeschlossen sein dürfte.

Diese ernste, aber doch trostvolle Bekundung, die allein mit der Alliebe Gottes übereinstimmt, finden wir mit aller Klarheit in den Neuoffenbarungsschriften vielfach ausgesprochen. So sagt der Herr:

"Wer wegen Verkehrtheit seiner Liebe in einem ersten oder zweiten Grade der Hölle sich befindet, kann nach vielen allerbittersten Erfahrungen wieder das werden, was er uranfänglich war. Sein Bewusstsein wird ihm belassen, seine Erinnerung bleibt ihm, und er kann zur Vollendung gelangen.

Aber so der Mensch durch die Mir unerträglichste Lauheit weder kalt noch warm ist, sich um nichts kümmert, weder um etwas Gutes noch um etwas Böses, oder es ist ihm das eine wie das andere so, dass er auf der einen Seite ganz kaltblütig die größten Gräuel und manchmal auch etwas Gutes ausüben kann — dem also gleich ist Gott oder Teufel, Tag oder Nacht, Leben oder Tod, Wahrheit oder Lüge — der ist dem eigentlichen ewigen Tode verfallen und befindet sich ganz eigentlich in der alleruntersten Hölle, aus der in ein und derselben Urwesenheit kein Herauskommen mehr denkbar ist. Der Grund solch eines Zustandes ist der allerkonzentrierteste Hochmut, der alle Grade der Selbstsucht und Eigenliebe durchgemacht hat und sich in solch hochgradiger Verdichtung gewisserart selbst erdrückt und so um das Urleben des Geistes gebracht hat. Und eben darin besteht der eigentliche ewige Tod, welcher das Schlimmste alles Schlimmen ist, weil da das eigentliche Sein ein völliges Ende nimmt.

Solch eine Seele ist dann gänzlich verdorben. Ihre erste Gesamtheit muss durch des (göttlichen Geist-)Feuers Gewalt in ihre einzelnen Spezifikalpotenzen aufgelöst und darauf, mit ganz neuen gemengt, auf langen Wegen durch die Pflanzen- und Tierwelt eines anderen Planeten in einem ganz fremden Sonnengebiete in eine höchst untergeordnete Form eines Menschen übertragen werden."

Falsche Himmel- und Höllenpredigt

Vom übereifrigen Drohen mit der Hölle aber sagt der Herr:

"Wenn du glaubst, dass entweder die Hölle oder der Himmel als Beweggründe dienen sollen, durch welche die Menschen vom Bösen abgehalten und zum Guten hingeleitet werden sollen, so bist du noch von einem grundfalschen Glauben erfüllt. Denn der ganz schlechte Mensch lacht über deine Hölle und über deinen Himmel, und der ganz Gute ist gut auch ohne deine Hölle und ohne deinen Himmel.

Die Hölle und der Himmel, so gestaltet, wie du dir die Sache vorstellst, sind erst recht geeignet, jeden Menschen so schlecht wie möglich zu machen. Denn wer das Gute nur des Lohnes wegen tut, der leiht sein Geld auf hohe Zinsen aus; und wer das tut, hat keine Nächstenliebe und noch weniger Liebe zu Gott. Nehmen wir aber den Himmel und die Hölle weg und sehen uns nachher deine "frommen Menschen" an! Siehe, da werden diese noch ärger zu wüten und zu toben anfangen als ein großgewinnsüchtiger Makler, dem sein Schuldner mit dem dargeliehenen Gelde durchgegangen ist. Und weil sie keine Höllenstrafen mehr zu befürchten haben, werden solche Menschen dann nur durch die sanktionierten Weltgesetze zu bändigen sein.

Es ist von je falsch gehandelt gewesen, dass die Alten ihren Kindern die Hölle so heiß wie möglich machten und den Himmel mit allen Farben des Lichtes und mit allen den Menschensinnen frönenden Annehmlichkeiten ausmalten. Dadurch bewirkten sie wohl eine Art Gottesfurcht, die aber wegen der zu leicht erreichbaren Hölle und wegen des zu schwer zu gewinnenden Himmels nie in wahre Liebe zu Gott und dem Nächsten überging, sondern bei den schwächeren Gemütern in stets größere Furcht ausartete und sich bei den stärkeren Gemütern von mehr inneren Lichtes in eine volle Gleichgültigkeit gegen Gott und die Nebenmenschen umwandelte. Denn diese stärkeren Menschen glaubten für sich gar nichts, doch machten sie die Sache pro forma mit, um das gemeine Volk bei dem Glauben zu erhalten, auf dass es sich nicht wider die empöre, für die es arbeiten musste.

Die weitere Folge davon aber ist die nunmalige beinahe gänzliche Gottlosigkeit unter den Menschen, die schon lange in größter Wut gegen die Herrenmenschen aufgestanden wären und sie sehr tätlich gefragt hätten, aus welchem Grunde sie ihnen untertänig sein müssen — wenn nicht die weltlichen Gesetze sie mit dem Schwerte davon abgehalten hätten.

Sieh, das alles ist eine Folge von solcher falscher "Gerechtigkeit" der Menschen, die allzeit mit den schärfsten Worten predigen, dass Gott zwar die Guten im Himmel ewig belohne, aber infolge seiner unerbittlichen Gerechtigkeit die Bösen auch ewig in der schrecklichsten Hölle mit unerhörtesten Martern ewig ohne alle Linderung strafe!" (GEJ 06, 243, 3 ff.)

Gottes "Zorn" ist höchste Liebe

Der "Zorn Gottes", der besonders im Alten Testament der Bibel wie auch heutzutage noch in Wort und Schrift so mancher Eiferer und Glaubensgerechtler eine große Rolle spielt, ist, da Gott durch und durch Liebe und Liebesweisheit ist, im Grunde nichts als die allerhöchste Barmherzigkeit Gottes.

Im "Großen Evangelium" erklärt der Herr einem höheren Tempelpriester:

"So ihr leset von einem Zorn Gottes, da sollt ihr darunter verstehen den ewig gleichen und festen Ernst seines Willens. Und dieser Ernst des Willens in Gott ist aber eben der innerste Kern der allerreinsten und allermächtigsten Liebe, aus der die Unendlichkeit und alle Werke in ihr hervorgegangen sind — und diese kann doch ewig niemandem gram werden! Oder meint von euch wohl jemand, dass Gott gleich wie ein dummer Mensch zürnen könne?" (GEJ 04, 141, 2)

"Ja, Gottes Weisheit kann wohl unwillig werden, so schon gebildete und wenigstens zur Hälfte reif gewordene Menschen mutwillig oder auch böswillig gegen die Ordnung Gottes sich auflehnen. Aber dafür ist wieder die Liebe Gottes da, die in ihrer großen Geduld stets jene tauglichen Mittel den verkehrten Bestrebungen der Menschen entgegenzustellen versteht und sie wieder auf den rechten Weg bringt. Dadurch muss dann am Ende Mein Endzweck mit der Menschheit immer erreicht werden, ohne dass der Mensch durch eine allmächtige Rache Gottes dazu gleich einer Maschine genötigt wird.

Aber selbst diese Mittel sind nicht als eine Folge der göttlichen Zornmacht anzusehen, sondern rein nur als eine Folge der verkehrten Handlungsweise der Menschen. Ja, die Welt und die Natur hat von Gott aus ihre notwendigen und unwandelbaren Mussgesetze, und zwar in der rechten Ordnung; und dergleichen Gesetze hat auch der Mensch seiner Form und seinem leiblichen Wesen nach. Will der Mensch nun irgend wider diese Ordnung sich auflehnen und die Welt umgestalten, so wird er darum nicht von einem willkürlichen Zorn Gottes gestraft, sondern von der beleidigten, streng fixierten Gottesordnung in den Dingen selbst, die so sein müssen, wie sie sind." (GEJ 04, 143, 1 ff.)

Dies ist nicht nur im zeitlichen, naturmäßigen Dasein ein Lebensgesetz, sondern gilt auch in der jenseitigen Welt und ihren Entwicklungen.

Die Hölle verdammt sich selbst

Zu einem mit der Liebe und Gerechtigkeit Gottes hadernden Geiste spricht der Herr:

"Die ganze Ewigkeit kann dir in Wahrheit nicht einen Fall vorweisen, wo auch nur ein Geist von Gott aus verdammt worden wäre! Aber zahllose Fälle kann Ich dir vorführen, wo Geister zufolge ihrer vollen Freiheit die Gottheit verabscheuen und verfluchen und um keinen Preis von deren endloser Liebe abhängen wollen, da sie selbst Herren, sogar über die Gottheit, zu sein sich dünken!

Da aber die Gottheit nur jenen ihre endlose Liebefülle in vollsten Zügen geben kann, die sie genießen wollen, so wird es klar, dass jene, welche die Gottheit samt ihrer endlosen Liebe auf das bestimmteste über alles hassen und verachten und ein grobes Gespött aus ihr machen, dieser Liebe eben darum nicht teilhaftig werden können, weil sie auf das entschiedenste derselben nicht teilhaftig werden wollen.

Solche Wesen lieben nur sich selbst allein und hassen alles, was sie nicht für ihr selbstsüchtiges Ich als vollkommen tauglich und demselben tiefst ergeben finden. Die Gottes- und Nächstenliebe ist ihnen ein Gräuel der Verwüstung, ein Fluch in ihrem Herzen! Gott ist ihnen nur eine pure Fadheit eines zelotisch verbildeten Gemütes, eine Albernheit eines im höchsten Grade verdummten Verstandes, und der Nächste nicht wert, dass man ihn ansähe.

Wenn aber freie Geister dabei hartnäckig verharren und durch kein ihrer Freiheit gegebenes Mittel von ihrem Wahne zu heilen sind und sich eher aller Bitterkeit und Herbe, die sie sich selbst bereiten, für ewig unterziehen wollen, als sich auch nur ein allersanftestes Gebot von der Gottheit gefallen zu lassen — sage, kann da die Gottheit an solch einer Selbstverdammnis die Schuldträgerin sein? Und so die Gottheit aus reinster Liebe solche Abtrünnige durch ihre Allmacht, Liebe und Weisheit von ihren seligen Freunden absondert, ihnen aber auf den abgesonderten Zustandsorten dennoch die vollste Freiheit belässt, kann sie dann als hart und lieblos gescholten werden?" (Robert Blum, Bd. 1, 24, 5-9)

"Wenn die Gottheit die absolut frei werden sollenden Geister mit ihrer Allmacht richtete, wäre es mit der Freiheit auf ewig vorbei. Die Allmacht würde da statt der freien Geister nur gerichtete Spielpuppen schaffen, aber ewig nie von der Gottheit ganz frei und unabhängig sich selbst bestimmende Geister, die in ihrer Vollendung selbst Götter werden sollen! Die göttliche Weisheit verfügt daher solche Zustände über entartete Menschen, durch die sie wieder auf den Weg zum rechten Ziel gebracht werden können. Es ist zwar das auch ein Gericht und gewisserart eine Nötigung, aber nur den Außenmenschen berührend, auf dass der innere desto eher und leichter erwache und seine wahre Bestimmung wieder ergreifen möge." (Robert Blum, Bd. 1, 25, 4 ff.)

Dankgebet eines Erkennenden

In dem Lorberwerk "Die Haushaltung Gottes" ruft einer der Urväter, der diese Geheimnisse der göttlichen Liebe und Führungsweisheit erkennen durfte, aus:

"O heiliger Vater! Ich bin wie von einem langen Schlafe erwacht und sehe nun in den klarsten Umrissen, was alles Deine unendliche Vaterliebe tut, um Deine Geschöpfe wahrhaft zu beleben und selbständig frei zu machen und sie dann zu erziehen und zu erheben zu Deinen wahren Kindern, damit sie als solche neben Dir, Du guter Vater, etwas sein möchten!

Aus Liebe verbargst Du Dich vor ihnen, damit sie Dich suchen und darüber die Welt und ihre vergänglichen Reize vergessen möchten! Wer je unreif sich Dir näherte, den wiesest Du sanft zurück und setztest ihn auf ein gutes Erdreich, damit er desto schneller reif würde und dann, mit vielfacher Frucht beladen, zu Dir heimkehren könne. Und Du belohnst ihn darum, dass er sich von Dir unendlich lieben und mit zahllosen Wohltaten überhäufen ließ!

Du gewahrtest schon lange die große Lauigkeit unseres Herzens. Aber anstatt uns wohlverdient zu strafen, suchtest Du selbst uns sichtbar heim und lehrest uns durch heilige Worte und Taten, Dich und auch das ewige Leben in uns zu erkennen.

Himmel, Erde und alle Elemente setzest Du unsertwegen sichtbar in Bewegung und lässt selbst durch den erschütternden Donner unseren tauben Ohren Deine große Liebe und Erbarmung predigen. Und durch die hellsten Blitze wecktest Du unsere in Todesschlaf versunkenen Augen, damit sie schauen die Werke Deiner unendlichen Vaterliebe, ja endlich Dich selbst, Du heiliger Vater!

O Vater, wer kann Dich je genug lieben, wer Dir auch im tausendsten Teil danken nach kindlicher Gebühr? O mein Herz, nun dehne dich über alle sichtbaren Himmel hinaus! Und du, der wahren Liebe neuerwachte, heilige Flamme, fülle mein Herz bis zu oberst, damit ich Dich, o heiliger Vater, aus allen meinen Kräften über alles zu lieben vermöge!

Jetzt erst tauchen alle die Worte, die Du oft zu mir geredet hast, wie hell glänzende Sterne auf. Ja, jetzt erst wird mir alles klar! Vom ersten Kindesmorgen her fühle ich jetzt, dass in jedem Lüftchen, das mit meinen Haaren spielte, in jedem Tautröpfchen, das je meine Füße benetzte, ja in allem, was immer mich je berührte, Deine unendliche Liebe, o Du heiliger Vater, wirkend war." (Haushaltung Gottes, Bd. 1, 161, 2 ff.)






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Kapitel 75
Paradies und Wiedergeburt

Erwächst in den mittleren und unteren Sphären des Jenseits in einer Seele durch ihre geistigen Innenerlebnisse die Sehnsucht nach himmlischem Licht, Frieden und Seligkeit und wendet sie sich im Gebet an Gott um Hilfe und Erlösung, so werden ihr alsbald durch ihre Schutzgeister höhere Erkenntnisse geboten und Wege gezeigt, auf welchen sie zu besseren Verhältnissen gelangen kann. Die sich nun ergebenden, vom Geiste reinerer Liebe verklärten Seelenzustände, die entsprechungsweise eine wonnigere Vorstellungswelt der Seele zur Folge haben, heißen die "Paradiese" oder der "Vorhimmel".

"Ich sage euch: Fürwahr, ein reumütiger Blick zum guten Vater genügt, um der Hölle zu entrinnen. Sehet den Missetäter am Kreuze! Er war ein Räuber und Mörder. Aber da blickte er zum Herrn empor und sprach in schmerzhafter Zerknirschung seines Herzens: "O Herr! Wenn Du in Dein Reich kommst, und wider uns große Missetäter zu Gericht ziehen wirst, da gedenke meiner und strafe mich nicht zu hart für meine großen Missetaten, die ich verübt habe!" — Und seht, der allmächtige Richter sprach zu ihm: "Wahrlich, heute noch sollst du bei Mir im Paradiese sein!"

Die Gefilde der Seligen

In diesem Zustand der Entwicklung sehen sich die Seelen zumeist in wunderbaren, fried- und lichtvollen Gärten und Landschaften von himmlischer Schönheit. Selige Wesen umgeben sie als ihresgleichen und genießen mit ihnen den Umgang und die Belehrung höherer Engel, die aus den Himmeln als Boten des Vaters herniedersteigen und sie in freundlichster Weise über die Liebe und Ordnung Gottes, des Vaters in Jesus, und die Geheimnisse der Himmel unterrichten. Durch die Schauungen von Sehern und Seherinnen sind diese Paradieswelten schon vielfach geschildert worden. Auch in den Neuoffenbarungsschriften finden sich zahlreiche Beschreibungen, so in dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Bd. 1, 41 ff. und Kap. 70 ff.) oder in dem Büchlein "Jenseits". Und in den Werken "Bischof Martin" und "Robert Blum" wird das ganze paradiesische Erleben der dort geschilderten Seelen vor uns entrollt, bis die Entwicklung in die himmlischen Sphären einmündet.

Die Friedensregion

Über den Ort, in dem die Paradiesseelen sich räumlich befinden, erfahren wir in "Erde und Mond": Diese Seelen wohnen in der obersten Luftregion der Erde, der sogenannten Friedensregion. Von dieser, in einer Höhe von etwa 17'000 Metern beginnenden Luftregion, in der Gelehrtensprache bekannt als "Stratosphäre", hat die Wissenschaft festgestellt, dass dorthin die Stürme und Wolken der niederen Regionen nicht reichen und dass daselbst eine vollkommene Windstille und ewige Klarheit herrscht. Und durch Lorber vernehmen wir, dass diese naturmäßige Ruhe und Klarheit dem geistigen Friedenszustand der dort lebenden reineren Seelen und Geister ebenso entspricht, wie die Stürme und Wettergewölke der niederen Regionen den friedlosen Zuständen der dortigen ungeläuterten Bewohner.

In "Erde und Mond" wird gesagt: In dieser Region sind schon lauter vollkommenere Geister. "Diese genießen fortwährend Licht. Denn auch natürlichermaßen wird es in solcher Höhe nie vollkommen finster. Aber in der geistigen Natur ist da schon fortwährend ein ununterbrochener Tag. Denn diese dritte Region befindet sich schon in einem reingeistigen Stadium, während die zweite Region noch nicht rein und sehr häufig Trübungen ausgesetzt ist; noch mehr aber die erste oder unterste Luftregion, in der, gleichsam auf der ersten Stufe, Gutes und Böses durcheinander wallt." (Erde und Mond, 28)

Die Paradiese, ein Ort der Sammlung

Warum aber müssen hier, in der obersten Luftregion, diese besseren Seelen noch verweilen?

"Seht, kein Geist, der von der natürlichen Erde noch so vollendet in die geistige übergeht, kann sogleich in das eigentliche Himmelreich emporsteigen. Und das darum nicht, weil zu seiner Vollendung noch immer etwas (an stofflich gestimmten Lebensfunken) im Erdenleib zurückbleibt, was er nur nach und nach aufnehmen kann. Erst wenn er den letzten Rest dessen, was ihm angehörte, veredelt und vergeistigt in sein Wesen aufgenommen hat, kann er diese Region verlassen und in eine wirkliche erste Stufe des Himmelreiches eingehen.

Der Geist zwar an und für sich, als das Urprinzip des Lebens aus Mir, braucht freilich nichts aus dem Erdkörper zu seiner Vollendung. Aber seine äußere Wesenheit, die da ist die Seele, muss das wieder in sich vereinen bis aufs letzte Atom, was ihr einst aus der Fülle Meiner sie formenden Idee gegeben ward. Dieses Gegebene besteht in den endlos vielen Intelligenzpartikeln …, welche ursprünglich zu ihrer Wesenheit gehörten und die sie auf dem langen Kreiswege (des Lebens) sich angeeignet hatte. Darum heißt es auch, dass "alle Haare auf dem Haupte" gezählt sind. Und nur derjenige, der nach Meiner (Jesu) Lehre wandelt, der sammelt; wer aber anders handelt, der zerstreut. Also muss der Geist noch eine Zeit warten, bis all das Seinige von seiner Wesenheit (Seele) aufgenommen worden ist. Wie aber erkennt da der Geist das Seinige? Das liegt schon in der ewigen Ordnung. Wie jedes Gras sein Spezifikum aus dem zahllosen Spezifikalgemenge genau herausfindet, noch genauer findet der Geist das Seinige." (Erde und Mond, 28)

In diesem vollkommenen Wiederbringen liegt eben der einstige vollkommenste Grad der Seligkeit. Dass die schon rein gewordenen Geister noch längere Zeit in dieser dritten Region verweilen müssen, um ihre seelischen Spezifika aufzunehmen, d.h. bis ihr Irdisches verwest und aus der Verwesung in ihr Seelisches übergegangen ist — das ist nicht etwa als eine Strafe zu betrachten. Es ist eine gleiche Notwendigkeit wie die Dauer des Leibeslebens auf der Erde, welche auch eine gewisse Zeit währen muss, bei manchem kürzer, bei manchem länger, damit der Geist Zeit gewinne, sich in seinem Wesen mehr und mehr zu manifestieren.

Wenn manchmal solche reine Geister auch mehrere hundert Jahre in dieser dritten Region verweilen, so verlieren sie dadurch nicht nur nichts, sondern sie können nur gewinnen. Denn dort geht ihnen durchaus nichts mehr ab, sie sind überaus glücklich und selig. Was aber ihre stets zunehmende Intelligenz betrifft, so ist das ja offenbar ein steter Gewinn. Und je mehr sie da gewinnen, desto vollkommener werden sie dahin kehren, wo es sich um ihre ewige Bestimmung handelt. Haben sie in den Paradiesen nur eine kleine Aufgabe vor sich und haben diese ordentlich und weise erfüllt, so werden sie einst desto tauglicher sein, in den Himmeln Großes zu verwalten, wo sie als Engelsgeister nicht nur über einzelne Teile eines Weltkörpers, sondern über ganze Weltenalle und Sonnengebiete geistig, und von da aus an der Materie ihre Tatkraft werden ausüben müssen.

Ja, Meine Lieben, wo ihr mit euren Augen wenig oder nichts erblicket, da gehen gar große Dinge vor sich!" (Erde und Mond, 29, 5. 85)

Was tun die Paradiesbewohner?

Ein schon reiferer Geist in der Paradiessphäre "schlichtet und ordnet die Wege für jene, die als Neulinge in diese Region emporkommen, und weist ihnen Ort und Handlung an. Dann beherrscht er belehrend die schon reineren Geister in der unteren Region; und wenn allda Reibungen und Trübungen vorkommen, so senkt er sich wie alle seinesgleichen als Friedensstifter hinab und wirkt da energisch.

Wenn aber fremde Geister aus anderen Weltkörpern hier anlangen, dann prüft er sie. Befindet er sie als tüchtig, so führt er sie auf den rechten Wegen zur Erde nieder, ist bei den Zeugungen durch seinen Einfluss zugegen und hilft solch neu angekommenen Geistern auf den Weg des Fleisches dieser Erde. Er sorgt dann auch, dass diese Geister genau jene prüfenden Wege im Fleische geführt werden, welche sie anderweltenorts, um Kinder des Herrn zu werden, zu wandeln beschlossen haben.

In dieser dritten Region wohnen so ganz eigentlich die sogenannten "Schutzgeister" der Menschen. Doch sind diese reinen Geister noch nicht Alleinherrscher und können es auch noch nicht sein, weil ihnen noch in vielem die vollendete Erkenntnis mangelt. Daher sind auch fortwährend vollkommene Engelsgeister über und unter ihnen, welche diesen Geistern allezeit die richtige Anweisung geben, was sie zu tun und zu schlichten haben. Aber für die Geister ist eben diese dritte Region ein wirkliches Paradies, wo sie alles haben, was nur immer ihr Herz in der Liebe zu Gott erfreuen kann. Da gibt es herrliche Gegenden, die sich jedoch nach der Beschaffenheit des Geistes richten; denn da wird schon jeder Geist der Schöpfer seiner Gegend, in der er zu Hause ist. Diese Gegend ist überaus reich an schönen Dingen. Der Geist genießt da alles in Fülle, und jeder Hunger ist ferne von ihm.

Und seht, eben in diesem Genuss nimmt dann der Geist nach und nach alles das auf, was noch von seiner Wesenheit an der Erde kleben geblieben ist … Und wenn er nun alles dies aufgenommen hat und er der Erde und sie ihm nichts mehr schuldig ist, dann erst hat er seine völlige Solidität erreicht und kann dann zur höheren Vollendung in das Reich der Himmel aufgenommen werden.

Es kann jedoch auch Geister geben, die noch manches ihnen Gehörige aus euch schon bekannten Gründen in anderen Weltkörpern haben. Diese steigen dann auch zu den Sphären jener Weltkörper empor, woher sie entweder ihr Hauptspezifikum bezogen oder wo sie einst schon körperlich gelebt haben, um auch dort das ihnen Gehörige abzuholen; aber das alles auf dem Wege der Liebe, die allein das anziehende Prinzip ist. Und das muss alles durch freie Wahl geschehen, in der ein jeder Geist strebt, in sich das zu sammeln, was Mein (des himmlischen Schöpfers und Vaters) ist, um es Mir dann in seiner großen Liebe vollkommen wiederzubringen." (Erde und Mond, 28)

Die Berge als Niederkunftsplätze der Paradiesbewohner

"Diese reinen Paradiesbewohner", erklärt der Herr in "Erde und Mond" weiter, "kommen nicht selten in die zweite, manches Mal auch in die erste Region herab. Hauptsächlich aber sind jene Stellen auf der Erde ihre sichtbaren Niederkunftsplätze, die ihrer bedeutenden Höhe wegen fortwährend mit Schnee und Eis bedeckt sind. Darin liegt auch der Grund, warum solche Gegenden für fast jeden Menschen eine magisch beseligende und zugleich das ganze Gemüt erheiternde, stärkende Anziehungskraft haben. Wer da traurigen Herzens ist und voll Unruhe in seinem Gemüt, begebe sich in Meinem Namen auf eine solche Höhe oder gehe wenigstens in ihre Nähe, und seine Seele wird wie mit stärkendem Balsam übergossen werden.

Während das Gemüt in den tieferen Regionen stets dumpfer und leidender wird, ähnlich dem Gefühl eines Bergschluchten- und Höhlenbesteigers, wird es bei einem, der eine solche reinere Höhe erstiegen hat, immer heiterer. Und wer da hinaufkommt, mag freudig ausrufen: "Herr, hier ist gut sein!"

Ich füge dann zwar hinzu: "Es ist noch nicht an der Zeit für dich, hier zu bleiben." Aber dessenungeachtet sage Ich: Gehet gerne auf Berge! Denn auch Ich, als Ich im Leibe wandelte auf der Erde, ging häufig auf Berge. Auf einem Berge ward Ich verklärt; auf einem Berge trieb Ich den größten Versucher von dannen; auf einem Berge predigte Ich das Himmelreich; auf einem Berge betete Ich, und auf einem Berge ward Ich gekreuzigt! Darum gehet gerne auf die Berge! Denn nicht nur euer Geist, sondern auch euer Leib gewinnt mehr dabei als aus hundert Apotheken." (Erde und Mond, 29)

Durch die Paradiese zur geistigen Wiedergeburt

In der paradiesischen Region müssen die Seelen alle sogenannten "Sieben Geister Gottes", d.h. alle jene Grundeigenschaften ausbilden, in welchen das wahre göttliche Wesen besteht: die Liebe, die Weisheit, die Willenskraft, die Ordnung, den Ernst, die Geduld und die Barmherzigkeit.

Von dem Engel Raphael werden im "Großen Evangelium" (Bd. 7, 18) diese "sieben Geister Gottes" in ihrer sinnvollen Reihenfolge beleuchtet und sodann (Kap. 20) dargelegt, wie wichtig deren gleichmäßige Ausbildung für die geistige Vollkommenheit der Seelen im Diesseits und im Jenseits ist.

"Nur wenige Menschen", sagt der Engel, "gibt es, die alle die sieben Geister (schon auf Erden) in sich zur vollen und gleichen Tätigkeit bringen und dadurch wahrhaft Gott und uns Engeln Gottes gleich werden. Denn gar viele kümmern sich wenig darum und erkennen sonach das wahre Geheimnis des Lebens in sich ganz und gar nicht. Solche blinde und halbtote Menschen können dann auch den ihrem Leben zugrunde liegenden Zweck nicht erreichen, weil sie sich nur von einem oder dem andern der sieben Geister leiten und beherrschen lassen.

So lebt der eine nur aus dem Geiste der alles an sich ziehenden Liebe und achtet der anderen Geister gar nicht. Was ist dann ein solcher Mensch anders als ein nie genug habendes Raubtier? Solche Menschen sind stets voll Eigenliebe, Neid und Geiz und sind gegen alle ihre Nebenmenschen hartherzig.

Andere wieder haben eine erleuchtete Liebe und sind somit auch recht weise und können ihren Nebenmenschen ganz gute Lehren geben; aber ihr Wille ist schwach, und sie können darum nichts völlig ins Werk setzen. Wieder andere gibt es, bei denen die Geister der Liebe, der Weisheit und des Willens ganz tätig sind; doch mit dem Geiste der Ordnung sieht es schwach aus. Diese Art Menschen werden auch recht klug und manchmal sogar weise reden und auch hier und da etwas Vereinzeltes ins Werk setzen. Aber der aus allen sieben Geistern weise Mensch wird nur zu bald an ihren Worten, Reden und Werken ersehen, dass darin keine Ordnung und kein Zusammenhang waltet.

Und wieder gibt es Menschen, welche Liebe, Weisheit, Willen und Ordnung besitzen; aber es fehlt ihnen der Geist des Ernstes. Sie sind darum ängstlich, furchtsam (und unstet) und können ihren Werken selten eine volle Wirkung verschaffen.

Wieder andere sind dabei auch voll Ernst und Mut; aber mit der Geduld sieht es schwach aus. Solche Menschen überstürzen sich gewöhnlich und verderben mit ihrem Eifer oft mehr, als sie gutmachen. Ohne Geduld geht es jedoch nicht. Denn der Mensch muss warten, bis die Traube völlig reif wird, will er eine gute Ernte machen. Will er die Reife nicht abwarten, so muss er es sich selbst zuschreiben, so er einen untrinkbaren Säuerling erntet.

Die Geduld ist also in allem ein notwendiger Geist: Erstens zur Beherrschung des oft ins Unendliche gehen wollenden Geistes, den ich Ernst nannte — weil dieser Geist dann in Verbindung mit der Liebe, Weisheit und dem Willen in den größten Hochmut ausartet, der beim Menschen dann keine Grenze findet. Und zweitens, weil die Geduld die Mutter der Barmherzigkeit ist, welcher Geist als rückdurchwirkend erst allen vorhergehenden Geistern die göttlich-geistige Vollendung verleiht und der Menschenseele zur vollen und wahren Wiedergeburt im Geiste verhilft.

Darum hat der Herr euch allen die Liebe zu Gott und zum Nächsten vor allem ans Herz gelegt und dazu gesagt: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist, und seid sanftmütig und demütig, so wie auch Ich von ganzem Herzen sanftmütig und demütig bin!" Der Herr gebot euch Menschen, den siebenten Geist vor allem darum auszubilden, weil eben in diesem letzten Geist alle vorhergehenden enthalten sind und durchgebildet werden. Wer demnach diesen letzten Geist mit allem Eifer bildet, der stärkt auch die vorangehenden Geister und wird dadurch am ehesten und sichersten vollendet." (GEJ 07, 20, 1-9)

Diese Entwicklung der Seele zur geistigen Wiedergeburt und die Herrschaftsergreifung des Geistes in der Seele vergleicht der Herr bildhaft mit einem Sonnenaufgang. (GEJ 07, 1, 2 ff.) Und an anderer Stelle gibt Er dem Judas für den höchsten Grad der so zu erreichenden Vollendung einen gewissen zahlenmäßigen Maßstab. "Teile du", sagt der Meister zu dem rechnerischen Jünger, "deine Liebe gerade in 666 Teile! Davon gib Gott 600, dem Nächsten 60 und dir selbst 6, so bist du ein vollendeter, wiedergeborener Mensch." (GEJ 02, 77, 1ff.)

Zeichen der Wiedergeburt

Der Herr: "Ein jeder Mensch hat eine unsterbliche Seele und in der Seele einen unsterblichen Geist. Auf dass aber die Seele, als ein aus der Materie sich entwickelnder Geist, mit dem Urgeiste Gottes, der "Liebe" heißt, vollkommen eins werde, muss die Seele selbsttätig all ihr Streben dahin richten: Fürs erste sich der Materie und ihren Anforderungen zu entziehen und all ihr Trachten, Tun und Treiben allein nach dem rein Geistigen zu richten, und fürs zweite fortwährend dafür besorgt zu sein, eins zu werden mit dem in ihr ruhenden Geiste der reinen Liebe Gottes.

Wie aber kann ein Mensch erfahren, ob seine Seele eins geworden ist mit dem wahren Geiste Gottes in ihr? Das erfährt er aus sich überaus leicht! — Wenn du in dir keinen Hochmut, keinen unnötigen Ehrgeiz, keine Ruhmsucht, keinen Neid, keine Hab- und Glanzsucht, keine Eigenliebe, aber dafür desto mehr Liebe zum Nächsten und zu Gott lebendig und wahr fühlst, und wenn es dir eine wahre Herzensfreude macht, dein Hab und Gut im Notfall an notleidende Brüder und Schwestern zu verteilen, ja, wenn du ein ordentliches Leid im Herzen fühlst, einem Armen nicht helfen zu können, wenn dir Gott alles und die ganze Erde mit ihren Schätzen nichts sein wird — dann ist deine Seele völlig eins mit dem Geiste Gottes in ihr. Sie hat das vollkommene, ewige Leben erreicht, ist weise, und wo nötig durch ihr bloßes Wollen wundertatkräftig!" (GEJ 05, 51, 3 ff.)

Freilich kann nur ein ganz reines, demütiges Streben zu diesem Vollendungsstand führen. — "Wer die Wiedergeburt erreichen möchte wegen irgendwelcher Wundereigenschaften (aus Großmachtstreberei und selbstsüchtigen Gründen), der darf versichert sein, dass ihm solche Gnade nicht zuteil wird. Denn das hieße buchstäblich, die edelsten Perlen den Schweinen zum Futter vorwerfen.

Liebe zu Mir, große Herzensgüte, Liebe zu allen Menschen — das ist in einem Bündel beisammen, das richtige Zeichen der Wiedergeburt. Wo aber dieses fehlt und die Demut noch nicht für jeden Stoß stark genug ist, da nützen weder Heiligenschein, noch Kutte, noch Geistervisionen etwas. Alle dergleichen Menschen sind dem Reiche Gottes oft ferner, als manche andere mit einem sehr weltlich aussehenden Gesicht. Denn das Reich Gottes kommt nie mit äußerem Schaugepränge, sondern inwendig in aller Stille und Unbeachtetheit in des Menschen Herzen."

Bedeutung und Folgen der Wiedergeburt

Über die Bedeutung der Wiedergeburt im Diesseits und Jenseits geben die Lorberschriften tiefe und vielseitige Aufschlüsse.

"Wenn die Seele", spricht der Herr, "sich bis zu einem gewissen Grade der geistigen Vollkommenheit erhoben hat, dann vereinigt sich ihr reiner Licht- und Liebegeist mit ihr, und der ganze Mensch ist dann ein gottähnliches Wesen und kann aus sich heraus alles ins Dasein rufen und auch weise erhalten."

Es wird aber der Seele durch die Wiedergeburt ihr eigenes Erkennen und ihr eigener freier Wille nicht benommen. Über das dann bestehende Verhältnis zwischen Seele und Geist (das wir im unvollendeten Zustand als einen recht leidigen Gegensatz empfinden, vergl. Paulus, Röm. 7, 22 ff.) sagt der Herr:

"Die Seele wird sich dann (nach der Wiedergeburt) zum Geiste stets so verhalten, wie der irdische Leib zur Seele. Der Leib einer noch so vollkommenen Seele hat gewisserart auch einen eigenen Genußwillen, durch den die Seele verdorben werden kann, so sie in denselben eingeht. Eine recht erzogene Seele jedoch wird wohl nie in des Leibes Fresswillen eingehen und stets ein Herr über ihren Leib bleiben; aber bei den verbildeten Seelen ist solches sehr möglich.

Zwischen Seele und Geist eines Wiedergeborenen aber waltet stets ein solches Verhältnis wie zwischen einer urvollkommenen Seele und ihrem Leibe. Der Leib mag für sich Begehrlichkeiten haben, so viele er will, und die Seele reizen zur Befriedigung mit all seinen oft sehr scharfen Stacheln, so sagt die vollkommene Seele dennoch stets ein wirkungsreiches Nein dazu. Und gleichfalls dasselbe tut der (reine, aus Gott stammende) Geist in der Seele, in die er völlig übergegangen ist.

Solange die Seele in des Geistes Willen vollkommen eingeht, geschieht alles genau nach dem Willen des Geistes, was da auch Mein (Gottes) Wille ist. Wenn aber die Seele infolge ihrer Rückerinnerung etwas mehr die sinnlichen Dinge Betreffendes will, tritt in solchen Augenblicken der Geist zurück und überlässt der Seele allein die Ausführung des Wunsches, aus der gewöhnlich nichts wird, besonders wenn das Vollbringenwollen wenig oder oft auch gar nichts Geistiges in sich als Zweck enthält. Die Seele, ihre selbstische Schwäche bald merkend, lässt von ihren Selbstlustträumereien dann auch alsbald ab, vereinigt sich wieder mit dem Geiste auf das innigste und lässt seinen Willen vorwalten. Da ist dann natürlich wieder Ordnung und Kraft und Macht in der Fülle."






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Kapitel 76
Das Himmelreich

Der durch die Wiedergeburt erlangte geistige Vollendungsstand des Menschen heißt das "Himmelreich". Und ein solcher Himmelsbürger heißt, zum Unterschied von den noch nicht durchs irdische Menschenleben gegangenen reinen Urgeistern oder geschaffenen Engeln, ein "gewordener Engel".

Räumlich erheben sich diese geläuterten Wesen entsprechend ihrem geistigen Aufstieg aus der Luftregion der Weltkörper in die reinen Ätherräume, die ihre lichten Wohnungen bilden. Aber in ihrer nunmehr unbeschränkten Willensfreiheit können sie sich im Dienste der ewigen Liebe auch in jede beliebige tiefere Sphäre begeben. (GEJ 07, 169, 9)

Der Himmel — in drei Stufen

"Auch im schon vollendeten Leben gibt es jedoch noch gewaltige Unterschiede. Denn ein Leben, das sich erst jüngst zu erkennen angefangen hat, kann offenbar nicht so mächtig sein wie ein Leben, das sich schon seit langem in alter Fülle und Tiefe der hellsten Wahrheit nach erkannt und ergriffen hat." (GEJ 03, 32, 7)

So gibt es denn auch in den Himmeln drei Stufen, welche in den Schriften der Neuoffenbarung genannt werden: der Weisheitshimmel, der Liebe-Weisheitshimmel und der (allerhöchste) Liebehimmel.

"So ein Mensch Mein Wort hört und aufnimmt in die Tiefe seines Herzens, und dort lebendig verstanden wird — der ist gleich einem guten Acker, in den der Same fällt und bringt je nach dem Willen und der Kraft des Menschen bald hundertfache, bald sechzigfache und bald dreißigfache Frucht an guten Werken. Und da ist hundertfach, der alles für Mich tut, und sechzigfach, der vieles für Mich tut, und dreißigfach, der einen guten Teil für Mich tut. — Also aber sind der Himmel in Meinem Reiche drei: der oberste für die hundertfache Frucht, der untere für die sechzigfache und der unterste für die dreißigfache Frucht."

Der unterste oder Weisheitshimmel

In den untersten oder "Weisheitshimmel", kommen die Seelen des ersten Lebensvollendungsgrades, bei welchen das Verstandserkenntnismäßige, der reine Glaube, noch vor der (zwar vorhandenen, aber noch nicht voll erstarkten) himmlischen Liebe und Barmherzigkeit obwaltet.

Über diesen ersten Grad der Lebensvollendung sagt der Herr: "Wer durch den festen und lebendigen Glauben, durch die Liebe zu Gott und zum Nächsten und durch die ungezweifelte Hoffnung (auf ein ewiges, seliges Leben) alle die argen Leidenschaften seines Fleisches (d.h. der fleischlich gesinnten Seelenelemente) bekämpfen kann und sonach völlig Herr über sich geworden ist, befindet sich eben dadurch im ersten Grade der wahren inneren Lebensvollendung, obwohl es da noch zu öfteren Malen an allerlei Versuchungen keinen Mangel haben wird, welche die Seele zur Begehung einer oder der andern leichten Sünde reizen werden." (GEJ 07, 155, 6)

Die Bewohner des Weisheitshimmels, ob sie nun noch im Erdenkleide oder in der geistigen Welt leben, sind also auf Grund ihrer Glaubenserkenntnisse sittlich rein und selbstbeherrscht. Aber diesen oft puritanisch strengen "Glaubensgerechten" fehlt doch noch die wahre, allein zum Vater in Jesus strebende und jedes Mitgeschöpf werktätig umfassende Liebe und Barmherzigkeit, der siebente Gottesgeist. In ihren Ätherwohnwelten herrscht daher die größte Herrlichkeit und Pracht. Hier gibt es Landschaften, Paläste und Tempel von unerhörter Großartigkeit und Schönheit. Und diese Seelen befinden sich ihrer Lebensvollendung gemäß auch in einem entsprechend erhabenen Seligkeitsgrade, der sich in einer ausgedehnten Erkenntnis und Weisheit bekundet.

"Solch eine Seele", sagt der Herr, "kann sowohl diese Erde, als auch den Mond, die Sonne, alle die andern, um diese Sonne kreisenden Planeten oder Erden und auch die andern Sonnen in einer oder mehreren Hülsengloben auf das genaueste durchschauen und sich an ihrer wunderbaren Gestaltung und Einrichtung im höchsten Grade ergötzen und darin die wahre und höchste Freude an der Liebe, Weisheit und Macht Gottes haben."

"Und doch", fügt der Herr hinzu, "ist diese Eigenschaft als ein minderer Grad der eigentlichen großen Seligkeit anzusehen, weil das allein eine vollendete Seele mit der Zeit ebenso langweilen wird, wie es einen Menschen langweilen würde, wenn er eine noch so schöne Landschaft hundert Jahre fort und fort betrachten und bewundern müsste." (GEJ 07, 66, 15 und 67, 1)

Calvinisten im Weisheitshimmel

Das Wesen und Leben solcher Bewohner des Weisheitshimmels wird in dem Lorberwerk "Die geistige Sonne" (Bd. 1, 41-45) geschildert. Wir lesen da nach einem Blick in eine dieser großartigen himmlischen Landschaften:

"Sehet, in diesem vor uns stehenden Palast wohnen Christgläubige aus der Sekte der Calviner. Drei unter ihnen waren auf der Welt reich; diese sind aber hier eben nicht die reichsten, sondern gehören mehr zu der dienenden Klasse. Die ersten beiden aber, die ihr am Tore dort erschaut, waren gar armselig auf der Erde. Er war ein Alpenhirte in der Schweiz, und sie war ebenfalls eine unansehnlichste Kuhmagd. Mit der Zeit lernte dieser fromme Hirte die guten christlichen Eigenschaften der Magd kennen und hat diese dann nach seiner Konfession zum Weibe genommen. — Dieses Paar lebte überaus züchtig bis zur letzten Stunde miteinander. Sie hatten auch etliche Kinder. Diese erzogen sie streng nach ihrer christlichen Konfession, und dieser (gute Ehe- und Familien-) Grund ward dann durch fünf Glieder treu beobachtet. — Und so seht ihr hier, was selten der Fall ist, eine selige blutsverwandte Familie von Eltern, Kindern und Kindeskindern. Das vorige Paar ist somit das Urgroßelternpaar der ganzen Familie. — Die drei Geringeren dieser Gesellschaft sind zwar auch Verwandte dieser Familie. Aber sie sind von solcher Art, welche sich durch irdische Glücksumstände weltlich emporgehoben haben und dadurch zu ansehnlich reichen Menschen geworden sind. Durch solchen irdischen Reichtum und irdisches Ansehen haben sie auf der Welt auch viele Vorteile und Bequemlichkeiten genossen, welche den armgebliebenen Familienmitgliedern fremd geblieben sind. Darum müssen sie hier dafür so manches entbehren, was nun die ärmeren Familienmitglieder im vollsten Maße genießen können. Dessenungeachtet sind sie hier dennoch unaussprechlich glücklich, weil sie ihr weltliches Ansehen und ihren Reichtum meist zu guten Zwecken verwendet haben.

Wir wollen aber den beiden ersten einen kleinen Besuch abstatten, damit ihr ein wenig erkennet, welches Geistes sie sind. Seht, sie haben uns schon erblickt und eilen uns entgegen. Aber sie halten nun plötzlich inne. Was mag wohl die Ursache sein? Sie wittern noch etwas Sinnliches in euch, daher wollen sie abwarten, dass wir zu ihnen kommen. — Nun sehet, wir sind bei ihnen, und der überaus schöne Mann empfängt uns mit folgenden Worten: 'Seid mir gegrüßt in der Reinheit des Wortes des Herrn! Darf ich, der unterste Knecht dieser Wohnung euch fragen, welch ein reiner und guter Sinn euch hierher geführt hat?'

Da ihr hier nicht zu reden vermöget, so muss schon ich an eurer Statt das Wort führen 'Lieber Freund! Deine Frage ist recht und billig und der Ton deiner Rede ist voll reiner Weisheit der Himmel; aber siehe, eines mangelt deinen Worten, und dieses Eine ist die Liebe! Du bist zwar herrlich bestellt in deiner Haushaltung, und deiner reinen Weisheit entstammt dein ganzes Besitztum. Aber ein Sandkörnchen im Reiche der Liebe des Herrn wiegt schon unendlichfach alle diese Herrlichkeit auf! — Siehe, diese da mit mir sind Schüler der Liebe, und ich bin ihnen nun aus der allerhöchsten Liebe ein Führer im Namen des Herrn. Von diesem Gesichtspunkte aus erkenne und erfasse uns! — Siehe, Reinheit der Sitten ist eine herrliche Tugend und der Gerechte ist ein Freund des Herrn. Aber so einer da ist ein Sünder und tut Buße aus Liebe zum Herrn, der ist Ihm angenehmer denn neunundneunzig solche, wie du einer bist in aller Reinheit deiner Sitten, der da nie der Buße bedurft hat.

Und du, reines Weib dieses reinen Mannes! Wahrlich, wie ein reinster Stern war dein Lebenswandel, und eine nie gebrochene Keuschheit war dein Weg in dieses herrliche Reich! Aber siehe, im ewigen Morgen wohnen gar viele deines Geschlechtes, welche gar oft wider ihr Fleisch gesündigt haben. Diese Sünderinnen haben ihre Schuld erkannt, demütigten sich reuigst vor dem Herrn und erbrannten dann in großer Liebe zu Ihm so sehr, dass sie nichts anderes suchten, als nur so viel Gnade von Ihm, dass Er sich ihrer erbarmen und sie nach dem Tode aufnehmen möchte zu den allergeringsten unter denen, die sich seiner unendlichen Erbarmung zu erfreuen hätten! Solche wohnen nun allerseligst in der beständigen Gesellschaft des Herrn im ewigen Morgen! Wahrlich herrlich und überaus prachtvoll ist alles hier; aber eine allergeringste Strohhütte im Reiche, da der Herr wohnt, steht unendlichmal höher denn alle diese Pracht." (Geistige Sonne, Bd. 1, 44, S. 230-232)

Der Weg in die höheren Himmel

Was den Bewohnern der untersten Himmelssphäre, des Weisheitshimmels, fehlt, geht aus diesen Worten des Führers in dieser Szene klar hervor: es ist die alleinige, demutsvolle und innigste Liebe zum Vater in Jesus. Es heißt daher in unserer Schilderung weiter:

Nun sehet, wie dieses Paar sich auf die Brust schlägt. Und beide sprechen einstimmig: "O mächtige Freunde des Herrn, ihr habt uns mit wenigen Worten Unendliches gesagt! Wir haben es wohl gar lange schon geahnt, dass es noch etwas Höheres und Erhabeneres geben müsse als dieses da. Aber wir wußten keinen Ausweg, denn unsere Weisheit wusste sich hier das Erhabenste zu schaffen. Jetzt aber wissen wir, dass alles nur eine Zulassung war, damit wir daraus stets mehr die Liebe hätten erkennen sollen. Sage uns daher, was wir tun sollen, um nur eines Tropfens der eigentlichen Grundliebe gewürdigt zu werden!"

Nun sagt der Führer zu ihnen: "Lieber Freund und du, liebe Freundin, habt ihr nie gehört, was da der Herr gesprochen hat zum reichen Jüngling: 'Gib alles hintan und folge Mir nach!'? Habt ihr ferner nicht gelesen die Stelle im Buche, wo der Herr einen ewig gültigen Vergleich aufgestellt hat: als zu gleicher Zeit vorne im Tempel ein gerechter Pharisäer dem Herrn seine Werke, vollkommen nach dem Gesetze Mosis, vortrug, während im tiefen Hintergrund ein armer Sünder an seine Brust schlug und sprach: 'O Herr! Ich bin nicht würdig meine Augen zu erheben zu deinem Heiligtum!' Welchen hat der Herr hier gerechtfertigt? — Ihr sagt: 'Den demütigen Sünder!'

Sehet, aus diesem könnt ihr leicht den eigentlichen Weg zum Herrn finden! Tuet auch ihr so! Denn das Wort des Herrn hat auch in den Himmeln volle Geltung in alle Ewigkeit! — Seht ferner: Vor Ihm gibt es nichts Reines und nichts Gerechtes, denn Er allein ist rein, gut und barmherzig! Haltet euch nicht für vollkommen, sondern tut, was der Sünder im Tempel tat und was da tat ein euch wohlbekannter Mitgekreuzigter des Herrn. So werdet ihr dann erst die wahre Rechtfertigung finden, welches ist die alleinige Liebe zum Herrn. Werdet vollkommen arm, damit ihr reich werdet in der Liebe des Herrn!" (Geistige Sonne, Bd. 1, 44, S. 232 ff.)

Der zweite oder Liebe-Weisheitshimmel

In die zweite Himmelssphäre, genannt "Liebe- Weisheitshimmel", gelangen diejenigen Seelen, welche in tiefster Demut und von ganzem Herzen die alleinige Liebe zum Herrn zum Gegenstand ihres Strebens und Lebens machen wollen. Diesen zweiten Grad der Lebensvollendung kennzeichnet der Herr mit den Worten:

"Versteht ein Mensch (im Diesseits oder im Jenseits) nun auch mit allen seinen Sinnen einen festen Bund dahin zu schließen, dass sie sich von allen irdischen Anreizungen abwenden und sich ganz allein nur dem geistigen Wesen zukehren, so ist das schon ein sicheres und lebenslichtvolles Zeichen, dass der innere Geist aus Gott die Seele ganz durchdrungen hat. In diesem zweiten Grade der inneren Lebensvollendung wird dem Menschen auch jene Stärke und Lebensfreiheit zu eigen, dass er, weil seine Seele ganz von Gottes Willen erfüllt ist, nur nach diesem handeln und so keine Sünde mehr begehen kann, da all sein Tun von der wahren Weisheit aus Gott geleitet wird." (GEJ 07, 155, 7-8)

Entsprechend erhöht sich in solchem Falle dann auch die Seligkeit eines solchen Himmelsbürgers. Diese liegt nicht mehr, wie im Weisheitshimmel, hauptsächlich auf dem Gebiete der Erkenntnis, sondern auf dem Tätigkeitsfelde. Sie "besteht darin, dass die Seele nun auch mit der wahrhaft göttlichen Schöpferkraft ausgerüstet ist und aus göttlicher Weisheit alles bewirken kann, was Gott selbst hervorbringt." (GEJ 07, 67, 2)

Die geistigen Wohnwelten dieser Seelen in den Ätherräumen des Liebe-Weisheitshimmels sind überaus schlicht und einfach, aber dafür um so anmutiger und inniger. In dem Buch "Die geistige Sonne" wird die Gestaltung dieser Sphäre mit einem endlosen, lieblichen Hügellande verglichen, mit Wohnungen ähnlich den schmucken, niederen Alpenhäuschen der Schweiz. Die Himmelswanderer in unserem Buch, welche dies alles schauen dürfen, sagen: "Ja ja, fürwahr, es sieht wirklich so aus! Es ist zwar ein großer Abstand zwischen solch einem Häuschen und einem Palast oder gar einer großen Stadt dort unten in der früheren (Weisheits-)Ebene, aber dessenungeachtet möchten wir es lieber bewohnen als einen solchen Palast." (Geistige Sonne, Bd. 1, 46, 1)

Die Bewohner dieser Sphäre sind nicht mehr damit beschäftigt, sich selbst eine große, erhaben schöne Wohnwelt zu schaffen und erkenntnismäßig die Schöpfungswerke Gottes zu erforschen — ihr Leben richtet sich immer mehr und immer ausschließlicher auf die Liebetätigkeit, das heißt auf die Mitwirkung am großen Werke der Erlösung der noch im Banne der Materie harrenden Seelen. Es ist eine harte Arbeit, und unsere Himmelswanderer in dem Buche "Die geistige Sonne" sehen sie in allerlei landwirtschaftlichem Geräte der "Alpenhäuschen" entsprechungsweise angedeutet. Aber allein durch dieses vollkommen demütige und selbstlose Tätigsein in der Liebe kann es geschehen, dass der Vater in Jesus selbst zuweilen "wesenhaft gestaltlich" in diese Sphäre kommt, die nach Ihm am heißest verlangenden Seelen besucht und die vollgereiften mit sich in die allerhöchste Himmelssphäre geleitet. (Vergl. Geistige Sonne, Bd. 2, 1-3)

Im höchsten oder Liebehimmel

In die allerhöchste und seligste Sphäre kommen die Wesen des dritten und höchsten Grades der inneren Lebensvollendung.

"Dieser Grad besteht darin, dass der vollendete Mensch — wohlwissend, dass er nun als ein Herr der ganzen Natur ohne Sünde tun kann, was er nur immer will — dennoch seine Willenskraft und Macht demütig im Zaume hält und bei all seinem Tun aus reinster Liebe zu Gott nicht eher etwas tut, als bis er unmittelbar von Gott aus dazu beordert wird — was für den vollendeten Herrn der Natur auch noch eine recht starke Aufgabe ist, weil er in seiner vollen Weisheit erkennt, dass er nach dem in ihm selbst wohnenden Willen aus Gott nur recht handeln kann. Doch ein noch tiefer gehender Geist erkennt auch, dass zwischen dem sonderheitlichen Willen Gottes in ihm und dem freiesten und endlos allgemeinsten Willen in Gott selbst doch noch ein großer Unterschied besteht. Deshalb ordnet er dann seinen sonderheitlichen Willen ganz dem allgemeinen göttlichen Willen vollkommen unter und tut nur dann etwas aus eigener Kraft, wenn er dazu unmittelbar von dem alleinigen eigensten Willen in Gott beordert wird.

Wer das tut, der ist in sich zur innersten und allerhöchsten Lebensvollendung gelangt, welche da ist die Lebensvollendung im dritten Grade. Wer diese erlangt, der ist auch völlig eins mit Gott und besitzt gleich Gott die höchste Gewalt über alles im Himmel und auf Erden, und niemand kann sie ihm ewig mehr nehmen." (GEJ 07, 155, 12-14)

Die endlose und allerhöchste Seligkeit einer solchen vollendetsten Seele besteht darin, dass sie Gott, den alleinigen Schöpfer und Herrn der Unendlichkeit, als ihren höchsten Lebensfreund in der Gestalt Jesu fort und fort um sich hat, Ihn als ihren himmlischen Vater über alles und ohne alle Grenzen lieben darf und mit Ihm die ganze geistige und materielle Schöpfung in jedem Augenblick überschauen kann und endlich, so mit Gott durch die Liebe völlig vereint, sich in der vollsten göttlichen Freiheit befindet. (GEJ 07, Kap .67, 4)

Die "Goldene Stadt" und die "Gnadensonne"

Diese höchste Himmelssphäre, in den Neuoffenbarungsschriften "Liebehimmel" genannt, heißt in der Schrift bekanntlich "die große Stadt von lauterem Golde", oder "das heilige, himmlische Jerusalem".

Diese Sphäre völlig zu begreifen, liegt, solange wir selbst nicht geistig vollendet sind, nicht in unserem Vermögen. Wie in der Offenbarung des Johannes (Kap. 21, 10) nur sinnbildliche Entsprechungen in irdischen Vorstellungen gegeben werden konnten, so bieten auch die Neuoffenbarungsschriften von dieser Stätte der Seligkeit nur bildliche Vorstellungen in irdischer Sprache. Auch hier wird von großer, wahrhaft göttlicher Herrlichkeit gesprochen.

"In der Mitte über der Stadt ist die "herrlichste Sonne aller Sonnen", die Gnadensonne, deren Licht viel heller strahlt als das der irdischen Natursonne, aber dabei dennoch so lieblich anzusehen ist wie das Licht des schönsten Morgensternes." (Robert Blum, Bd. 2, 284, 7 ff.)

Dort in diesem für alle Wesen unzugänglichen Licht der Gnadensonne wohnt das göttliche Ur-Grundwesen, d.h. das Urmachtzentrum Gottes, der "Vater", als der allervollkommenste Urgeistmensch in der Hülle der verklärten, für alle Zeit mit dem Vater zu einer Person Vereinten Jesuseele.

Von diesem "Vater in Jesus" gehen in Ewigkeit die Lebenskräfte des heiligen Gottesgeistfeuers fort und fort in die Unendlichkeit aus, um die Wesen der Schöpfung zu gestalten, zu erhalten und sie schließlich im Menschen zur Gotteskindschaft zu reifen. Und zu diesem Vater in Jesus kehren dann in den gereiften Ebenbildern oder Gotteskindern die ausgesandten Lebenskräfte des heiligen Gottesgeistes in vollkommener Freiheit und Selbständigkeit, gleichsam als "Selbstgötter"‚ in die große Stadt, das "heilige, himmlische Jerusalem", zurück. (Vergl. GEJ 04, 56, 1-4; Bd. 6, 226, 8-10)

Von der "Gnadensonne" als Urmitte der Unendlichkeit, in welcher wohnt "die ganze Fülle der Gottheit wesenhaft gestaltlich", sagt der Herr:

"Siehe, diese Sonne bin Ich im Grunde selbst! Es gibt unter uns (d.h. unterhalb des Liebehimmels) noch zwei Himmelssphären, und zwar gegen Abend hin einen 'Weisheitshimmel' und gegen Mittag hin einen 'Liebe-Weisheitshimmel'. Die Bewohner dieser beiden Himmel sehen Mich nur als eine Sonne, und zwar ebendiese, die du und alle anderen nun in der Mitte über der Stadt leuchten sehet.

Nur hier im allerhöchsten Himmel bin Ich, obschon auch in der Sonne, den Seligen außerhalb der Sonne schau- und nahbar. Außerhalb der Sonne bin Ich, wie ihr alle Mich nun unter euch seht (d.h. verkörpert in der Seelengestalt Jesu). In der Sonne aber bin Ich nur geistig durch die Kraft und in der Kraft Meines Willens, Meiner Liebe und Weisheit. Ich selbst bin (als Gottesgeistzentrum) im Grunde des Grundes in dieser Sonne, und die Sonne bin Ich. Aber dennoch ist ein Unterschied zwischen Mir und dieser Sonne. Ich bin der Grund, und diese Sonne ist gleich einer Ausstrahlung Meines Geistes, der von hier und also aus Mir alle Unendlichkeit in ungeschwächter Kraft durchströmt und allenthalben Meine ewige Ordnung schafft." (Robert Blum, Bd. 2, 283, 12 ff.)

Selbstverständlich hat diese göttliche Lebensmachtmitte auch irgendwo in der Unendlichkeit ihren räumlichen Sitz, wie ja jeder Geist, auch unser menschlicher, an irgendeinem Orte seinen räumlichen Aufenthalt hat. Wir vernehmen durch Jakob Lorber, dass dieses Zentrum des unendlichen Gottesgeistes sich in unserer Hülsenglobe befindet, und zwar in der geistigen Sphäre ihrer Urzentralsonne Regulus — eines Urgestirns, das von der Erde aus als ein Stern erster Größe im Sternbild des Löwen in unmittelbarer Nähe des Himmelsäquators, also sowohl von der nördlichen wie von der südlichen Erdhalbkugel aus gesehen wird. (Vergl. Robert Blum, Bd. 1, 140, 3)






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Kapitel 77
In der ewigen Heimat

Das tiefe Lebensgeheimnis, wie Gott, im unzugänglichen Lichte der Gnadensonne wohnend, dennoch in der ganzen Unendlichkeit und besonders in den Himmeln persönlich allgegenwärtig sein und sich als Jesus jedem Geist, Menschen und Engel in fasslicher Form zeigen kann, enthüllt der Herr mit den Worten:

"Die Strahlen, die aus dieser Sonne ausgehen, erfüllen in ihrer Art die ganze Unendlichkeit und sind in sich selbst nichts anderes als Mein Liebewille und die aus demselben ewig gleichfort ausgehende Weisheit. Diese Strahlen sind demnach überall vollkommen Meine Wesenheit.

Wo immer ein solcher Strahl hinfällt, da bin Ich selbst so wie in der Sonne ganz vollkommen gegenwärtig, nicht allein nur wirkend, sondern persönlich, und diese Persönlichkeit ist an allen Orten eine und dieselbe. Wo du hier (in den oberen Sphären der Himmel) nur immer hingehen willst, da wirst du Mich auch überall vollkommen zu Hause antreffen. Gehe in welches dieser dir sichtbaren kleinen Wohnhäuser du nur immer willst, und du kannst versichert sein, dass du Mich in einem jeden als vollkommenen Hausherrn antreffen wirst.

Du sagst zwar jetzt: Auf diese Weise sei Ich doch nicht der eigentliche Grund-Christus, der da auf der Erde gewandelt und gelehrt hatte, sondern nur ein lebendiges und vollkommenes Abbild desselben und wohne an und für sich dennoch im unzugänglichen Lichte. Du sagst ferner: Wenn es sich mit der Sache so verhält, so kommt da ja offenbar eine Vielgötterei heraus!

Höre, mein lieber Freund, Bruder und Sohn! Du denkst in dieser Hinsicht noch naturmäßig. Wenn du aber erst völlig inwendig-geistig denken wirst, wird dir diese Sache ganz anders vorkommen. Damit du aber aus deinem naturmäßigen Denken leichter in das Geistige eingehst, will Ich dich durch naturmäßige Beispiele dahin leiten." (Geistige Sonne, Bd. 1, 60)

Spiegelbeispiel für Gottes Vervielfachung

Der Herr: "Siehe, auf der Welt sahst du nur eine Sonne. Wenn du aber gegen die Sonne einen Spiegel hieltest, so war dieselbe Sonne auch im Spiegel. Du kannst unmöglich behaupten, dass die im Spiegel vorhandene Sonne eine andere war als diejenige, die am Himmel leuchtet. Wenn du aber mehrere tausend solcher Spiegel aufgestellt hättest, würdest du da nicht in einem jeden Spiegel eine vollkommene Sonne erblicken, welche ein ebenso starkes Licht und eine ganz gleiche Wärme dich verspüren ließe?

Du sagst, solches müsse allerdings der Fall sein. Ich will dir ein noch überzeugenderes Beispiel geben. Du wirst schon öfter auf der Erde von der Wirkung großer Hohlspiegel gehört haben. Wenn du die Strahlen der Sonne mit einem solchen Spiegel auffängst, so werden sie in ihrer Widerstrahlung aus dem Spiegel oft ums mehr als Tausendfache heftiger wirkend als die eigentlichen Strahlen aus der wirklichen Natursonne. Wenn du von solchen Spiegeln mehrere Tausende der Sonne gegenüber aufstellst, so wirst du auch bei dieser Gelegenheit von einem jeden einzelnen dieselbe heftige Wirkung wahrnehmen. Solches ist ganz sicher und vollkommen wahr. Was wirkt denn aber aus all diesen Spiegeln? Siehe, nichts anderes als stets eine und dieselbe Sonne, welche du durch diese bedeutende Spiegelanzahl vervielfältigt hast.

Nun aber frage Ich dich: 'Ist durch diese Vervielfältigung wohl im Ernst die Sonne vervielfältigt worden?' — Du sagst nun: 'Allerdings nur die Wirkung!' — 'Gut! Wie viele Sonnen aber hattest du demnach in deinen Spiegeln?' — Du sprichst: 'Den Spiegeln nach genommen, so viele, als da Spiegel waren; aber der Sonne nach genommen, hatte ich immer nur eine und dieselbe.'

Nun siehe, was da dieses naturmäßige Beispiel zeigt, das stellt sich dir hier in der größten, lebendigen Wirklichkeit und Fülle dar.

Du sagst zwar in dir: 'Solches sehe ich wohl ein. Wenn man aber jede Spiegelsonne untersuchen und ihr näherkommen wollte, um eben die Sonne in ihrem eigentümlichen Wesen kennen zu lernen, so werden einem dabei aber dennoch all die Spiegelsonnen nichts nützen, und der Sonne eigentliche Wesenheit bleibt dem forschenden Auge dennoch völlig fremd.'

Solches ist richtig. Was hättest du aber samt der Erde dabei gewonnen, wenn sich die eigentliche Sonne dir so genähert hätte, wie du sie dir mittels des Spiegels genähert hast? Siehe, da wäre wohl die ganze Erde samt dir augenblicklich wie ein kleiner Wassertropfen auf einem weißglühenden Eisen aufgelöst worden. Was hätte dir dann die Annäherung der wirklichen Sonne genützt? Bei weitem mehr ist solches mit Meiner Sonne der Fall. Sie muss ewig in einem unzugänglichen Zentrum stehen, dem sich kein Wesen über die bestimmte Ordnung nahen kann. Denn jede Annäherung über das bestimmte Maß würde jedem Wesen die völlige Vernichtung bringen. Solches wurde auch dem Moses gesagt, als er Gottes Angesicht schauen wollte. Denn unter "Schauen" musst du hier nicht das Wahrnehmen mit den Augen verstehen, sondern das sich völlige Nahen dem Grundwesen der Gottheit.

Siehe nun, wenn Ich aber einer und derselbe bin, wie Ich bin in der Sonne, und bin aber vor dir also, dass du dich Mir vollkommen nahen kannst wie ein Bruder dem anderen — ist solches nicht mehr wert? Und ist das nicht mehr Liebe und Erbarmung, als wenn du dich dieser Sonne wirklich nahen könntest, von ihr aber dann völlig vernichtet würdest?

Ferner, wie unvollkommen glücklich wärest du und wäre Ich, wenn es Mir nicht möglich wäre, Mich selbst als Vater überall hin in Meiner ganzen Fülle persönlich wesenhaft zu versetzen, wo immer nur Meine Kinder sind. Siehe, der Himmel ist unendlich. Wäre Mir eine solche wesenhafte, Meiner Einheit völlig unbeschadete endlose Vervielfachung nicht möglich, wie verwaist wären da Meine Kinder und wie allein dastehend wäre Ich selbst mitten unter ihnen!

Dass Ich aber vollkommen derselbe bin und habe dasselbe lebendige, göttliche Bewusstsein und alle die göttliche Liebe, Weisheit und Machtfülle, solches kannst du ja daraus entnehmen, dass Ich dich persönlich wesenhaft hierher geführt und dir auf diesem Wege gezeigt habe die Macht Meiner Liebe, Meiner Weisheit und Meines vollkommenen göttlichen Wollens.

Ich bin ewig immer Einer und derselbe in eines jeden Menschen Herz. Und wenn Millionen und Millionen ihre Herzen mit Mir erfüllt haben, und zwar ein jeder für sich vollkommen, so hat deswegen nicht ein jeder für sich einen besonderen, anderen Christus, sondern in eines jeden Herz wohnt ein und derselbe Christus vollkommen!"

Einzug in die Goldene Stadt

In dem Buch "Die geistige Sonne" wird die Heimführung eines dereinst in kirchlicher Dogmenenge befangenen Priors geschildert. Der Herr selbst ist es, der als verkörperter Strahl der Gnadensonne in seiner Jesusgestalt ihn abholt und in die "Scheune Gottes" einbringt.

"Sehet", so lesen wir, "wie Scharen im höchsten Glanze uns entgegenziehen. Und wenn ihr eure Ohren öffnet, so werdet ihr auch schöne Chorgesänge hören, wobei das Wort in sich selbst als vollkommenste Musik zu vernehmen ist!

Wir sind nun schon am bekannten "Stadttore", welches, wie die Mauer und die Häuser der Stadt, aus allen "Edelsteinen" gebaut ist. Sehet in die "Hauptstraße", die "Straße des Herrn", die "Straße der Mitte alles Lichtes", wie in dieser Straße gar viele allerseligste Engelsgeister, wie Kinder angetan, uns von allen Seiten entgegenströmen.

Sehet, alles ist voll des allerhöchsten Liebeweisheitsglanzes. Aber beschauet dagegen den Herrn. Der geht noch immer so einfach daher, wie wir Ihn vom Anfang an gesehen haben. Auch seine Brüder (die Apostel, die Ihm entgegenkommen) gehen gleich einfach einher. Und wie ihr auch bemerken könnt, so trägt ein jeder wie einen Orden ein kleines Zeichen von dem am Rocke, was ihn auf der Erde wesentlich unterschied von einem anderen seiner Brüder; wie auch, was er auf der Erde als naturmäßiger Mensch zur Fristung seiner natürlichen Bedürfnisse für ein Gewerbe trieb.

So werdet ihr bei dieser Gelegenheit den Petrus erschauen, geziert mir zwei Schlüsseln, die über Kreuz gelegt sind; unter den zwei Schlüsseln aber werdet ihr ein Fischernetz in kleinem Maßstabe wie aus kleinen Diamanten gewirkt erschauen. Die Bedeutung dieser beiden Zeichen brauche ich euch wohl nicht weiter zu erklären. Manchmal, bei besonderen Gelegenheiten, bekommt so ein Apostel noch mehrere Insignien. Und so erblickt man bei Petrus auch manchmal den Hahn wie auch ein Schwert.

Nun sehet den Paulus an, der hat ein zweischneidiges Schwert, darunter aber mit farbigen Diamanten gewirkt einen kleinen Teppich. Bei besonderen Gelegenheiten hat er auch noch ein rötliches Pferd und über dem Pferde wie einen Feuerstrahl, unter dem Pferde aber eine Rolle und einen Griffel. Und so wie diese zwei ersten Apostel, so haben auch alle anderen bei solchen Gelegenheiten auf ihren Kleidern gewisse, auf ihr irdisches Leben und Wirken Bezug habende Kennzeichen.

Diese Insignien sind von sehr großer Bedeutung und dienen ihren Inhabern im höchsten und tiefst geistigen Sinn. Denn auch hier sind die allerseligsten Geister nicht in einem stets gleich hohen Grade der innersten Weisheit aus dem Herrn, sondern darin findet auch hier ein Zustandswechsel statt, der zu vergleichen ist mit dem Wirkungsstande und dem darauf folgenden Raststande. Im Wirkungsstande ist ein jeder nach Bedarf mit der tiefsten Weisheit des Herrn ausgerüstet. Im Raststande aber bedarf niemand solcher Tiefe, sondern auch hier einer gewissen Sabbatruhe in der stillen, heimlichen Liebe zum Herrn. Im Wirkungsstande sind die Apostel wie auch alle anderen seligen Geister mit jenen Insignien versehen, weil diese gleichsam die Wurzel anzeigen, durch welche alle ihre Weisheit aus dem Herrn hervorgegangen ist — darum sie denn auch grundweise und wahrhaftige "Fürsten des Himmels" heißen." (Geistige Sonne, Bd. 2, 5 u. 6)

Im Vaterhause

"Aber nun seht, wir befinden uns schon vor einem mächtig großen, glänzenden Palast! Der Herr hält vor dem majestätischen Tor, aus dem schon wieder neue herrliche Lobgesänge entgegenhallen, und spricht zum Prior: Nun, Mein geliebter Sohn, hier sind wir in unserer ewigen Wohnung zu Hause. Wie gefällt es dir hier? Sage Mir, ob du große Lust hättest hierzubleiben?"

Der Prior spricht in tausendfache Demut versunken: "O Herr, Du alleiniger, ewiger König aller Majestät und Glorie! Du Gott, heilig, überheilig, Du allmächtiger Schöpfer aller Himmel und aller Welten! Als ich von Dir in den früheren Himmel geleitet ward, da blieb in meinem Herzen dennoch so viel Raum übrig, dass ich noch eines Wunsches fähig war. Aber hier, wo sich Deine unendliche Herrlichkeit in einer nie geahnten Fülle darstellt und ich vor meinen Blicken zahllose Schöpfungen und Deine endlos weiten Pläne und Wege voll des allerhöchsten Lichtes erschaue — da, o Herr, ist mein Herz vor Dir nicht mehr fähig zu reden. Denn zu groß und heilig bist Du, und ein unendliches Nichts bin ich vor Dir!

In der vorigen Himmelsgegend hätte ich mich wohl noch zu wünschen getraut, etwa ein geringster Knecht bei irgendeinem seligen Bruder zu sein. Aber hier, wo mir alles so unendlich heilig vorkommt, wo ich mich kaum zu atmen getraue und wo mich die unendliche Majestät dieser Wohnungen und ihrer Einwohner rein verzehrt — da bleibt mir, o Herr, kein Wunsch mehr übrig! Wenn ich Dich aber schon um etwas bitten dürfte, so wäre das, dass Du mich irgendwo hinaus in eine ganz einfache Hütte möchtest verschieben lassen. Denn dieser Wonne und Seligkeit hier bin ich zu unwürdig!"

Der Herr spricht: "Aber Mein lieber Sohn, dein größter Wunsch war ja doch der, bei Mir zu sein! Wenn Ich aber nun hier wohne, wie magst du dich denn scheuen vor Meiner Wohnung? Du hast doch selbst ausgesprochen: "O Herr, wo Du bist, da ist überall gut sein!" Wenn Ich aber hier für ewig vorzugsweise zu Hause bin, sollte demnach hier nicht gut sein? Daher bedenke dich und rede!"

Der Prior spricht: "O Herr, Du allerbester, allmächtiger, heiliger Vater! Mit meinem Ausspruche wird es wohl seine Richtigkeit haben, dass es hier zu unendlich wonnig und selig zu wohnen wäre. Aber das einzige, o Herr, bemerke ich hier, dass hier lauter Fürsten wohnen, und keiner von ihnen hat einen Knecht und geringen Diener. Wäre es möglich, so irgend in einem letzten Winkel dieser heiligen Stadt ein Dienstplätzchen zu bekommen von allergeringster Art, vorausgesetzt, dass hier dergleichen Dienstposten bestehen, da möchte ich mir freilich hier ein solches Plätzchen von Dir erbitten. Aber in so einem Palaste, wie dieser da ist, vor dessen Tor wir nun stehen, da kommt mir schon der allergeringste Posten zu groß, wichtig und heilig vor, als dass ich mich nur entferntest demselben nähern könnte."

Der Herr spricht. "Hast du denn nicht gehört, dass in Meinem Reiche derjenige der Größte ist, welcher der Kleinste und Letzte sein will? Daher sage Ich dir aber nun auch: Nicht ein Diener und nicht ein Knecht in diesem Wohnhause sollst du Mir sein, sondern dieses Haus habe Ich für dich errichtet zum eigentümlichen, herrlichen Besitz! Die Dienerschaft dieses Hauses aber hast du schon gesehen; sie besteht aus jenen seligen Geistern, die uns beim Eintritt in dieses Mein Reich in zahllosen Heerscharen entgegengekommen sind. Und so ziehe mit Mir ein, und Ich werde dir in diesem deinem Hause erst deine volle ewige Bestimmung enthüllen."

Das heilige Mahl im Vaterhause

In dem herrlichen, in seinen Einrichtungen dem Geisteszustande des Priors entsprechenden Hause finden die Ankömmlinge im Hauptsaal eine Tafel gedeckt.

Der Prior spricht: "O Herr, du allerliebevollster, heiliger Vater! Obschon die Herrlichkeit dieses Saales mich zu Boden drückt, so bemerke ich dennoch, dass diese Tafel eine überaus starke Ähnlichkeit mit derjenigen hat, die Du auf Erden vor Deinem bitteren Leiden mit Deinen lieben Aposteln und Jüngern gehalten hast."

Der Herr spricht: "Mein geliebter Sohn, du hast recht gesprochen. Denn so sprach Ich ja an der Tafel, dass Ich weder von dem Lamm noch von dem Wein genießen werde, als bis es im Reiche Gottes, also in Meinem Reiche, neu bereitet wird. Siehe, hier ist es neu bereitet! Hier wollen wir demnach dieses Mahl wieder miteinander halten und dabei nicht mehr in die Traurigkeit, sondern in die höchste Freude übergehen. Daher setzet euch alle mit Mir zu dieser Tafel, und zwar in der Ordnung, wie wir auf der Erde gesessen! — Du fragst zwar hier auch nach dem Judas, ob dieser auch bei der Tafel sein wird? Was meinst du wohl, ob sich der Verräter hierher schicken möchte?"

Der Prior spricht: "O Du allerliebevollster, heiliger Vater! Ich weiß wohl, dass Deine Gerechtigkeit so groß ist wie Deine Liebe, Gnade und Erbarmung. Aber dessenungeachtet muss ich Dir offen bekennen, es würde mir dennoch etwas hart geschehen, wenn ich diesen verlorenen Apostel im Ernst für ewig missen müsste. Denn Du hast ja selbst gesagt, dass dieser Eine verloren ging, damit die Schrift erfüllet werde. Dieser Text hat mich heimlich in Hinsicht dieses unglücklichen Apostels stets mit einem kleinen Trost erfüllt. Denn ich sagte mir: Judas musste vielleicht, wenn schon nach seiner freien Wahl, auch ein Dir dienendes Werkzeug sein, als ein Apostel der Toten, damit eben durch seinen Verrat Dein sicher von Ewigkeit vorbestimmter Plan in die heiligste Ausführung kam. Noch mehr aber ward ich allezeit beruhigt, wenn ich dachte, wie Du am Kreuze den Vater in Dir für alle Deine Feinde um Vergebung batest. Und da konnte ich denn den armen Judas trotz seines Selbstmordes nicht ausschließen. Dazu war ja auch offenbar an dieser seiner letzten Tat der nach der Schrift in ihn fahrende Teufel schuld. Daher also möchte ich wohl auch diesen Apostel, wenn schon nicht hier, so aber doch wenigstens irgendwo nicht im höchsten Grade unglücklich wissen."

Der Herr spricht: "Höre, Mein geliebter Sohn, es gibt nicht einen, sondern zwei Judas Ischarioth: Der eine ist der Mensch, der mit Mir auf der Erde gelebt, und der andere ist der Satan, der in seiner damaligen Freiheit sich diesen Menschen zinspflichtig gemacht hatte. Dieser zweite Judas Ischarioth ist wohl noch vollkommen der Grund der alleruntersten Hölle, aber nicht so der Mensch Ischarioth! Denn diesem ward es vergeben! Inwieweit dies zu erkennen, brauchst du dich nur umzusehen. Denn derjenige, der soeben mit deinem Bruder spricht und nun auch einen Liebeverrat begeht, indem er deinem Bruder schon im voraus Meine große Liebe zeigt, ist eben derjenige Judas Ischarioth, um den du besorgt warst. Bist du nun zufrieden mit Mir?"

Der Prior, vor Liebe zum Herrn beinahe vergehend, spricht: "O Herr, Du unendlich liebevollster, allerheiligster Vater! Wahrlich, ich habe Dich wohl allzeit für allerhöchst liebevoll und endlos gut mir vorgestellt, aber ich hätte mir nie getraut zu denken, dass sich Deine Erbarmung, Gnade und Liebe solchermaßen auch bis zum Judas erstrecken sollte! Auf der Erde hätte ich mich mit einem solchen Gedanken sicher für grob sündig geglaubt. Aber nun sehe ich, wie endlos weit Deine Güte, Gnade und Erbarmung alle menschlichen Vorstellungen übertrifft. O Herr, was soll ich denn tun? Wie soll ich Dich denn lieben, dass ich doch nur einigermaßen in meinem Herzen solcher Deiner unendlichen Liebe entsprechen könnte?"

Der Herr umarmt den Prior, drückt ihn an seine Brust und spricht zu ihm:

"Siehe, Mein geliebter Sohn, so wie du Mich jetzt liebst, gibst du Mir den größten Ersatz für Meine unendliche Liebe! Daher gehe nun aber mit Mir an den Tisch und iß und trinke das wahre, lebendige Abendmahl, damit du in diesem Genuss alle die Stärkung überkommst, welche dir, einem großen Fürsten in Meinem Reiche, stets und ewig wachsend vonnöten ist!" (Geistige Sonne, Bd. 2, 7)

Des Herrn Tafelrede

Höret nun aber, was der Herr vor dem Mahle spricht:

"Meine geliebten Kindlein! Als Ich einst auf Erden nach Meiner Auferstehung zu euch kam, da fragte Ich euch, indem ihr etwas hungrig waret und nicht viel zu essen hattet: 'Kindlein, habt ihr nichts zu essen?' Da zeigtet ihr Mir etwas Brot und etliche Fische. Ich segnete euch die Fische und das Brot, setzte Mich dann mit euch zu Tisch und aß mit euch. Nun frage Ich euch nicht mehr, ob ihr zu essen oder nicht zu essen habt, sondern aus Meinem unendlichen Vorratsschatz habt ihr in endloser Fülle ewig genug. Aber soll darum dieses von Mir auf Erden ausgesprochene Wort hier keine Geltung haben?

Ich sage euch: Diese Frage soll hier noch eine vollkommenere Geltung haben! Denn sehet, die Kinder auf Erden sind nun in demselben Zustande, in dem ihr wart nach Meiner Auferstehung. Sie sind voll trauriger Gedanken und wissen nicht, was mit dem Herrn geschehen ist. Und sie haben ebenfalls nur eine dürftige Nahrung, die da gleicht den Fischen und dem Brote, das ihr hattet.

'Die Fische' sind das Alte und 'das Brot' das Neue Testament. Da aber diese Speise bei den Kindern auf der Erde zum Teil versalzen, zum Teil ausgetrocknet ist, so ist es hier unter uns um so mehr an der Zeit, uns nun öfter an jene Kindlein zu wenden und sie zu fragen: 'Kindlein, habt ihr nichts zu essen?'

Und sie werden uns ihren Vorrat vorweisen. Und wir wollen ihnen diese Speise segnen zum guten lebendigen Gedeihen, wie Ich eure Fischlein und euer Brot gesegnet habe, und wollen uns dann mit ihnen zum Tisch ihres Glaubens und ihrer Liebe setzen und mit ihnen essen, d.h. wir wollen sie im Geiste und in der Wahrheit aus ihrem schwachen Vorrat die wahren Wege zum ewigen Leben kennen lehren!

Esset also nun mit Mir und trinket, und seid dabei in aller Liebe eingedenk derjenigen, die noch in der Tiefe ihres Fleisches wohnen und nicht erschauen können Mein Reich, Meine Gnade, Meine Liebe und Erbarmung!"

Seht, nun zerteilt der Herr das Lamm wie auch das Brot und teilt es an alle aus.

Nach der Tafel wendet sich der Herr an den Prior und spricht zu ihm: "Nun, Mein geliebter Sohn, wie hat dir Meine Mahlzeit geschmeckt?"

Der Prior spricht ganz zerknirscht: "O Herr, Du allerbester, liebevollster, allerheiligster Vater! Deine Mahlzeit hat mir nicht nur seligst wohlgeschmeckt, sondern ich bin dadurch mit einem neuen Leben erfüllt worden. Nun ist mir alles klar. Ich sehe nun meine Bestimmung, und Deine unendlich wunderbaren Wege, auf welchen Du Deine Kinder zum Leben führest, sind enthüllt vor mir. Endlos groß ist zwar der Wirkungskreis, den Du mir gnädigst als einem unwürdigsten Diener zugeteilt hast. Aber ich sehe ja auch, wie nur allein Du Alles in Allem bist und wie leicht mit Dir die größten Dinge zu vollenden sind! Daher bin ich nun auch überselig froh darüber, dass Du mir einen Wirkungskreis erteilt hast und freue mich endlos darauf, wann es Dir wohlgefallen wird, mich den ersten Dienst tun zu lassen in Deinem Reiche!" (Geistige Sonne, Bd. 2, 8)






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Kapitel 78
Wiederverkörperung (Reinkarnation)

Auf das bisher Erörterte zurückblickend, werden wir sagen müssen: Durch Jakob Lorber genießen wir einen wahrhaft unvergleichlichen Einblick in die Entwicklungswege und Vollendungsmöglichkeiten der Menschenseele in der geistigen Welt. Vom Mittelreich bis hinab zu den grauenvollsten Graden der höllischen Bosheit und bis hinan zu den seligsten Stufen der himmlischen Liebe ist alles, was der Vater in den vielen geistigen Wohnungen zur Seelenreifung seiner werdenden Kinder bereitet hat, vor unserem Auge aufgetan. — Wie steht es nun aber mit der "Reinkarnation", der Wiederverkörperung der Seelen auf stofflicher Ebene, von der so manche Religionslehren als einem besonders wichtigen Mittel der Seelenvollendung Kunde geben?

Die Lehre der Seelenwanderung im Altertum

Schon im vorchristlichen Altertum lebte bei vielen, wenn nicht bei allen Völkern der Erde der Glaube an die "Seelenwanderung", d.h. an ein Aufsteigen der Seelen von Lebensform zu Lebensform zum Zwecke der Läuterung von allen niederen Trieben und Leidenschaften. Besonders stark fand sich dieser Gedanke bei den arischen oder indogermanischen Völkern, also bei den (vermutlich aus dem Stammlande Iran entsprungenen) Völkern Mittelasiens und Europas, zu denen auch unsere germanischen Vorfahren gehören.

In dieser großen, durch viele Grundanschauungen verbundenen Völkerfamilie waren es hauptsächlich die arischen Stämme der Inder, welche zu der Zeit, als sie von den iranischen Bergen und dem oberen Industale nach Osten in das weite und fruchtbare Gangestal vordrangen, die Seelenwanderungslehre, "Samsara" genannt, als einen Grundbestandteil ihrer Religion, des sogenannten Brahmanismus, ausbauten. Damals, etwa 7 bis 8 Jahrhunderte vor Christus, wurde der alte, in den religiösen Urliedern des Volkes ("Rigweda" und "Atharweda") niedergelegte reingeistige Volksglaube von der mächtig anwachsenden Priesterkaste der Brahmanen stark verstofflicht und zu einem einträglichen Opferkult umgewandelt. Aus sehr durchsichtigen Grunde stellten die Brahmanen die Lehre auf, dass der Mensch vom Fluch des irdischen Daseins nur durch das priesterliche Wissen und die Gottheit zwingende Opfer der Priester erlöst werden könne. Des Menschen Seele müsse ohne diese Hilfe fort und fort in immer neuen Wiedereinfleischungen als Mensch oder als Tier ins irdische Dasein treten und hier Not und Qual und den bitteren Tod erleiden. Und zwar bestimme das "Karma" (zu deutsch: Tun) eines Menschen seine Daseinsstufe und seine Lebensverhältnisse in der Wiedereinfleischung. Das rechte, den Menschen vom Fluch der "Wiedergeburten" erlösende und ihn für das himmlische Friedensreich der Götter reifende Tun aber bestehe nebst einem Leben der Entsagung in dem vorgeschriebenen Gebets- und Opferdienst. Dadurch allein werde es der Seele ermöglicht, ihr Karma zu verbessern und schließlich vom Zwang der Wiederverkörperung befreit zu werden.

Dass diese Karma- und Wiedergeburten-Lehre den Brahmanen als Verwaltern des Schlüssels zur Seligkeit eine große Macht gab, ist verständlich. Und die große gegen-priesterliche Neuerung des Buddha (etwa um 550 v.Chr.) war, dass er zwar die "Samsaralehre" beibehielt, aber erklärte, dass die Erlösung vom Seinszwang nicht durch priesterliche Vermittlung, sondern nur durch Erkenntnis des Grundes aller Leiden, Freimachung von allem Durst der Begierden und Führung eines strengsittlichen Lebens unter schrankenloser Selbstaufopferung zum Wohle der Mitgeschöpfe zu erlangen sei.

Karma- und Reinkarnationslehre in der heutigen Theosophie

Die Seelenwanderungslehre der Brahmanen und des Buddha fand auch in unserem Zeitalter wieder Aufnahme und Verbreitung, freilich unter mancherlei Abwandlungen. Von der stark ethischen Ausgestaltung der englisch-indischen Theosophie unter Führung von A. Besant (gest. 1933) und den phantasiereichen Eröffnungen der Blavatzkys "Geheimlehre" bis zu der deutschen Anthroposophie (Richtung Steiner) gibt es die mannigfaltigsten Schattierungen.

Am bemerkenswertesten ist vielleicht die Karma- und Wiederverkörperungslehre der christlich gerichteten deutsch-indischen Theosophie, welche den kirchlichen Begriff von Schuld und Sühne mit dem Karma verbindet und lehrt: Die Seele des Menschen sei ein mit dem Urgeiste Luzifer gefallener Geist und habe durch ihren Abfall von Gott ein Karma, eine Schuld auf sich geladen, die sie der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes zufolge nun im irdischen Menschenleben "abtragen" müsse, durch Kreuz und Leiden und durch ein Tatleben der Gottes- und Nächstenliebe. Erst wenn durch ein leidgeprüftes, wahrhaft reines und werktätiges Leben der Demut und Liebe die Schuld getilgt sei, könne die Seele sich der heiligen Gottheit wieder nahen und selig werden. Da aber zum Abtragen der Karmaschuld ein einziges Menschenleben auf Erden nicht genüge, ja die Schuld öfter durch ein widergöttliches Leben noch vermehrt werde, so müsse die Menschenseele sich immer wieder einfleischen lassen, und zwar so oft, bis das ganze Karma abgetragen sei. Dies sei der Sinn der Bibelworte: "Du wirst von dannen nicht herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast." (Matth. 5, 26)

Die Lehre der Neuoffenbarung

Die nun schon seit Jahrtausenden bestehende Begriffsverwirrung auf dem Gebiet der "Wiedereinfleischung" wurde durch den deutschen Seher Jakob Lorber vom Herrn der Schöpfung selbst gelichtet. Im großen Rahmen der geistigen Schöpfungs- und Seelenentwicklungslehre, welche in den früheren Teilen dieses Buches dargestellt wurde, begreifen wir leicht, was in den Lehren der alten Völker und in den neuzeitlichen Überlieferungen wahr und gut ist und wo Dunkelheiten und Irrtümer bestehen.

Von der christlich gefärbten deutsch-indischen Ansicht z.B. unterscheidet sich die Neuoffenbarungslehre in mehreren wichtigen Punkten. Die Lorbers Gottesoffenbarung kennt keinen Strafgott, der Gerechtigkeit und Schuldabtragung fordert, sondern einen himmlischen Vater, der seine unvollkommenen Kindlein mit unendlicher Liebe und Erbarmung auf den wunderbarsten Wegen der Seelenbildung zur Vollendung führt. Es wird daher in diesen Neuoffenbarungsschriften nicht von "Schuldabtragung", sondern von "Läuterung und Vervollkommnung" gesprochen. Die stoffliche Welt ist kein Schuldturm, von dannen kein Schuldner ohne Zahlung herauskommt, sondern eine Schule, in welcher der Schüler je nach Leistung von Klasse zu Klasse aufsteigt. Unsere Allgemein-Schuld des Abfalls mit Luzifer hat der Menschensohn durch sein "Lösegeld" auf Golgatha beglichen. Und unsere sonderheitliche, im Erdenleben auf uns geladene Schuld wird uns vom Vater gemäß seiner Verheißung vergeben, sobald wir in wahrer Reue Ihn darum angehen. Müssten wir sie mit eigenen Werken und Verdiensten abtragen, dann wäre es um uns, die wir nichts Gutes und Heilvolles aus eigenen Kräften tun können, wahrlich für immer geschehen.

Weiterhin vernehmen wir durch den deutschen Boten Gottes, dass sowohl vor als auch nach dem irdischen Menschenleben noch ganz andere, geistige Seelenbildungsstufen liegen, von welchen den bisherigen Religionen und Theosophien wenig oder nichts bekannt war, und dass die Wiedereinfleischung auf stofflicher Ebene durchaus nicht das einzige Mittel der Vollendung ist.

Das elementare Vor-Sein der Menschenseelen

Nach Lorber besteht bekanntlich die Menschenseele aus zahllosen Myriaden einst mit Luzifer gefallener, im Gericht der Stofflichkeit (Materie) erstarrter und von den reinen Geistern Gottes zu neuem Leben in der göttlichen Ordnung gelöster Lebensfunken. In den Lebensformen der Naturreiche, vom Mineral bis zum Tier, wurden diese Lebenselemente als "Naturseelen" von Stufe zu Stufe hinangeführt und dabei gelehrt, die alte luziferische Selbstherrlichkeit und Selbstsucht zu überwinden und beim Bau und Gebrauch ihrer stofflichen Lebensform sich willig im Dienste der Gottes- und Nächstenliebe zu üben.

Wenn nun ein neuer Mensch entstehen soll, so berufen die Engel Gottes eine aus mehreren Tierseelen zusammengesetzte, reife Naturseele, vereinigen damit noch Lebensfunken aus den Seelen des zur Zeugung ersehenen Elternpaares sowie auch noch unmittelbar aus den Sternen herniedertauende Lebensfunken — und schaffen so eine Menschenseele, wie dies im 1. Band dieses Buches (Kap. 24 ff.) eingehend beschrieben wurde.

In Wahrheit hat also eine jede Menschenseele vor ihrem Menschsein schon die ganze Stufenreihe der Naturreiche durchlaufen — aber nicht als solche (als Menschenseele), sondern nur mit ihren Elementen, ihren Lebensfunken, in kleineren und immer reicher ausgestalteten naturseelischen Verbänden.

Darin ersehen wir die erste grundlegende und darum in der Regel auch sehr langwierige Elementarschule der Seele, in der es schon sehr viele "Wiedereinfleischungen" der Seelenbestandteile gibt. Diese Vorreifung der menschlichen Seelenteile findet nicht nur auf unserer Erde, sondern, nach gleichen Lebensgesetzen auch auf allen anderen Weltkörpern (Sonnen, Planeten und Monden) der ganzen stofflichen Schöpfung statt. Und überall ist die Krone dieser schöpferischen Entwicklung der Mensch mit einer aus allen Arten von Lebensfunken überreich zusammengesetzten Seele.

Die Seele auf der Menschenstufe

Auf der Menschenstufe, wo der Seele ein besonders starker, liebevoller Reingeist aus Gott (Gottesgeistfunke) als geheimer Leiter und Lebensvollender eingepflanzt wird, soll die Menschenseele, wie in diesem Buche ebenfalls dargetan, nun lernen, in scheinbarer Abtrennung von Gott und der reingeistigen Welt Gott zu suchen, Ihn und seinen Willen zu erkennen und aus freier Entschließung nun der ewigen, himmlischen Ordnung, der Gottes- und Nächstenliebe zu leben.

Alle Belehrungen und Führungen, die uns im irdischen Dasein von oben in einer unsere Willensselbständigkeit wahrenden und unsere Tätigkeit anregenden Weise zuteil werden, dienen diesem göttlichen Ziel und Zweck. Aber infolge der hartnäckigen luziferischen Natur unserer Seelenfunken wird das Ziel der vollkommenen Läuterung und Vergeistigung in einem einzigen Menschenleben kaum je erreicht, und so müssen weitere Schulungen stattfinden.

Weiterreifung in der geistigen Welt

Dazu gelangen alle Menschen dieser Erde, wie auch der anderen Weltkörper, nach Ablegen der stofflichen Hülle im Leibestode in den geistigen Sphären des sogenannten Jenseits als Seelen-Geister in ätherischer Formgestalt zur Weiterreifung, und zwar zunächst in einem traumartigen inneren Geistesleben, wie solches aus den vorstehenden Kapiteln zu ersehen ist.

Diese Stufe der Seelenvollendung ist ebenso wichtig wie die auf stofflicher Ebene. Sie ist nicht selten langwieriger und schließlich auch wirkungsvoller als die Entwicklung im stofflichen Leibe. Es bedeutet einen großen Mangel im Bilde der Seelenentwicklungslehre, wenn von indischen Theosophen diese bedeutsame geistige Reifeschule außeracht gelassen wird.

Erst nachdem in der geistigen Welt alle Möglichkeiten der Läuterung und Vollendung erschöpft sind und ein weiterer Fortschritt in dieser Lebensform nicht tunlich erscheint, findet bei Seelen, denen noch Materielles, d.h. luziferischer Geist der Selbstherrlichkeit anhaftet, eine Wiedereinzeugung in der stofflichen Ebene statt. Denn Gleiches zieht es zu Gleichem — das ist die einleuchtende Grundregel

Wiederverkörperung auf stofflicher Ebene

Wann und unter welchen Verhältnissen die Wiedereinfleischung erfolgt, bleibt natürlich niemals dem Zufall oder der blinden und unvollkommenen Seele überlassen, sondern das bestimmen in weiser Liebe und Sorgfalt ebenfalls wieder die geistigen Diener des himmlischen Vaters, die leitenden Schutzmächte der Seele. Diese wählen Zeit, Ort, Eltern und Lebensverhältnisse aus, die am besten geeignet erscheinen, die Seele auf der neuen Bildungsstrecke geistig vorwärts zu bringen und sie durch allerlei oft bittere Erfahrungen für die Aufnahme eines höheren Erkenntnislichtes zu erschließen und zur Buße (Umkehr) zu bewegen.

Die leitenden Schutzmächte bestimmen auch, ob und was eine Seele bei der Wiedereinfleischung an neuen Lebensfunken aus den Naturreichen, aus den Seelen der Eltern und aus den Sternen zur Läuterung und Bereicherung in sich aufzunehmen hat. Gerade diese Neuaufnahmen, durch welche sich die Seele am Werke der Erlösung der Materie beteiligt, sind oft von großer Bedeutung für die Schicksale und Führungen des Menschen auf der Bahn des neuen Daseins.

Insbesondere bestimmen die Schutzmächte ferner, auf welchem Weltkörper die neue Einfleischung stattfinden soll — auf dem gleichen, auf dem das frühere Menschenleben sich abspielte oder auf einem anderen, einer Sonne, einem Planeten, einem Monde. Auch hier entscheidet allein der Gesichtspunkt der bestmöglichen Eignung des zu wählenden Lebensschauplatzes. Gottes Engel, die über uns Menschen walten, haben ja allein den Tief- und Weitblick, um zu wissen, welche der vielen Schulen in der stofflichen Schöpfung der Reife und dem Fortbildungsbedürfnis einer Seele entsprechen.

Verlust der Rückerinnerung

Eine besondere Maßnahme der göttlichen Weisheit ist es dabei auf unserer Erde, dass hier den Menschen die Erinnerung an die früheren Seinszustände so gut wie gänzlich genommen wird. Im "Großen Evangelium" (Bd. 4, 106, 1 ff.) vernehmen wir darüber:

"Auf diese Erde begeben sich (verhältnismäßig) höchst wenige Geister, weil ihnen da der Weg des Fleisches zu beschwerlich vorkommt, indem sie hier alle Erinnerungen an ihren früheren Zustand aufgeben und ganz in ein von Anfang an neues Sein eintreten müssen. Auf den anderen Planeten und Weltkörpern ist das nicht der Fall. Denn dort bleibt den eingefleischten Geistern stets eine traumartige Rückerinnerung an die früheren Zustände. Die Folge davon ist, dass die Menschen auf anderen Planeten und Weltkörpern von Grund aus schon um vieles weiser und nüchterner sind als auf dieser Erde. Aber dafür sind sie auch keines Fortschrittes in eine höhere Stufe des freien Lebens fähig. Sie gleichen mehr den Tieren dieser Erde, die schon von Natur aus für ihr Sein eine gewisse Instinktbildung haben und darin stets eine große Fertigkeit und Vollendung an den Tag legen. Versuchet aber, ein Tier darüber hinaus zu unterrichten, und ihr werdet ihm nicht viel Ersprießliches beizubringen imstande sein. Die Ursache liegt darin, dass eine stumpfe Rückerinnerung an ihre früheren Zustände die Tierseelen gleichfort noch wie ein Gericht gefangenhält und beschäftigt, und dass sie sonach in einer gewissen Betäubung leben. Allein bei allen Menschen dieser Erde tritt der sonst nirgends mehr vorkommende Fall ein, dass sie aller Rückerinnerung bar werden und daher eine ganz neue Lebensordnung und -bildung von Anfang an beginnen, die so gestellt ist, dass mit ihr ein jeder Mensch bis zur vollsten Gottähnlichkeit emporwachsen kann."

Über diese Besonderheit unseres Erdenlebens beschwert sich im "Großen Evangelium" ein Arzt gegenüber einem ihn belehrenden Engel: "Ohne eine Rückerinnerung betrachte ich ein jedes künftige Dasein ebenso wie ein jedes Vorsein verglichen mit meinem gegenwärtigen, mir klar bewussten Dasein als ein Nichtdasein. Denn bin ich nicht mehr das, was ich war, und wird mir bei einem künftigen Sein alle Rückerinnerung auf ein wie immer geartetes Vorsein gänzlich genommen, dann ist jedes Dasein für mich soviel wie gar keines … Was nützen einer Kette viele tausend Glieder, die niemals in einen sich unterstützenden Zusammenhang gebracht werden? … Siehe, du hochherrlicher Freund, in dieser Frage steckt für den auf dieser Erde armselig dahinlebenden, oft hell denkenden und dabei von der Furcht vor einem schmerzvollen Tode gepeinigten Menschen viel überaus Wichtiges! Ich habe diese Frage nicht in der Absicht gegeben, um durch sie deine große Weisheit auf eine harte Probe zu stellen, sondern lediglich, um durch dich ins klare zu kommen." (GEJ 09, 177, 3-6)

Dem Fragenden erwidert der Engel: "Höre, mein Freund! Würdest du dir aller Vorzustände, die du der Seele nach in sehr geteilter Weise bis zu deinem gegenwärtigen Zustand schon durchgemacht hast, ganz klar bewusst werden, so würdest du dadurch in deinem Denken, Urteilen und Wollen derart zerteilt und zerrissen, dass es dir unmöglich wäre, jene sittliche Einheit, Kraft und Stärke aus dem Geiste der Liebe Gottes (die nun dein inneres und allein wahres Leben ist) in deine Seele derart aufzunehmen, dass sie eins würde mit ihm (dem Gottesgeiste).

Wird die Seele aber eins mit ihm, dann wird sie in der Beschauung ihrer selbst schon in jene rückerinnerliche Klarheit gelangen, aus der sie die endlose Liebe und Weisheit des einen großen Baumeisters im seligsten Dankgefühle heilst erkennen und ewig bewundern wird. Und dann wird ihr eine solche von dir schon jetzt verlangte Rückbeschauung zum ewigen Lebensnutzen dienlich sein, während sie dir jetzt gar gewaltig schaden würde."

Einen weiteren wichtigen Grund für die Bewusstseinsverdunkelung betont der Herr im "Großen Evangelium":

Sinn und Bewusstsein, heißt es dort, sind dem Menschen im Leibesleben trüb und unvollkommen gegeben, "damit sie ihn zur inneren Denk- und Suchtätigkeit nötigen, weil der Seele, die dem Urlichte Gottes verwandt ist, nichts unerträglicher ist als die Unbestimmtheit in allem, was sie wahrnimmt. Die Seele sehnt sich also in einem fort nach der vollen Wahrheit und denkt, fragt und sucht ununterbrochen. Und in dieser Seelentätigkeit besteht denn auch die fortwährend wachsende Erweckung und Stärkung des innern geistigen Sinnes, sowohl in Bezug auf das Schauen, Hören und Wahrnehmen, als auch auf das Fühlen und Empfinden. — Würde aber eine Seele sogleich mit dem vollgeweckten inneren Sinn in diese Welt treten, so würde sie in volle Trägheit und Untätigkeit versinken, was dann ebensoviel wäre, als hätte sie kein Leben. Die Seligkeit des Lebens besteht ja hauptsächlich nur in der Tätigkeit. Und so ist es der Seele nützlicher, dass sie sich in aller Tätigkeit übe, als dass sie sich (von Anfang an) in aller Klarheit des innern Wahrnehmens nach allen Richtungen des Lebens hin befände." (GEJ 09, 141, 7 ff.)

Und einen dritten Grund für die Verdunkelung der Rückerinnerung zeigen die Neuoffenbarungsschriften uns endlich auch darin, dass durch ein allzu bestimmtes und klares Wissen um die Verhältnisse der geistigen Welt die Seele sich zu stark genötigt fühlen würde, sich dem Willen und der Ordnung Gottes blindlings zu unterwerfen. Sie käme dadurch unter einen geistigen Zwang und würde die wahre Freiheit und Selbständigkeit ihres Denkens, Wollens und Handelns einbüßen. Der Seelenbildungsplan unseres himmlischen Vaters geht aber dahin, uns auf dem Wege der Lebenserfahrung in langsamer Reife zur freiwilligen Aufnahme höherer Erkenntnisse und damit zu einer vollkommenen Freiheit des Willens und Handelns zu reifen. Und so ist die Erziehung zur Selbständigkeit und Selbsttätigkeit unseres geist-seelischen Wesens der Hauptgrund dessen, dass gerade auf Erden, in dieser Hochschule der "Großkinder" Gottes den Menschen ein Schleier über ihr Vordasein gelegt wird. (Vergl. "Bischof Martin", 175, 8-13)

Nicht selten taucht freilich durch göttliche Zulassung und zur Stärkung der Seele dann und wann im Bewusstsein eines Menschen die traumartige Ahnung früherer Daseinsverhältnisse auf. Seherisch Begabte können zuweilen auch klarer schauen und Enthüllungen über die Vorexistenz eines Menschen machen, doch kommt es aus den obigen guten Gründen zu einer voll überzeugenden Gewissheit wohl selten. Erst im Zustand geistiger Vollendung werden wir ohne Schaden und mit innigstem Dank einst die ganzen wunderbaren Wege unserer Führung und Entwicklung überschauen.

Erd- und Sternenseelen

Was nun die Bewohner unserer Erde anlangt, so wissen wir durch Jakob Lorber weiter, dass es hier zwei sehr verschieden beschaffene Arten von Menschen gibt: Solche, deren grundlegende Seelenelemente ganz von dieser Erde stammen und hier erstmalig zum Menschendasein gelangten (Erdseelen, "Seelen von unten") — und solche, deren grundlegende Seelenelemente aus einem anderen Gestirn (Sonne oder Planet) stammen und dort schon ein oder mehrere Menschenleben auf stofflicher Ebene durchgemacht haben (Sternseelen, "Seelen von oben").

Die Sternseelen sind der Zahl nach geringer als die Erdseelen — etwa eins bis zwei vom Hundert. Aber durch ihre oft lange und bedeutende Vorschulung und durch die von ihrer Sternenheimat mitgebrachten, meist an sich schon reineren Seelenfunken zeichnen sie sich (soweit sie nicht durch Neuaufnahme irdischer Lebensfunken zu stark beschwert und getrübt sind) durch ein höheres, verinnerlichtes Geistesleben aus, das sie zu Führern, Lehrern und Helfern der geistig und sittlich schwächeren Erdseelen befähigt.

Warum diese Sternenseelen den entbehrungs- und leidensvollen Demutsweg des Erdenlebens durchmachen — zur hier allein möglichen Erreichung der höchsten Vollendungsstufen der wahren Kinder Gottes — erfahren wir ebenfalls eingehend in den Neuoffenbarungsschriften.

Somit gibt es tatsächlich auf unserer Erde Menschen, die schon ein oder mehrere, ja oft schon viele Menschenleben auf anderen Gestirnen gehabt haben. Zu diesen "Wiedereingefleischten" aus den Sternen kommen dann noch solche von der Erde stammende Menschen, denen zu ihrer Fortbildung vergönnt ward, das bedeutungsvolle irdische Schul- und Probeleben zu wiederholen. Solch irdische "Repetenten" gibt es freilich nicht viele. Denn bei der einzigartigen Bedeutung unserer Erde ist es eine Regel im Seelenbildungsplane Gottes, dass diese Hochschule von einer (Erd- oder Sternen-)Seele grundsätzlich nur einmal durchlaufen werden darf — wie ja auch ein vernünftiger irdischer Vater seinen Sohn eine irdische Hochschule nicht mehr als einmal durchlaufen lässt.

Fälle wiederholter Einkörperung irdischer Menschen auf Erden

Menschen, die mit einer Erdseele oder einer Sternenseele auf unserem Planeten als Hochschule der Gotteskinder gelebt haben, gelangen also auf dieser Erde nur ausnahmsweise zu wiederholter Einfleischung.

Im "Großen Evangelium" erwähnt der Herr drei verschiedene Fälle dieser Art:

1.- In Band 5, 232, 8 ff., ist von einem hochmütigen, herrschsüchtigen König die Rede, der im höllischen Feuer seines jenseitigen inneren Geisteslebens ernüchtert wird und nach göttlichem Ratschluss zur weiteren Belehrung und Läuterung "in einem ganz anderen Weltteil auf dem gewöhnlichen Fleischeswege als Kind armer Eltern zur Welt kommt." Er weiß von seinem Vorzustande nichts und macht ein kärgliches Leben als Landarbeiter durch, in dem er Demut und Liebe lernt. Nach seinem abermaligen irdischen Tode kommt er jenseits wiederum zu arbeitsamen, guten Seelen und freut sich, allen zu dienen. Solche gute Richtung dieser Seele bewirkt die baldige Erweckung ihres göttlichen Geistes. — "Ist bei einer solchen Seele", erklärt der Herr weiter, "die volle Vereinigung mit ihrem Geiste erfolgt, dann kehrt bei ihr auch die volle Erinnerung an alle ihre Vorzustände zurück und sie lobt Gottes Weisheit, Macht und Liebe, die sie selbst aus den jammervollsten Zuständen zum wahren, ewigen Leben zu führen wusste." — Hier handelt es sich also um einen besonderen, freien Gnadenakt Gottes gegenüber einer besonders schwierig veranlagten, im Jenseits ernüchterten Seele.

2.- Im "Großen Evangelium" (Bd. 6, 61, 3) lesen wir ferner: "Ihr habt schon oft von einer Wanderung der Seelen gehört. Das ferne Morgenland glaubt noch heutzutage fest daran. Aber es ist solcher Glaube dort sehr verunreinigt, insofern sie (die Anhänger der Seelenwanderungslehre) die Menschenseelen wieder in ein Tierfleisch zurückkehren lassen. Dass sich eines Menschen Seele von dieser Welt aus dem Mineral-, Pflanzen- und Tierreich zusammensammelt und bis zur Menschenseele emporschwingt, wurde euch zum größten Teile gezeigt. Aber rückwärts wandert keine noch so unvollendete Menschenseele mehr, außer im geistigen Mittelreich der äußeren Erscheinlichkeit nach, zum Zwecke ihrer Demütigung und der daraus möglichen Besserung. Ist eine solche Reifung bis zu einem gewissen Grade erfolgt, über den es dann mangels höherer Befähigungen nicht weitergehen kann, so darf eine Seele, so sie es will, noch einmal ins Fleisch der Menschen dieser Erde treten, auf welchem Wege sie sich höhere Befähigungen aneignen und damit die Gotteskindschaft erreichen kann." — Danach kann also eine Wiedereinfleischung auf Erden auch in dem Fall stattfinden, dass eine Seele, im Jenseits ihren irdischen Irrweg erkennend, die Wiedereinzeugung auf Erden vom himmlischen Vater selber erbittet, um auf dieser Hauptschule der Gotteskinder das höchste Ziel des ewigen Lebens doch noch zu erreichen.

3.- Ein weiteres Beispiel der Wiedereinzeugung erwähnen die Neuoffenbarungsschriften (GEJ 01, 5, 8; "Haushaltung Gottes", Bd. 2, 61, 30) wie auch die Bibel in Johannes dem Täufer, in dessen Leib und Seele der große Urgeist Michael wohnte und der zuvor schon zweimal (als Sehel und als Elias) auf Erden gelebt hatte. In diesem Falle sehen wir einen Engelsgeist mit einer besonderen Sendung betraut. Was im Falle des Johannes (Michael) geschah, dürfte sich im großen Erlösungsplane Gottes zuweilen auch mit anderen Menschen ereignen — zumal in Zeiten starker geistiger Beeinflussung von oben, in welchen die im Widergöttlichen versunkene Menschheit durch Boten der himmlischen Liebe, Weisheit und Macht aus Nacht und Not erhoben und zu einem höheren Lichte geführt werden muss.

Zur Ursonne zurück

Im übrigen führt der Seelenvollendungsweg die Erdenmenschen schließlich alle von der stofflichen und geistigen Ebene unseres Planeten hinweg. Das Ziel und die grundsätzliche Richtung unseres ewigen Lebens liegt ja anderswo, nämlich dort in der Gnadensonne, in der das göttliche Urzentrum, der Vater in Jesus, wohnt und waltet.

So geben die Schriften der Neuoffenbarung ein herrliches Licht und eine großartige und beseligende Anschauung vom ferneren Wege ins ewige Leben, der uns allen nach dem irdischen Tode und nach der Läuterung in der geistigen Sphäre unserer Erde winkt. Die diesbezüglichen Aufschlüsse finden sich hauptsächlich in dem Lorberwerk "Die natürliche Sonne". Dort hören wir vom Vollendungsweg der auf unserer Sonne zur Reife gelangenden Menschen, dass dies auch der große Weg aller Erdenmenschen ist. Im dritten Kapitel heißt es über diesen Weg der Sonnengeister:

"Die schon in der Sonne vollendeten Geister, deren es sehr viele gibt, verbleiben nach ihrer Vollendung nicht in der Sonne, sondern steigen aufwärts zu einer höheren Zentralsonne, von der sie einstmals ausgegangen sind samt der Sonne. Allda werden sie erst in der Demut befestigt und steigen dann wieder höher bis zu einer noch tieferen Urzentralsonne, welche die frühere an Größe, Licht und Herrlichkeit ums Unaussprechliche übertrifft.

Kommen diese Geister aus der früheren Sonne noch so durchleuchtet und durchglüht in dieser zweiten Urzentralsonne an, so kommen sie sich da dennoch nicht anders vor, als wären sie nahe ganz dunkel und völlig lichtlos. Daher werden sie hier wieder von Stufe zu Stufe eingeführt und von den dort waltenden Geistern wieder also durchleuchtet, dass sie dadurch fähig werden, wieder zu einer noch höheren und nahe endlos größeren Zentralsonne aufzusteigen. Diese Sonne ist zugleich die letzte materielle Vorschule für den eigentlichen Himmel, welcher da ist die Urheimat aller vollkommenen Geister. Aber in dieser letzten und zugleich auch allergrößten Mittelsonne einer Hülsenglobe gibt es sehr viele Stufen, welche die Geister mit ätherischen Leibern angetan durchzumachen haben, bevor sie erst fähig werden, in die geistige Sonnenwelt, welche da heißt der Himmel, aufgenommen zu werden. Das ist sonach mit wenigen Worten angedeutet der Weg für die in der Sonne vollendeten Geister.

So da jemand aber fragen möchte: Warum denn ein so weitgedehnter Weg — da ist auch die Antwort schon bereit. Denn: solche Geister haben ja auch absteigend diesen Weg von der letztgenannten, innersten, allergrößten Zentralsonne ausgehend gemacht und haben auf jeder solchen Sonnenstufe noch mehr Materielles in sich aufgenommen. Aus eben dem Grunde müssen sie jetzt diesen Weg wieder zurückmachen, um auf ihm von Stufe zu Stufe das letzte materielle Atom abzulegen, bis sie dann erst fähig werden, vollkommen wieder in die wahrhafte, allerreinste, himmlische Sonnenwelt für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten überzugehen.

Aber Ich sehe schon wieder eine verborgene Frage in euch, und diese lautet: "Müssen denn auch die Geister der Planetarmenschen diesen zwar sehr lichten, aber dennoch sehr weiten Weg machen, bis sie in den eigentlichen Himmel gelangen? Diese Frage kann weder mit Ja noch mit Nein beantwortet werden, wenn man darüber sogleich eine allgemeine Antwort verlangen würde, sondern es kommt dabei auf drei Umstände an:

Kinder und solche Menschen, die nach dem Ableben auf der Erde noch eine weitere Reinigung nötig haben, müssen ohne weiteres diesen Weg machen. So auch zu allermeist solche große Männer der Welt, in denen sehr viel Eigendünkel und selbstsüchtiger Stolz steckt. Diese müssen ebenfalls diesen Weg machen und manchmal von dieser Erde angefangen noch viel umständlicher, indem sie zuvor noch in den verschiedenen andern Planeten eine läuternde Vorschule durchmachen müssen, bis sie erst in die Sonne gelangen." (Natürliche Sonne, 3, 10-14)

Das große Gnadenwunder

"Jene Menschen aber, welche auf dieser Erde in die reine Liebe zu Mir übergegangen waren und aus dieser Liebe heraus alles Weltliche und Materielle abgelegt hatten und nichts anderes wollten als nur allein Mich, haben sich dadurch den weiten Weg überaus stark abgekürzt. Denn diese sind wahrhaft Meine Kinder und wahrhaft Meine Brüder und Schwestern und kommen daher nach der freudigen Ablegung dieses materiellen Leibes sogleich vollends zu Mir — und zwar in den obersten, allerhöchsten Himmel, da Ich selbst wohne wesenhaft.

Seht, das ist sonach der Unterschied, der sich da ergibt mit den Geistern besonders dieses Erdplaneten nach der Ablegung des Leibes. Ähnliches, wenn schon bei weitem seltener, kann auch mit den Bewohnern des Planeten Jupiter wie auch etwas seltener mit den Einwohnern der Planeten Saturn, Uranus und eines dritten, noch unbekannten Planeten, der Fall sein. Jedoch von keinem dieser genannten Planeten kommen die Geister sogleich in den obersten Himmel, sondern nur in den ersten Weisheitshimmel." (Natürliche Sonne, 3, 16 und 17)

In Jesu Armen, an Gottes Herz

Diese Aufschlüsse in dem Lorberwerk "Die natürliche Sonne" eröffnen uns einen großartigen Ausblick auf die wahrhaft göttlich herrlichen, vom Vater der Liebe uns zugedachten Entwicklungsbahnen.

Wer möchte nicht die unermessliche Gnade nützen und sich Jesu Vaterbrust, diesen allerseligsten Vollendungsort, schon hier auf Erden zum Ziele setzen! Wir brauchen zur Erreichung ja nichts als das Erkennen der eigenen Nichtigkeit und der Herrlichkeit des Vaters, das Ablegen unseres Selbstischen und die reine Liebe zu Gott und allen Mitgeschöpfen. Wie das große Gleichnis vom verlorenen Sohn uns zeigt, kommt dann der Vater uns aus seinem Hause den halben Weg entgegen, zieht uns in seine Arme, an seine Brust. Es wird uns dann nie mehr nach einer Wiedereinfleischung in einer stofflichen Welt gelüsten. Darum ist wichtiger als alles Wissen und Streiten um die Lehre der Reinkarnation: die durch den großen Gottesboten Jakob Lorber uns übermittelte Kunde, wie wir besonders hier auf dieser not- und trübsalsreichen Erde den fast unermesslich großen Vollendungsweg auf die wunderbarste Weise abkürzen können.

So sprich denn, o Seele: "Ich will mich aufmachen zu Meinem Vater!"






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Kapitel 79
Verkehr zwischen Diesseits und Jenseits

Viele Gemüter bewegt die Frage: Gibt es eine Brücke des Verkehrs zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt? Kann sie uns Bewohnern der irdischen Ebene nützlich sein? Und ist es erlaubt, eine solche Verbindungsbrücke zu suchen und zu begehen? — Unter allen Völkern und zu allen Zeiten wurde von vielen Menschen ein solcher Verkehr mit der Geisterwelt anerkannt und betätigt. Auch heutzutage behaupten nicht nur die Okkultisten und Spiritisten, sondern überhaupt alle geistig Erfahrenen und Kundigen ein "Hereinragen" der geistigen Welt ins Diesseits.

Was bekunden über diese große und wichtige Frage die Schriften der Neuoffenbarung?

Der Schleier des Geheimnisses — und sein Grund

Durch Jakob Lorber erfahren wir vor allem, dass und warum der Schöpfer für den Menschen auf der irdischen Ebene einen Schleier des Geheimnisses über die Verhältnisse der geistigen Welt und ihre Beziehung zum Diesseits gelegt hat. Mehrfach wurde darauf schon in den früheren Kapiteln dieses Buches hingewiesen. Und so genügt es, hier nur zusammenfassend zu betonen, dass dem naturmäßigen, noch unvollendeten Menschen nicht nur die geistige Welt, sondern auch sein eigenes geistig-seelisches Werden und Wesen, nicht zuletzt auch das Wesen und Walten seines Schöpfers weislich darum verhüllt ist, damit er im Bedürfnis nach immer vollkommenerem Erkenntnislichte durch eifriges Forschen selbsttätig und schließlich völlig selbständig werde im gottähnlich freien und guten Denken, Wollen und Handeln, und dadurch sich die höchste Wonne eines wahrhaft göttlichen Lebens erringe. Alle diese Möglichkeiten der höheren Lebensvollendung wären nicht denkbar ohne die von den alten Ägyptern im "Schleier der Isis" versinnbildlichte Verhüllung.

Durch den großen Seher der Neuzeit erfahren wir aber dann auch weiter, dass dieser Schleier für jedes an Gottes Hand fortschreitende Menschenkind mehr und mehr gelüftet wird, je williger und demütiger ein Mensch forscht und auf Gottes Stimme lauscht, und je williger er in der ihm offenbarten Ordnung Gottes zu handeln beginnt. Der von aller Selbstsucht geläuterten Seele öffnet sich schließlich durch die innige Verschmelzung mit dem ihr eingepflanzten Reingeiste die ganze Schöpfung. Solch ein Wiedergeborener kann zuletzt alle Welten und Sphären erschauen samt allen ihren stofflichen und geistigen Bewohnern, kann sich diesen Bewohnern auch selber erkennbar machen und mit ihnen nach Belieben verkehren. Ja es ist nun geradezu die wonnevolle Bestimmung dieser Seligen und Vollendeten, mit den Bewohnern der geistigen Sphären wie auch der stofflichen Welten in innige Verbindung zu treten und — so wie sie selbst einst von ihren voranschreitenden Schutzmächten geleitet wurden — nun auch ihrerseits die noch unentwickelt in der Materie schlummernden Brüder und Schwestern zu erwecken und auf die Wege des Lichts und des ewigen Lebens zu führen.

Verkehr mit den Seligen und Vollendeten

Auch heute noch wie in alten Zeiten werden auf allen Weltkörpern, auf allen Zonen der Erde und unter allen Völkern die Menschen ständig belehrt, unterwiesen, geführt und geistig gereift von fortgeschritteneren höheren Geistern.

Der Herr spricht im "Großen Evangelium" zu den drei Weisen aus dem Morgenlande, welche dereinst zu Bethlehem "das in einem Schafstall geborene Wunderkind" besucht hatten und, von ihren Schutzmächten geleitet, später wiederkamen, um dem aus dem Kinde erwachsenen "Wunderkönig" ihre Achtung zu bezeugen.

"Alle von Natur aus besseren Menschen werden von Geistern auf eine mehr oder weniger fühlbare Weise unterwiesen in allerlei geistiger und natürlicher Wissenschaft … Und je naturgemäßer, einfacher und in sich gekehrter die Menschen in der Welt leben, desto lebhafter stehen sie auch mit den besseren und guten Geistern des Jenseits in Verbindung. — Das war denn auch bei euch und mit euch der Fall. Als ihr aber dann durch eure vielen Reisen weltläufiger geworden seid, da haben euch auch eure Lehr- und Lichtgeister verlassen und euch euren eigenen Erkenntnissen, eurer Vernunft, eurem Verstand und eurem freien Willen anheimgegeben. Aber dennoch weckten sie die Begierde in euch, dass ihr Mich suchen und nun auch finden musstet, und das war von den drei Geistern ganz wohl gesorgt für euch und eure Kinder und Völker." (GEJ 06, 40, 4-6)

Wesen und Amt der Schutzgeister und Schutzengel

Die geheime Leitung der Menschen im Erdenkleide obliegt im besonderen den sogenannten Schutzgeistern und Schutzengeln.

In "Erde und Mond", 50, werden die unsichtbaren geistigen Vorgänge bei der Entstehung des Menschen, die Zusammenstellung, Einzeugung und Ordnung der Seele geschildert als ein Werk weiser und liebevoller Reingeister. "Diese Geister", heißt es dann weiter, "sind das, was ihr Schutzgeister nennt. Es sind Geister, Engel und große Engel, die alle da (bei der Entstehung eines Menschen) Einfluss nehmen. Und da gibt es keinen Menschen, der nicht wenigstens drei Schutzgeister, zwei Engel und einen großen Engel hätte, über denen noch ein Siebenter wacht, den ihr wohl schon kennt! Diese Schutzgeister und Engel sind vom Augenblick der Zeugung fortan um die eingezeugte Seele und sorgen unablässig für deren ordnungsmäßige Ausbildung."

Das Schutzgeisteramt ist eine der ersten bedeutenderen Aufgaben, die einer in den Paradiesen (siehe Kap. 75) gereiften, zur geistigen Wiedergeburt fortgeschrittenen Seele anvertraut wird. Dem natürlichen Zuge des Herzens entsprechend, handelt es sich dabei meist um die Überwachung und Führung einstiger irdischer Blutsverwandter, so der hinterlassenen Kinder, Gatten, Eltern oder anderer, durch Liebe und Freundschaft dem Schutzgeist besonders am Herzen liegender Menschen. So wurde z.B. auf Erden Abel nach seiner Ermordung durch Kain der erste Schutzgeist seiner hinterbliebenen Eltern und Geschwister.

Das Schutzgeisteramt gehört freilich nicht zum angenehmsten, ja es erfordert viel Demut, Liebe, Weisheit und Geduld. Denn nach dem großen Grundsatz der Willensfreiheit dürfen die belehrenden und leitenden Einwirkungen der Schutzmächte zur Wahrung der Selbständigkeit des Zöglings nur ganz zwanglos und unbemerkt erfolgen. Und es ist für die Schutzgeister meist recht betrübend und schmerzvoll, ohne Vollmacht zu energischerem Durchgreifen mitansehen zu müssen, wie wenig die Schützlinge auf ihre wohlgemeinten Ratschläge hören und viel lieber den argen Verlockungen der Finsternis und ihres eigenen schwachen Fleisches zu ihrem großen Schaden folgen.

Die rechte Ausübung des Schutzamtes muss daher wohl gelernt sein, und in dem Werk "Die geistige Sonne" erfahren wir, wie sorgfältig die für das Schutzamt berufenen Geister in den geistigen Sphären der Sonne für diese dornenvolle Aufgabe geschult werden.

Erst Schüler — dann "Haushofmeister"

In dem Buche "Die geistige Sonne" ist zunächst davon die Rede, nach welchen Grundsätzen von den angehenden Schutzgeistern die neuankommenden Seelen im Jenseits zu führen sind. Keiner Seele darf irgend Gewalt angetan werden. Ihr freier Wille, gepaart mit ihrer Erkenntnis, bestimmt den Weg — und die Liebe der Seele bestimmt die Art und Weise, wie sie auf demselben zu leiten ist. Erst wenn die Seelen an dem ihrer Liebe zusagenden Ort "bösartig auftreten", ist es an der Zeit, nach der Art ihrer Bosheit strafend gegen sie einzuschreiten.

"Nun sehet", heißt es weiter, "in alledem werden unsere Schüler (in den geistigen Sphären der Sonne) auf das genaueste praktisch unterrichtet. Haben sie nun darin eine Fertigkeit erlangt, bekommen sie die Weihe der Vollendung und werden dann auf eine bestimmte Zeitlang den lebenden Menschen auf der Erde zu Schutzgeistern beigegeben, und das zumeist aus dem Grunde, um sich bei dieser Gelegenheit in der wahren Geduld des Herrn zu üben. Denn ihr glaubt es kaum, wie schwer es einem solchen himmlisch gebildeten Geiste ankommt, mit den halsstarrigen Menschen dieser Erde im höchsten Grade nachgebend so umzugehen, dass diese nie merken, dass sie von einem solchen Schutzgeist auf allen Wegen begleitet und nach ihrer Liebe geleitet werden.

Fürwahr, es ist keine Kleinigkeit, wenn man mit aller Macht und Kraft ausgerüstet ist und darf als Anfänger nicht Feuer vom Himmel rufen, sondern muss da im Bewusstsein seiner Macht und Kraft fortwährend nur Zuschauer sein, wie der anvertraute Mensch sich in allerlei Argem der Welt begründet und den Herrn stets mehr zu vergessen anfängt. Ihr ganzes Einwirken darf nur in einem leisesten Gewissenseinflüstern bestehen, oder höchstens bei außerordentlichen Gelegenheiten in der Verhütung gewisser Unglücksfälle, die auf die Sterblichen der Erde von der Hölle angelegt sind. In allem übrigen dürfen sie nicht einwirken!

Nun aber stellet euch das nicht selten bittere Los eines sogenannten Hauslehrers oder Hofmeisters vor, wenn er so recht rohe und ungezogene Kinder zur Erziehung bekommt. Ist da nicht schon ein Holzhauerstand besser? Ganz sicher, denn das Holz lässt sich fällen und spalten, aber das ungehobelte Kind spottet des Willens seines Meisters. Doch dieser Zustand ist kaum ein leiser Schatten gegen den eines Schutzgeistes, dessen Schutzbefohlener entweder ein Geizhals, Dieb, Räuber, Mörder, Spieler oder ein Hurer und Ehebrecher ist. Alle solche Gräueltaten muss der Schutzgeist stets passiv ansehen und darf mit all seiner Kraft nicht im geringsten entgegenwirken. Und wenn bei manchen Gelegenheiten ein Vorgriff schon gestattet ist, so muss er dennoch so klug angelegt werden, dass der Schützling dadurch in der Freiheitssphäre seines Willens nicht im geringsten, sondern höchstens nur in der tatsächlichen Ausführung behindert wird. — Sehet, das ist sonach die praktische Aufgabe, in dem sich unsere geweihten Schüler in der Nächstenliebe und vorzüglich in der Geduld des Herrn üben müssen."

Verkehr mit Naturgeistern

Als Lehrer und Helfer der Menschen können nächst den paradiesisch-himmlischen Schutzgeistern und Schutzengeln auch die bereits zu einer gewissen Entwicklungsstufe gereiften Naturgeister oder Naturseelen auftreten.

Über diese im Aufstieg durch das Mineral- Pflanzen- und Tierreich sich bildenden Wesen wurde schon im ersten Bande dieses Werkes (Kap. 15) Näheres gesagt. Die höheren, zur Einzeugung ins Menschenleben gereiften Wesen dieser Art stellen schon recht intelligente, mit Pflanzen- und Tierseelenfunken reich veranlagte Geistgeschöpfe dar. Sie führen, von der pflanzlichen und tierischen Leibeshülle gelöst und im Luftraum oder in Gewässern, Bergen, Wäldern oder in der Erdtiefe sich aufhaltend, als Luft-, Wasser-, Berg- und Erdgeister oft lange Jahre und Jahrzehnte ein freies, ungebundenes Leben, bis sie sich endlich zur Einzeugung in das beschwerliche Menschenfleisch entschließen, um auf diesem allein möglichen Wege die Seligkeit der Gotteskindschaft zu erlangen.

Von diesen der stofflich gesinnten Menschheit von heute nur noch aus Erzählungen und Volksmärchen früherer Zeiten bekannten Wesen, lesen wir in "Erde und Mond":

"Diese Art Geister hat schon eine vollkommene Intelligenz. Sie sind in den Dingen der Natur äußerst bewandert und können alles sehen und hören, was auf der Erde geschieht und was da geredet wird.

Diese Geister können sogar mit Menschen umgehen und ihnen manchmal entscheidende Dienste leisten, nur muss sich ein jeder hüten, ihnen in was immer zu nahe zu treten; denn da werden sie leicht erbittert und können jenem, der sie erbittert hatte, einen bedeutenden Schaden zufügen, und das darum, weil sie, obschon Bewohner der Materie, dennoch Todfeinde derselben sind.

Gegenden, in denen sie vorzugsweise wohnen, müssen abgelegen und ruhig sein. In einer solchen Gegend ist es auch niemandem zu raten, laut zu schreien, zu pfeifen, noch weniger zu fluchen und zu schelten, weil dadurch die noch in der Materie gefangenen Geister angeregt und rebellisch werden könnten, was dann den schon freier gewordenen in ihrer Entwicklung Schaden bringen kann.

Um das zu verhüten, suchen sie (die freieren Naturgeister) die Wanderer in solchen Gegenden durch allerlei Erscheinlichkeiten zu schrecken, damit diese so schnell wie möglich eine solche Gegend räumen. Besonders heikel sind sie in den Bergen und namentlich in den Stollen und Schächten, wo sie schon oft für die dort Arbeitenden die größten Unglücksfälle bewirkt haben. So hier und da ein plötzliches Zusammensinken der Schächte und Stollen, böse Luft in denselben, oft unvermutete Überschwemmungen, Verschwinden der Metalladern und dergleichen böse Überraschungen mehr. Das sind Werke solcher Geister, wie auf hohen Bergen auch Erdabstürze und große Schneelawinen zumeist von diesen Unholden bewerkstelligt werden.

Wenn diese Geister manchmal in irgend etwas den Menschen wohlwollen oder ihnen wenigstens nichts Arges anzutun im Sinne haben, erscheinen sie gewöhnlich in einer Zwerggestalt, und zwar entweder in ganz dunkler, grauer, blauer oder grüner Farbe. Die kleine Gestalt zeigt an, dass sie sich zu den Menschen herabwürdigen, um ihnen Gutes zu tun, weil sie den gebannten Geist im Menschen bemitleiden. Wenn aber ein Mensch sich gegen solche Geister ungebührlich benimmt, so wachsen sie nicht selten zu einer ungeheuren Riesengröße an, in welcher Gestalt es dann nicht mehr gut ist, in ihrer Nähe zu verweilen, ohne Anrufung Meines Namens schon gar nicht." ("Erde und Mond", 34)

Das zweite und dritte Gesicht und Gehör

Manchen Menschen ist es gegeben, die Seelen verstorbener Menschen (Menschengeister) wie auch die Naturseelen (Naturgeister) zu schauen — nicht mit dem fleischlichen Auge, sondern mit der geistigen Sehe. Diese Fähigkeit nennt man das zweite Gesicht.

Woher kommt diese Bezeichnung? — Der Mensch ist bekanntlich eine Dreieinheit, bestehend aus drei gleichsam ineinander steckenden Wesenheiten: Leib, Seele und Geist. Dementsprechend hat er auch dreierlei Erkenntnisvermögen.

Im allgemeinen erkennt unsere Seele nur, was ihr als eine Wirkung der stofflichen Welt durch die fleischlichen Organe ihres Leibes vermittelt wird. Es ist dies also alles, was in der sichtbaren Welt in stofflichen Formen um uns her vorgeht. Dieses leiblich bedingte und auf das Stoffliche gerichtete Erkenntnisvermögen ist das "leibliche Gesicht", man kann es auch das allgemeine oder erste Gesicht nennen.

Nun kann aber unsere Seele mit Hilfe und durch Vermittlung des in ihr wohnenden reinen Geistes oder ihrer Schutzgeister oder anderer Reingeister auch das Ätherisch-Stoffliche anderer Wesen erkennen, und zwar sowohl innerhalb wie außerhalb seiner stofflichen Leibeshülle. Die Seele vermag also in solchem Falle z.B. die Seele einer Pflanze, eines Tieres oder eines Menschen zu erschauen, solange diese noch als Lebensträger in der stofflichen Leibesform steckt, wie auch dann, wenn die Seele, sei es auf Dauer, sei es nur zeitweilig, die Leibeshülle verlassen hat und als ein reines Ätherwesen sich im Luftraume aufhält. — Diese in reingeistiger Hilfe begründete, also geistig bedingte Wahrnehmung ätherischer Seelengestalten heißt die "geistige Sehe" oder das "zweite Gesicht". Hier schaut die Seele nicht (oder nur scheinbar) mit den fleischlichen Augen, sondern mit dem Auge des Geistes, und zwar dem Empfinden des Schauenden nach vielfach von der Herzgrube aus. Und es ist manchen Menschen, besonders auch bei unverbildeten, urwüchsigen Naturvölkern gegeben, auf diese Weise auch die Seelen verstorbener Menschen zu schauen und zu vernehmen.

Endlich gibt es aber noch ein drittes Wahrnehmungsvermögen der Seele, welches darin besteht, dass manche Menschen durch die Hilfe und Vermittlung ihres innewohnenden Reingeistes auch die rein geistige Welt erkennen, d.h. also sowohl die als innerstes Lebenszentrum in den Lebewesen der stofflichen Ebene wohnenden Reingeister und Reingeistfunken, wie auch die freien, das heißt nicht stofflich eingezeugten reinen Geister und Engel. — Dieses höchsten, dritten Gesichtes können auf die Dauer jedoch nur die vollgeläuterten, geistig wiedergeborenen Menschen teilhaftig werden, deren Seele mit ihrem Reingeiste völlig eins geworden ist. Diesen Seelen erwächst eben durch diese Einswerdung ein neues, allumfassendes Wahrnehmungsorgan in ihrem Geiste, durch das sie nun Verbindung bekommen mir dem ganzen stofflichen und geistigen Universum. Unreiferen Menschen dagegen kann diese dritte, reingeistige Sehe nur ausnahmsweise und auf kurze Zeit eröffnet werden.

Wie es aber mit dem Schauen steht, so verhält es sich auch mit dem Wahrnehmungsvermögen durchs Gehör. Auch hier gibt es drei Arten: ein leiblich-stoffliches für die Luftwellen des naturmäßigen Schalls; ein seelisches für die Kundgebungen der Seelen und ein rein geistiges für die Kundgebungen der Reingeister. Das letztgenannte, höchste Wahrnehmungsvermögen, das sich bis zur klarbewussten Erfassung der Kundgaben des himmlischen Vaters in Jesus erheben kann, nennt man das "innere, lebendige Wort"

Mediale Veranlagung

Das geistige Schauen und Hören kann freilich auch in gewissem Umfang auf eine rein erbliche oder auch eine krankhafte Veranlagung der Seele oder ihres "Nervengeistes" sich gründen. Der Nervengeist ist ein aus dem Blute und den feinsten Säften des Leibes sich bildendes, halb stoffliches, halb seelisch-ätherisches Fluidum, das gleichsam als Mittelglied (Ätherkörper) Leib und Seele verbindet und aus dem die Seele auch allezeit neue naturmäßige Kräfte schöpft. Durch Erbanlage oder aber auch durch krankhafte Verfeinerung kann dieser Nervengeist so empfindlich werden, dass er der Seele gleichsam als ein geist-leibliches Empfindungsorgan die Einflüsse und Eindrücke vermittelt, welche die umgebende geistige Welt auf den Menschen einströmt. Ein so veranlagter Mensch kann dadurch die Seelen und Geister in einem gewissen Umfang ebenso wahrnehmen, das heißt schauen, hören oder sonstwie empfinden wie ein auf geistigem Wege dazu innerlich entwickelter und gereifter Wiedergeborener. Man nennt das eine mediale oder zu deutsch mittlerische Veranlagung. Sie findet sich auf stammeserblicher Grundlage ziemlich häufig, sagt aber an sich noch nichts über die innere Geistesvollendung eines Menschen!

In "Erde und Mond" lesen wir über diese Ding: "Menschen mit dem sogenannten zweiten Gesicht sind noch nicht als Wiedergeborene zu betrachten nur wegen des zweiten Gesichtes, das eine Eigenschaft ihres Nervensystems ist, durch das die Seele leicht — mittels des Nervengeistes Anschauungen aus ihrem Seelenreich in den Leibesorganismus überträgt, weil eben dergleichen leicht erregbare Nerven in dieser Sache nicht hinderlich wirken. Starke Nerven können das freilich nicht, daher auch starknervige Menschen selten oder gar nie das sogenannte zweite Gesicht haben.

Das zweite Gesicht ist daher bei einem Menschen, der es besitzt, weder als etwas Gutes, noch als etwas Schlechtes zu betrachten, sondern es ist eine Art Krankheit des Leibes, zu der die Menschen meistens durch allerlei widrige Ereignisse im Verlaufe ihres irdischen Lebens gelangen. Große Traurigkeit, lange anhaltende Angst, große Schrecken und dergleichen mehr sind gewöhnlich die Ursachen davon, manchmal aber auch künstliche Mittel wie: Magnetismus, Berauschung und dann und wann Betäubung durch narkotische Kräuter. Kurz und gut: dergleichen Zeichen sind durchaus nicht als Zeichen der Wiedergeburt zu betrachten, was schon aus dem zu entnehmen ist, dass viele solcher Visionäre ihre geschauten Bilder wohl ungefähr so darstellen, wie sie ihnen zu Gesicht kamen, aber diese entbehren meist jeden sinnvollen Zusammenhang.

Der Grund aber liegt darin: Weil bei dergleichen Personen Geist und Seele noch nicht miteinander verbunden sind, liegt auch in ihren Anschauungen kein Grund und keine Verbindung anschaulich und wohlbegreiflich vor jedermanns Augen, während aus dem Munde eines Wiedergeborenen, wenn auch nur erst teilweise, jede Darstellung geistiger Dinge den rechten Grund und den vollsten Zusammenhang bekundet." ("Erde und Mond", 70, 5. 212 u. 213)

Zum sozusagen ordnungsmäßigen Besitz der geistigen Sehe gehört eine grundgesunde und starke Seele, deren Lebensfunken in einer "Aura" oder (nach Lorber) "Außenlebenssphäre" noch weit über den Umriss des fleischlichen Leibes strahlt und hinauswirkt. Dies erklärt der Herr im "Großen Evangelium" einigen für das Geistersehen sich interessierenden Priesterinnen der Minerva mit den Worten:

"Wer durch die Fülle seines inneren Lebens auch außer seinem Leibe eine Lebenssphäre überkommt, der kann die Seele verstorbener Menschen sehen und sich mit ihnen über die wichtigsten Lebensdinge besprechen, wann und wie oft er will. Aber dazu gehört freilich eine nahezu gänzliche innere Lebensvollendung." (GEJ 06, 111, 17)

Mäßigkeit und Einfachheit — eine Bedingung des geistigen Wahrnehmungsvermögens

Eine Hauptbedingung zur Erlangung der geistigen Sehe und des sonstigen inneren Wahrnehmungsvermögens ist nächst einem auf Gott und das ewige Leben gerichteten verinnerlichten und liebetätigen Wandels auch eine mäßige, einfache Lebenshaltung, die Leib und Seele rein und unbeschwert erhält.

"In den früheren Zeiten", heißt es in "Erde und Mond", "in denen die Menschen noch viel einfacher lebten als jetzt, gab es häufig solche, die das sogenannte doppelte Gesicht hatten und ganz naturgemäß in den beiden Welten lebten. Es könnten auch Menschen in der jetzigen Zeit leicht dahin gelangen, so ihre Kost einfacher wäre; aber zu allermeist schadet ihnen die gegenwärtig komplizierte Kost. Damit verderben und verdummen sie ihre Natur so, dass in selber die Seele wie ein Vogel unter den Leimspindeln sich verwickelt und unmöglich zu jener Regsamkeit und Gewandtheit gelangen kann, in der ihr ein freier Auf- und Ausflug möglich wäre.

Worin bestand denn nun die Kost jener früheren, einfachen Menschen? Sie bestand zumeist in Hülsenfrüchten, die ganz einfach, weich gekocht, etwas gesalzen und dann nie in heißem Zustand genossen wurden. So war auch einfaches Brot, Milch und Honig ebenfalls eine uralte, einfache Kost, bei der die Menschen zumeist ein sehr hohes Alter erreichten und fortwährend bis zum letzten Augenblick ihres Lebens im Besitze des zweiten Gesichtes waren.

Wohl kann jedermann dann und wann mäßig den Wein genießen, jedoch nie so viel, dass er sich berauscht fühlen würde.

Fleischspeisen sollten nur zu gewissen Zeiten und da nie länger als sieben Tage nacheinander, sehr mäßig und allezeit von frisch geschlachteten Tieren genossen werden. Und da ist das Fleisch der Fische besser als das Fleisch der Tauben, das Fleisch der Tauben besser als das der Hühner, das Fleisch der Hühner besser als das Lämmerfleisch, dieses besser als das Ziegenfleisch, und dieses besser als das Kälber- und Rindfleisch — wie unter den Brotarten das Weizenbrot das bekömmlichste ist. Jedoch soll von den angezeigten Speisen nie mehr als eine mit etwas Brot gegessen werden, so wie auch das Obst allezeit nur mäßig und von bester Reife genossen werden sollte, desgleichen auch einige Wurzelfrüchte — aber nur eine auf einmal.

Bei solcher Kost würde der Leib nie zu jener Wülstigkeit gelangen, in welcher er träg, schläfrig und schwerfällig wird, dass dann die Seele vorwiegend damit zu tun hat, solch eine Maschine in Bewegung zu erhalten, geschweige, dass sie sich neben solch einer Arbeit noch mit etwas anderem beschäftigen könnte.

Seht, so einfach lebende Menschen gab es in der früheren Zeit viele, und besonders einfach lebten jene Menschen, die sich an Bergen ihre Wohnstätten aufgerichtet hatten. Diese Menschen hatten dann auch beständig das zweite Gesicht, bei Tag und Nacht einen ganz natürlichen Umgang mit den Geistern und ließen sich von ihnen in den mannigfachsten Sachen belehren. Die Geister zeigten ihnen die Wirkungen der Kräuter und zeigten ihnen auch an, wo hier und da ein oder das andere edle oder unedle Metall in den Bergen verborgen lag, lehrten sie auch das Metall aus den Bergen zu bekommen und durch Schmelzen und Schmieden zu allerlei nützlichen Dingen brauchbar zu machen.

Kurz, es war da selten ein Haus auf den Bergen, das nicht seine eigenen Hausgeister gehabt hätte, die wie ein anderes Hausgesinde ganz gewöhnlich zum Hause gehörten. Dadurch aber gab es denn auch eine Menge Weiser, namentlich auf den Bergen, die mit den geheimen Kräften der Natur, mit unseren Geistern in größter Vertrautheit lebten — diese Kräfte oder Geister standen ihnen sozusagen fast allezeit zu Gebote." (Erde und Mond, 35, 5. 100 u. 101)

Verkehr mit guten Geistern — einst und jetzt

Ein biederer Bootsmann sagt, dankbar darüber, dass er selbst aus höchster Quelle ein reines Lebenslicht empfangen durfte, im "Großen Evangelium" zum Herrn:

"O lieber Herr und Meister, warum wird es denn nicht zugelassen, dass die Seelen der Verstorbenen wenigstens zu ihren Verwandten — besonders dann, so diese in Gefahr stehen, von der Welt verschlungen zu werden — in sichtbarer Gestalt kämen und sie vor der Welt warnten und ihnen das Jenseits zeigten, wodurch doch der Glaube an das Fortleben der Seele nach dem Leibestod bei den Menschen ein wahrer und auf Selbsterfahrung begründeter verbliebe, und durch ihn dann auch leichter der Glaube an einen Gott? …"

Dem Fragenden erwidert der Herr: "Freund, was du in deiner Meinung wünschest, das ist bei jedem Volke, solange es nach dem allzeit geoffenbarten Willen Gottes lebte, immer der Fall gewesen! Aber als die Menschen sich nach und nach von den Gelüsten der Welt und ihres Fleisches zu sehr gefangennehmen ließen, da verfinsterte sich auch ihre geistige Sehe. Die Menschen fingen an, die Ermahnungen aus dem Jenseits zu verachten, zu fürchten und zu fliehen und verloren dann auch die Fähigkeit, im Wachzustand mit den im großen Jenseits fortlebenden und -wirkenden Seelen zu verkehren. Nur in einem hellen Traum wurden bessere Menschen von seligen Bewohnern des Jenseits besucht und belehrt, und das zum Teil für ihre eigene Person, zum Teil auch für andere Menschen, die sich irgend am Rande eines zu tiefen Verderbensabgrundes befanden und dadurch auch zumeist gerettet wurden.

Gehe du aber hin zu einem rechten Weltmenschen und sage ihm, dass dir dieser und jener Geist erschienen ist und zu dir dies und jenes gesprochen hat — meinst du wohl, der Weltmensch- wird dir das glauben? Oh, mitnichten — verlachen wird er dich und dich für einen Narren und dummen Schwärmer erklären!

Als auf dem Sinai dem Moses die Gesetze unter allen Zeichen Meiner vollen Gegenwart gegeben wurden, da tanzte das Volk im Tale um ein goldenes Kalb.

Warum achtete es denn Meiner nicht? Siehe, das bewirkte der Weltsinn! Nun bin Ich sichtbar handelnd selbst in dieser Welt — warum glaubt das Weltvolk denn nicht an Mich? Das bewirkt wieder sein Weltsinn. Und dieser böse Sinn treibt die Priester sogar an, dass sie Mich verfolgen, ja Mich wie einen der gemeinsten Verbrecher auch ergreifen und töten wollen!

Ist dem Zacharias nicht wie allen, die im Tempel waren, sicht- und vernehmbar ein Engel erschienen, als Zacharias eben im Tempel opferte und betete? Er ward darum erwürgt von den weltsüchtigen Pharisäern. Und so ging es gar vielen Weisen und Propheten, die dem Weltsinn der Menschen mit der lichtvollsten Wahrheit entgegentraten.

Was du in deiner Frage als lobenswerten Wunsch ausgedrückt hast, ist auch allzeit zugelassen worden. Und die einfachen, in ihren Sitten noch unverdorbenen Menschen der Urzeit sind in allen Dingen von den reinen Geistern belehrt worden, da sie im beständigen Verkehr mit ihnen standen. Die Geister zeigten den Menschen, die Metalle aus der Erde zu graben und aus ihnen mit Hilfe des Feuers, das zu erzeugen die Geister sie auch lehrten, allerlei nützliche Werkzeuge und Gerätschaften zu machen. Denn von wem anders hätten die den Kindern an Verständnis völlig gleichenden ersten Menschen alles das erlernen sollen als von jenen weisheitsvollen Wesen, denen alles klar ist aus dem Lichte Gottes in ihnen? …

Aber die Menschen wurden gewahr, dass sie weise und verständig geworden und wurden darum eitel, eingebildet und hochmütig und dadurch auch stets mehr weltsinnig und selbstsüchtig. Sie benötigten des Unterrichtes aus den Himmeln nicht mehr und fingen an, sich dessen sogar zu schämen. Sie errichteten selbst Schulen und bestellten sie mit allerlei Lehrern und Priestern, die mehr auf ihren Weltvorteil bedacht waren als auf den des Volkes …

Wenn das vor aller Welt Augen nun geschieht und der Weltmensch an nichts Reingeistiges mehr glaubt, ist es dann zu verwundern, dass die reinen Geister sich stets seltener bei den weltsinnigen Menschen einfinden? O Freund, die Zulassung ist noch immer die alte — nur die Menschen sind nicht jene alten, die mit den reinen Geistern der Himmel im steten Verkehr gestanden sind! Werden die Menschen nach Meiner Lehre wieder rein und geistig, so werden sie auch wieder in näheren Verband und Verkehr mit den Geistern oder Seelen abgeschiedener Menschen treten." (GEJ 09, 138, 1 ff.)

Okkultismus und Spiritismus

Das Forschen auf diesen geistigen Erkenntnisgebieten hat bekanntlich in den letzten Jahrzehnten unseres Zeitalters einen neuen Aufschwung genommen, und man gebraucht viel die Schlagworte Okkultismus und Spiritismus. Wie steht es mit diesen leidenschaftlich umstrittenen Erkenntniszweigen?

Unter "Okkultismus" versteht man die Lehre von den außergewöhnlichen, geheimen Erscheinungen und Kräften des menschlichen Seelenlebens. — Mit dem Worte "Spiritismus" bezeichnet man zweierlei: Zunächst die theoretische Erklärung verschiedener außergewöhnlicher Erscheinungen des menschlichen Seelenlebens durch das Wirken unkörperlicher Geistwesen; sodann im praktischen Sinne den geistigen Verkehr mit solchen Wesen.

Über die Bedeutung, Berechtigung und Zweckmäßigkeit dieser Lehren und ihrer Betätigung gehen die Ansichten freilich sehr auseinander. Viele Wissenschaftler anerkennen heute den Okkultismus als berechtigt und leugnen auch in manchen Fällen nicht mehr die spiritistische Erklärungsweise; ja zahlreiche Gelehrte machen selber Versuche mit dem praktischen Spiritismus, um sich von dessen Ergebnissen zu überzeugen. Andere Gelehrte und Ungelehrte wiederum, die im materialistischen Geleise oder im kirchlichen Fahrwasser segeln, verwerfen alles Okkultistische und Spiritistische mehr oder weniger und erheben drohende Warnungsstimmen vor diesem, wie sie sagen, trügerischen, gefährlichen Boden, auf welchem der Mensch das Opfer seiner Wahnideen werde.

Ein gewaltiger Kampf ist heute entbrannt mit erregtem Für und Wider von beiden Seiten. Jeder, der mit der Zeit schreitet, fühlt sich innerlich genötigt, Stellung zu nehmen. Denn der Kampf um den Okkultismus und Spiritismus ist eine der bezeichnendsten Erscheinungen in der großen geistigen Weltwende, in der wir heute stehen. Es zeigt sich darin ein Dämmern, ein Wachwerden, ein Taganbruch. Die Menschheit, die in der Nacht des materialistischen Unglaubens in einen Todesschlaf gesunken war, wird berührt von den mit neuer Macht wiederkehrenden Licht- und Liebesstrahlen der Gottheit. Sie erwacht und kann es noch nicht recht glauben, streitet noch und darf es dennoch mit Freuden empfinden, dass das mächtig drückende Gewölbe der Materie sich lichtet, dass sich alles vergeistigt, dass ein Geist aller Geister, ein Gott der Liebe im Lichte eines ewigen Tages darauf wartet, seine emporsteigenden Kinder zu beglücken!

Für den gläubigen Menschen, der weiß, dass Gott, der Allvater, ein Geist aller Geister ist und nach seinem Ebenbilde des Menschen ewige Seele geschaffen hat, kann es über die Wahrheit und Bedeutung des Okkultismus und Spiritismus wohl kaum einen Zweifel geben. Alle wirklichen Entdeckungen und Feststellungen dieser Wissenschaften sind Strahlen aus dem ewigen Wahrheits-Lichtquell — ausgesandt und zugelassen, um die gottesferne Menschheit mit einer gewissen sanften Gewalt aus ihrem Unglauben aufzurütteln. Es soll den verblendeten Gottesleugnern durch den Okkultismus geradezu wissenschaftlich bewiesen werden, dass es Erscheinungen im menschlichen Leben gibt (wie Hellsehen, Hellhören, Zukunftswissen, Stoffbildungen und Stoffauflösung), die einfach nicht mit den alten mechanischen Erklärungsweisen recht gedeutet werden können, sondern auf eine höhere, geistige Natur alles Seins und Lebens hinweisen. Und durch den Spiritismus sollen die Menschen erkennen, dass tatsächlich unkörperliche, von keiner grobstofflich sichtbaren Materie umhüllte Geistwesen bestehen, welche sich mit ihrem Denken, Wollen und Wirken uns mitteilen können, ja uns allezeit umgeben, wo immer wir gehen und stehen.

Was wird es doch für ein Fortschritt sein, wenn die verirrte Menschheit durch dieses klare Beweismittel wenigstens so weit gebracht ist, dass sie nicht mehr an den plumpen Götzen Weltstoff (Materie), sondern an die geistige Grundnatur alles Seins und an eine lebendige Geisterwelt glaubt! Es wird dann nicht mehr so schwer sein, diese früheren Materialisten und Ungläubigen nach und nach auch zum Glauben an das Dasein und Walten eines erhabenen, allumfassenden Ur- und Allgeistes, an einen Schöpfer und Vater aller Wesen zu bringen. Denn wo eine Welt von Geistern anerkannt wird, da muss man bei einigem tieferem Denken auch bald einen geistigen Ursprung, einen Schöpfer, Ordner und Erhalter dieses Reiches erkennen.

Wir schätzen also im Okkultismus und Spiritismus eine dem ungläubigen, noch in materialistischen Vorstellungen befangenen Menschen errichtete erste Stufe zur Erkenntnis der geistigen Welt und eines ewigen Lebens in Gott. Es gibt denn auch unzählige Beispiele von solchen, die eben auf dieser Stufe aus dem Grabe des Unglaubens und der Gleichgültigkeit emporsteigen durften bis zum herrlichsten Licht — zum Vater in Jesus! Erschütternd sind oft die Zeugnisse der Hochbeglückten, die auf diese Weise erweckt und errettet wurden. Wer in dieser Beziehung an sich selbst oder an anderen nur einige Erfahrungen machen durfte, wird gewiss niemals einstimmen in die schroffe Bekämpfung des Okkultismus und Spiritismus, sondern mit Dank auf diese Lehren und ihre Vorkämpfer blicken. Sagt doch auch Paulus z.B. über das Zungenreden und Weissagen (zweifellos okkultistisch-spiritistische Erscheinungen!) im 1. Brief an die Korinther (14, 22):

"Darum dienen die Zungen zum Zeichen nicht den Gläubigen, sondern den Ungläubigen; die Weissagungen aber nicht den Ungläubigen, sondern den Gläubigen."

Der praktische Spiritismus,

das heißt der betätigte Verkehr mit den Seelen abgeschiedener Menschen, unterliegt freilich einem sehr gewichtigen Aber, da er auch seine großen Schattenseiten und Gefahren hat.

Ganz zu verwerfen ist der niedere, zur Unterhaltung oder aus gewinnsüchtigen Erwerbszwecken oder sonstigen unlauteren Gründen geübte Spiritismus. Dieses Treiben lockt nur die unreifen Geister des sogenannten Mittelreichs oder gar die ausgesprochen bösartigen, höllischen Geister herbei und hat die schädlichsten Wirkungen nach zwei Seiten.

Erstlich ist dieser Spiritismus von Schaden für die unreifen, jenseitigen Geister selbst, die in ihrem jenseitigen Dasein sich unter der Leitung höherer Geister zu lichteren Erkenntnissen und göttlich reinem Streben entwickeln sollen. Diese werden ihrer dortigen Schulung entfremdet durch die Zurückrufung und Rückkehr zu den diesirdischen Menschen und Verhältnissen. Der Verkehr mit der Menschenwelt verleitet sie in ihrem unreifen Zustande nur zu Torheiten; ja die Bösartigen unter diesen unvollendeten Geistern benützen die Gelegenheit mit Vorliebe, Schaden zu stiften und Böses zu tun.

So hat denn der niedere Spiritismus auch für die ihn ausübenden Menschen große Gefahren, indem sich diese Spiritisten nur gar zu leicht den verwirrenden Einflüssen unreifer und böser Geistwesen aussetzen. Es gibt Menschen, ja ganze Personenkreise, die auf diesem Weg von jenseitigen Geistern beeinflusst, ja geradezu geknechtet werden. Nur zu oft muss man hören, wie auf diesem Wege namenloses Unglück angerichtet wird. Die jenseitigen Geister verstehen es nur zu gut, mit allerlei frommen, tugendsamen Redensarten oder allerlei Weissagungen und Versprechungen materieller und geistiger Art die Menschen in ihren Bann zu ziehen und, ohne dass sie es merken, vollständig zu beherrschen. Ja, nicht selten erfolgt von seiten besonders gewalttätiger Geister eine völlige Besitzergreifung mit all jenen schreckerregenden Erscheinungen der Besessenheit.

Nicht ohne Gefahr ist aber auch der sogenannte höhere Spiritismus, der meist auf religiöser Grundlage Gutes erstrebt, indem er durch die Geister Belehrung über die Zustände des Jenseits und die geistigen Entwicklungsziele des Menschen sucht oder auch seinerseits die Belehrung unreiner jenseitiger Geister durch Predigt und Gebet verfolgt. Wenn auch bei solchem Geisterverkehr unter erfahrener Leitung manches Fördernde für diesen und jenen Personenkreis zutage gebracht werden kann, so ist doch auch bei diesem Verkehr für einen weniger geübten Spiritisten immer leicht eine Täuschung möglich, die dann in einem solchen Falle durch ihr Lichtgewand um so größere Gefahren in sich bergen kann. Wird doch nicht selten auch ein erfahrener Menschenkenner in besonders verwickelten Fällen unter diesseitigen Menschen getauscht: wie viel mehr ist dies im Verkehr mit unsichtbaren Wesen zu fürchten, wenn man bedenkt, dass hierbei auch noch allerlei andere geistige Einflüsse aus den Seelen der Medien und anderer Beteiligter im Spiele sind.

Groß und schwer ist darum die Verantwortung auch bei dem höheren spiritistischen Verkehr. Wir dürfen wohl sagen, Gott will auch diesen höheren, durch Medien oder Schreibapparate vermittelten Verkehr als eine gewohnheitsmäßige Betätigung der Laienwelt nicht — es sei denn unter wirklich erfahrener, nüchterner Leitung zu vollernsten Erkenntniszwecken. In den Neuoffenbarungsbüchern vernehmen wir z.B. aus dem Munde des Herrn die Mahnung an neugierige Frauen: "Darum verlanget in der Folge ja nicht mehr irgendeinen Geist zu eurer Belehrung, sondern lebet nach Meiner Lehre, dass ihr dadurch fähig werdet, mit Meinem Geiste in vollen Lebensverband zu treten, dann werdet ihr solcher Geister Belehrung leicht entbehren können!" (GEJ 06, 125)

Wohl ist uns gesagt, dass früher die einfach und natürlich lebenden Menschen vielfach hellsehend und hellfühlend waren und mit ihren Schutzgeistern und anderen höheren Geistern in ständigem inneren Verkehr standen und dass auch den heutigen Menschen in solcher Weise die Erkenntnisse höherer Welten offen stehe. Aber das ist natürlich eine andere Art des Verkehrs mit der höheren Geisterwelt — nicht durch Medien und Schreibapparate, sondern durch das eigene Herz, den eigenen, göttlichen Geist in uns, der unsere Seele verbindet mit dem göttlichen Allgeist und dadurch mit allen Geistern der Unendlichkeit, insbesondere auch mit unseren Schutzgeistern und Schutzengeln. Auf welchem Wege wir diesen ordnungsmäßigen Geisterverkehr erreichen, ist uns oben schon angedeutet in den Worten des Herrn: "Lebet nach Meiner Lehre!" — Und wie heißt diese Lehre?

Suche und erkenne Gott gläubigen Herzens, liebe Ihn über alles und deinen Nächsten wie dich selbst, und handle tatkräftig nach dieser Erkenntnis! — Dies führt den Menschen nach und nach auch zu jener einfachen Lebensweise der früheren hellsehenden Menschen, reinigt uns von aller Trübung der Materie und führt uns mit größter Sicherheit und ohne alle Gefahren auf den Weg der Wiedergeburt und zu dem göttlichen Ziel, das unserem Leben vom Vater des Lichts gesteckt ist.

Im praktischen Spiritismus sehen wir also zwar eine Vorstufe der Erkenntnis für Ungläubige, vom Stoffwahn (Materialismus) gebundene Menschen. Aber im Hinblick auf seine Schattenseiten und Gefahren sollte niemand sich davon dauernd fesseln lassen. Wir mögen ihn zur Aufklärung kennenlernen; aber wir dürfen nicht dabei stehenbleiben, sondern müssen weiterschreiten zur inneren Herzensgemeinschaft mit den reinen, seligen Geistern, ja zur Gottesgemeinschaft — durch Glauben und Liebe!

Vom Beten für Verstorbene

Eine Art Verkehr mit der Geisterwelt ist auch das Beten für teure Abgeschiedene oder andere Seelen im Jenseits. Manche Menschen üben es mit Inbrunst, Treue und Segen. Andere dagegen scheuen sich davor, halten es für Sünde oder erachten es für wertlos. Wo liegt die Wahrheit?

Ein großer, im ganzen Lebensreiche des himmlischen Vaters geltender Grundsatz, der auch vom Herrn selbst öfter ausgesprochen wird, lautet: "Was die reine Liebe tut, ist alles gut!" Und dieser Satz gilt auch in dieser Frage. Eine aus reinem, demütigem Herzen kommende Fürbitte erbarmender Liebe kann niemals Sünde sein, sondern hat — eben um der selbstlosen Liebe willen — allezeit die Gewähr, beim Vaterherzen Gottes Gehör und durch seine Güte und Macht Erfolg und Segen zu finden.

Freilich sollen wir nicht verneinen, durch unsere Bitte Gottes Liebe und Barmherzigkeit gleichsam erst wecken zu müssen. Ist doch diese Liebe und Barmherzigkeit endlos größer und machtvoller als die unserige. Und unsere Einsicht in das wunderbare Walten Gottes im Diesseits wie im Jenseits muss uns das volle Vertrauen geben, dass auch ohne unser Zutun für jede einzelne Seele drüben in der geistigen Welt von den Engeln Gottes alles getan wird, um auch die ärmste und schwierigste Seele (z.B. auch Selbstmörder) noch zum Ziel der Vollendung und Seligkeit zu reifen.

Beim rechten Beten für Verstorbene handelt es sich also weniger um eine Fürbitte bei Gott um dessen Gnade und Erbarmung, die ja endlos ist; vielmehr sagt der Herr im "Großen Evangelium":

"Es ist gut, für arme Seelen zu beten. Denn das Gebet einer mit wahrer Liebe und Erbarmung erfüllten Seele im vollen Liebevertrauen auf Mich hat eine gute Wirkung auf solche wahrlich arme Seelen im Jenseits. Es bildet um sie einen gewissen Lebensätherstoff, in dem sie wie in einem Spiegel ihre Mängel und Gebrechen erkennen, sich bessern und dadurch leichter zum Lebenslichte emporkommen. Ich selbst biete euch diese Gelegenheit, damit ihr auch euren abgeschiedenen Brüdern und Schwestern wahrhaft nützlich werden könnet.

Aber wie sollt ihr für sie denn beten? Das geht ganz leicht! Ihr sollt bei euren Gebeten nicht etwa der Meinung sein, als möchtet ihr Mich dadurch zu einer größeren Erbarmung bewegen, da Ich wahrlich endlos barmherziger bin denn alle liebevollsten Menschen der ganzen Welt. Traget den armen Seelen gläubig und aus dem wahren Liebegrund eures Herzens — eben im Herzen — das Evangelium vor, und sie werden es vernehmen und sich auch danach richten. Auf diese Weise werdet ihr auch den wahrhaft Armen im Geiste das Evangelium predigen, das ihnen von großem Nutzen sein wird. — Alles andere Beten und Wortemachen aber nutzt keiner abgeschiedenen Seele auch nur im geringsten, sondern schadet ihr vielmehr, weil sie sich, so sie derlei inne wird, nur ärgert, weil dergleichen Gebete, wie das bei den Pharisäern sogar gesetzlich gang und gäbe ist, mit großen Opfern bezahlt werden müssen.

Die Art und Weise, wie Ich euch nun gezeigt habe, für die Verstorbenen zu beten und für ihre geistige Armut zu sorgen, ist sicher ein fruchtbarer Segen für sie. Dagegen ist ein hochbezahltes Gebet ihnen ein Fluch, den sie sehr fliehen. — Dieses möget ihr euch als einen guten Rat von Mir wohl merken und ihn wohl beachten. Dadurch werdet ihr euch wahre, große und sehr dankbare Freunde im Jenseits schaffen, die euch, so ihr in irgendeine Not geratet, nicht verlassen werden, weder dies- noch jenseits! Solche Freunde werden dann eure wahren Schutzgeister sein und sich allzeit um das Wohl ihrer Wohltäter kümmern.

Aber ihr könnet euch diese nur erwerben, wenn ihr für sie auf die von Mir angezeigte Weise besorgt seid. Das könnet ihr allzeit und überall so vielen abgeschiedenen Seelen tun, wie ihr euch nur immer vorstellen möget; denn euer Glaube, eure wahre Liebe und Erbarmung und die Wahrheit aus Mir reichen endlos weit hinaus." (GEJ 08, 38, 1-8)

Der Herr und Meister

gibt im "Großen Evangelium" diesen Lehren vom Verkehr zwischen Diesseits und Jenseits auch vom Gesichtspunkt der menschlichen Willensfreiheit aus noch eine bedeutsame Beleuchtung. Wir vernehmen aus seinem Munde:

"Das Leben der Seele kann dir weder ein Mensch und noch weniger ein schon abgeschiedener Geist zeigen und beweisen. Das musst du in dir selbst finden, und das ist nicht anders möglich als nur durch die wahre Liebe zu Gott und zum Nächsten.

Du meintest, die Rückkunft einer schon abgeschiedenen Seele würde den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und den Glauben an Gott am meisten stärken. Ich aber sage dir, dass du da in einer grundirrigen Meinung steckst! Fürs erste hat eine abgeschiedene Seele im Jenseits für sich und für ihre dortigen Nächsten zur Übergenüge zu tun und hat eben nicht zu viel Muße, zu öfteren Malen in einem aus der Luft der Erde sich anzuschaffenden Leibe den Fleischmenschen wieder zu erscheinen und sie zu belehren, wie es drüben steht und aussieht. Fürs zweite kann ein jeder vollkommene Geist ohnehin auf die Menschen ohne Beschränkung ihres freien Willens bestmöglich einwirken, und ein solch unsichtbares Einwirken ist dem Menschen um vieles heilsamer als die Sichtbarkeit und Hörbarkeit eines abgeschiedenen Geistes. Denn falls dir ein schon sehr erleuchteter Geist gute und edle Gedanken und Gefühle in dein Herz legt, so sind sie schon so gut, als hättest du selbst sie in dir erfunden. Sie einen sich mit deinem Leben und bestimmen dich zur Tätigkeit.

Wenn aber ein Geist, wie z.B. der des Moses, dir erschiene und zu dir sagte: "Dieses und jenes musst du tun, so du zum Leben eingehen willst; tust du das nicht, so verfällst du den Gericht des allmächtigen Gottes, und es wird schwerlich ein glückliches Erstehen vom Tode des Gerichtes geben!", — da wirst du nach solch einer Mahnung erbeben und wirst dich nichts anderes zu tun getrauen, als was dir der Geist Mosis befohlen hat. Welches Verdienst aber wirst du dabei haben? Siehe, gar keines; denn da hat nicht dein eigenes Erkennen deinen freien Willen zur besseren Tätigkeit bestimmt, sondern die Macht des zu dir gekommenen Geistes und das hat für deine Seele beinahe gar keinen Wert.

Die Menschen dieser Erde sind bestimmt, freie und völlig selbständige Kinder Gottes zu werden. So müssen sie auch geleitet werden, dass dabei ihr notwendig freiester Wille nicht die geringste Nötigung von einer mächtigeren Seite eines Geistes erfahre, sondern allein durch Offenbarung einer Lehre und durch äußere Gesetze dahin geleitet werde, aus sich selbst das Wahre und Gute mit ihrem freien Willen zu ergreifen und aus eigener Selbstbestimmung danach tätig zu werden …

Um aber das zu bewirken, muss der Mensch nahezu ohne Kraft diesweltlich in der größten Verlassenheit geboren werden und seinen Unterricht nach und nach von der äußeren Welt nehmen. Hat er sich so einige Kenntnisse und Fertigkeiten gesammelt, dann erst wirken die ihn umgebenden guten und auch schlechten Geister ganz unvermerkt auf ihn ein — die guten auf sein Gemüt und die schlechten auf seine physische Natur, auf dass die Seele stets in der vollkommensten Freischwebe erhalten werde.

Hat ein Mensch den guten äußeren Lehren und Ermahnungen freiwillig gegen manche Anfechtungen seiner Sinne Gehör gegeben und sein Leben danach eingerichtet, so wird der stille Einfluss der guten Geister stets mächtiger, den aber kein Mensch anders fühlen darf, als dass er sein freies Werk ist. Wird aber der Einfluss des Guten aus den Himmeln durch des Menschen eigenen Willen so gekräftigt, dass die Seele ganz darin eingegangen ist, wird jener göttliche Geist der Liebe in ihr wach. Er durchdringt die Seele ganz, und dann erst ist diese in die erste Stufe ihrer Vollendung getreten, ist dann schon unverwüstbar frei und kann, so sie auch noch im Fleische ist, Gesichte und Offenbarungen von Geistern und selbst von den höchsten Engeln empfangen.

Da geschieht es eben häufig, dass solche Menschen Gesichte haben, die Seelen im Jenseits sprechen und sich von ihnen persönlich belehren lassen und davon auch anderen naturmäßigen Menschen treue und wahre Kunde geben können. Wer ihnen glaubt, tut sicher wohl daran, nur muss er nicht gleich verlangen, solches selbst zu erfahren. Denn das kann nicht eher geschehen, als bis er die vorher beschriebene geistige Seelenreife erlangt hat.

Es soll sich ein jeder Mensch zuerst gläubig nach den empfangenen guten Lehren richten und dann acht haben auf sein Gemüt, aber auch auf die in seinem Fleische oft schlummernden bösen Leidenschaften, die sich in Trägheit, Wollust, Eigenliebe, Starrsinn, Hochmut, Neid, Geiz und Herrschsucht nur zu klar kundgeben. Diesen letzteren soll er durch die Macht der Liebe zu Gott und zum Nächsten, durch Geduld, Demut und Sanftmut begegnen, so wird er gar nicht lange dahin haben, wo sich auch ihm die guten Geister fühlbarer und ersichtlicher offenbaren werden." (GEJ 06, 225, 2 ff.)

Der Weisheit dieser Worte des Herrn und Meisters ist nichts weiter anzufügen. Es kann daraus jeder das Nötige für sein Verhalten in allen Fragen des Verkehrs zwischen Diesseits und Jenseits entnehmen und auf dem gefundenen sicheren Wege in das Reich des ewigen Lebens als ein Gotteskind eingehen.






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Kapitel 80
Das Leben der Vollendeten

Über das Leben, die Aufgabe und die Seligkeit der Vollendeten in den Himmeln machen sich manche Christen sehr irrige und recht törichte Vorstellungen. Man denkt an ein Sitzen und Speisen an der Tafel Gottes, an ein Loben, Preisen und Psalmensingen. Die Helleren denken an ein Erforschen der Schöpfung oder Schauen des Angesichts Gottes. Nur wenige bedenken, dass in alledem ein ewiges Leben und eine ewige Seligkeit nicht bestehen kann und dass ein solches rein genießerisches Verhalten auch nicht dem rastlos liebetätigen Wesen Gottes entspricht, das uns als Vorbild der Vollkommenheit vor die Seele gestellt ist. Da Gott die reinste, ewig tätige Liebe ist, so kann auch unser ewiges Leben in der Vollendung nur in fort und fort sich erhöhender Liebetätigkeit bestehen.

Das große Tätigkeitsfeld der Himmlischen

ist der gefallene Urgeist Satana oder Luzifer samt seinem ganzen, im Gericht der materiellen Weltkörper gefesteten und gefangenen Gefolgschaft.

Diese Brüder und Schwestern auf der Stufenleiter der Naturreiche und der geistigen Sphären aus Nacht und Not der Widerordnung und Gottesferne zur Ordnung Gottes zurück und zur Freiheit und Herrlichkeit der Gotteskindschaft hinan zu führen — das ist die große und herrliche Bestimmung und Aufgabe aller höheren Geister und vollendeten Himmelsbürger.

"Ihr habt schon auf der Erde vernommen", spricht der Herr zu einer Schar Seliger, "dass Meine Ernte groß ist; aber es gibt noch wenige Arbeiter auf Meinem großen Erntefeld. Hier ist somit der Ort, wo ihr Meine wahrhaftigen Arbeiter und Mitarbeiter für die Einbringung Meiner Ernte werden sollet, und zwar auf die Weise, wie es schon viele eurer Brüder geworden sind. Ihr werdet hier weder pflügen, noch eggen, noch werdet ihr Getreide schneiden, noch Weingarten bearbeiten und Früchte einsammeln, sondern alles solches ist hier nur eine inwendige Entsprechung für das Liebewirken, das ihr von hier aus an den Brüdern auf der Erde üben sollet. Aber nicht nur an den Brüdern der Erde allein. Hier will Ich mit euch im weitergedehnten Sinne sprechen und sage daher: Ich habe noch gar viele Herden, die nicht im Schafstalle der Erde wohnen, sondern die da leben nach ihrer Art auf zahllos vielen anderen Erd- und Weltkörpern. Diese alle müssen in diesen Schafstall des ewigen Lebens geführt werden.

Darum gebe Ich euch nun Meine Kraft in der Fülle, damit ihr dort überall, wohin Ich euch schicken werde, vollkommen so wirken könnt, als wirkte Ich selbst. Ich könnte wohl alles dieses selbst machen, aber Ich teile euch darum alle solche Arbeit zu, damit dadurch eure Seligkeit an Meiner Seite sich fortwährend von Ewigkeit zu Ewigkeit mehren solle. Daher müßt ihr, wenn Ich einen von euch zu solch einem großen Zweck dahin oder dorthin senden werde, auch Mir gleich schauen können alle naturmäßige Welt vom innersten Grunde bis zur äußersten Rinde und ebenso auch umgekehrt (von der äußersten Hülle) bis zum innersten Grunde. Was ihr bei solch einer Sendung zu wirken habet, dessen werdet ihr allzeit vollkommen innewerden. Und so habe Ich euch nun eure große Bestimmung angezeigt, in der ihr im vollkommensten Maße nach Meiner Liebe, Weisheit und Ordnung tätig sein könnt." (Geistige Sonne, Bd. 1, 61)

Endlos mannigfaltige und große Aufgaben

gibt es hier im höchsten Liebehimmel "oft die großartigsten Besuche (von Geistern und Engeln) aus all den zahllosen Weltgebieten und sehr viele Aufgaben in verschiedenen Welten und Sonnen. Ebenso gibt es Beauftragungen in die zwei unermesslichen unteren Himmel und sonderlich in ihre zahllosen (Engels-) Vereine, sowie in all die unzähligen Geisterregionen der Welten aller Art und Maß."

Der Herr: "Für solche Gelegenheiten müssen von hier abgesandte Erzengel mit Würdezeichen versehen sein und sie als Merkmal dafür tragen, dass sie selbst den mächtigsten Sieg über sich erfochten haben und nun mit Mir Herren sind über die ganze Unendlichkeit. Bei Sendungen auf die Erde, wo Meine Kinder wachsen und gebildet werden, ist das freilich nicht nötig. Denn diese müssen in möglichst großer Einfachheit erzogen werden. Daher dürfen sie auch von hier aus mit nichts Strahlendem aus ihrer ohnehin mühsam bewahrten Demut geweckt werden. Aber ganz anders ist es bei Geistern, die da Bewohner großer Mittelsonnen sind, schon im größten Lichte und Glanze geboren werden und in Wohnungen leben, gegen die alles, was ihr sogar hier im höchsten Himmel seht, wie eine ärmliche Hütte dasteht. Da heißt es dann auch zu Zeiten, so es nötig ist, in höchster Pracht und höchstem Glanze auftreten.

Und sehet, bei solchen nicht zu selten vorkommenden Fällen braucht ihr dann auch solche Würdezeichen, durch die ihr den betreffenden Geistern kundtut, dass ihr Fürsten aus den allerhöchsten Himmeln und gleichsam Brüder des allerhöchsten Gottesgeistes seid. Unter dem Tritt eurer Füße müssen Sonnengebiete erbeben und eures Mundes Stimme muss gleichen dem Donner jener Gewitter, die auf den größten Sonnenwelten die Flammengemüter ihrer großen und mächtigen Bewohner im tiefsten Respekt erhalten. Alle Bewohner Meines allerhöchsten Himmels haben die gleiche große Bestimmung. Freilich haben die am meisten zu tun, die in Meiner nächsten Nähe in Meinem höchsteigenen Hause wohnen, gleichwie auch diejenigen Lebensnerven des Menschen in fortwährend größter Tätigkeit sein müssen, die dem Herzen zunächst liegen." (Robert Blum, Bd. 2, 287, 2-4 und 8)

Verschiedenerlei Gaben des Geistes

Da zu den vielseitigen Aufgaben der unermesslichen Schöpfungsgebiete die verschiedenartigsten Gaben und Kräfte benötigt werden, dürfen wir uns den Himmel nicht vorstellen als ein Reich völlig gleichartiger Wesen.

Raphael, ein Erzengel, spricht zu den Jüngern: "Es gibt keine Vollendung des Lebens, mit der nicht auch die innere Kraft eng verbunden wäre, weil das vollendete Leben auch die vollendete Kraft selbst ist. Doch ist in den Gaben des Geistes aus Gott an die Menschen je nach ihrer inneren Eigentümlichkeit notwendig eine Verschiedenheit, damit in alle Ewigkeit die seligen Geister sich gegenseitig dienen können nach dem Maße ihrer Liebe zu Gott und zueinander.

Daher erhält der eine in der Vollendung seines inneren Lebens die Gabe der Vorhersehung, der andere die Gabe der Weisheit im Ausdrucke des Wortes, ein anderer die Gabe der Erfindung und Schöpfung, wieder ein anderer die Gabe der Stärke des Willens, ein anderer die Kraft der Liebe, und wieder ein anderer die Gabe der Macht des Ernstes, ein anderer die der Geduld, wieder ein anderer besonders die Gabe der Macht der Erbarmung, und wieder ein anderer die der Demut. Und so fort bis ins Endlose ist bei einem dies und beim anderen jenes vorwiegend, auf dass ein Geist den andern in diesem oder jenem unterstützen kann. Doch im Notfall hat auch ein jeder (vollendete) Geist in sich alle Fähigkeiten vereint und kann wirken mit jeder erdenklichen und noch so besonderen Gabe des Geistes aus Gott.

Dass sich das aber so verhält, könnt ihr schon aus den endlos verschiedenen Talenten, Fähigkeiten und Eigenschaften der Menschen auf dieser Erde schließen.

Der eine ist ein besonders guter Redner, der andere ist ein Maler, ein anderer ein Sänger, wieder ein anderer ein vorzüglicher Rechner, ein anderer ein Mechaniker, noch ein anderer ein Baumeister; der eine ein Zeugmacher, Weber, ein anderer ein Apotheker, ein anderer ein Bergwerksmann. Und so ist ein jeder mit irgendeinem besonderen Talent schon von Natur aus begabt. Aber er ist trotz des ihm eigentümlichen besonderen Talents auch mit allen anderen menschlichen Fähigkeiten, wennschon in einem minderen Grad, beteilt und kann jede derselben durch Mühe und Fleiß zu einer gewissen Vollendung ausbilden.

Wie ihr nun diese Verschiedenheit schon hier wahrnehmt, werdet ihr auch einsehen, dass diese Verschiedenheit der Gaben des Geistes Gottes an die Lebensvollendeten eine noch unaussprechbar größere ist und sein muss, weil ohne eine solche keine wahre und allerlebendigste Seligkeit möglich wäre.

Der Weg bis zur Lebensvollendung ist für jedermann ein gleicher. Er gleicht völlig dem Ausfluß des Lichtes aus der Sonne und dem Herabfallen des Regens aus der Wolke. Aber dann schaue dir die endlos verschiedene Wirkung des gleichen Sonnenlichtes und des gleichen Regens sowohl im Reiche der Mineralien als der Pflanzen und der Tiere an! Wie du aber da eine endlose Verschiedenheit schon in den Geschöpfen der Welt beobachtest, so ergibt sich eine um so größere Verschiedenheit im lebensvollendeten Reiche der seligen Engel. Und das hat Gottes höchste Weisheit und Liebe darum angeordnet, damit die Beglückung der Geister eine desto größere werde.

Darum fraget nicht, ob ihr in eurer Lebensvollendung einst Meine Eigenschaften überkommen werdet, sondern wandelt in aller Demut und Liebe nur auf dem euch nun bekanntgegebenen Lichtwege unaufhaltsam fort, und ihr werdet dann schon ganz hell und lebendig innewerden, zu welcher Gabe des Geistes aus Gott Ihr gelangen werdet!" (Gr. Ev. Bd. 7, 152, 2-8)

Ewige Steigerung der Kräfte und Seligkeiten

Bei den liebetätigen Geistern wächst und stärkt sich auch fort und fort durch die Gnade der Ewigen Liebe die Kraft und Reichweite der Erkenntnis und die schöpferische Macht des Willens. Und eben darin besteht der eigentliche, unerschöpfliche Seligkeitsgrund der Himmelsbewohner.

Ein Engel sagt: "Was wir vollendeten Geister wollen, das geschieht, wie wir es aus unserer Liebe, Weisheit und Freiheit wollen, entweder augenblicklich oder nach und nach in einer bestimmten weisen Ordnung. Denn wir sind durch unsere Liebe zu Gott auch völlig in seiner (uns nach unserer Reifestufe) erkennbaren und ertragbaren Weisheit und Macht. Und so ist Gottes Liebe auch unsere Liebe, seine Weisheit unsere Weisheit, sein Wille unser Wille und seine Macht auch unsere Macht. — Dennoch gibt es in Gott noch unergründliche Tiefen, die kein geschaffener Geist je ergründen wird. Und könnte er das, so wäre er nicht selig, weil er dann aus Gott keine steigende Seligkeit mehr zu erwarten hätte."

"Ein im Fleisch das Erdenleben durchwanderter Geist der Himmel, der sich auf der Erde der wahren himmlischen Weisheit beflissen hat und daraus zu einem Menschen voll Liebe, Weisheit und himmlischer Gerechtigkeit geworden ist, erkennt schließlich soviel für sich allein, wie alle die anderen, den Weg im Fleische noch nicht durchlittenen, urgeschaffenen Engelsgeister zusammengenommen, weil solch ein Geist — ebenso wie des Menschen Seele ein Kompositum aller irdischen Intelligenzpartikel ist — ein Kompositum sämtlicher Himmelsintelligenzen bildet, was sicher unendlich viel sagen will." (GEJ 04, 139, 8)

Wachsender Wirkungskreis

Entsprechend dem geistigen Wachstum wird jedem Geist "im Anfang nur ein kleiner, einfacher Tätigkeitskreis zugewiesen. Ist er in diesem treu und vollauf tätig, so wird er bald über Größeres gesetzt." (Robert. Blum, Bd. 2, 295, 14)

Eine Anfangsaufgabe seliger Geister ist, wie im vorangehenden Kapitel ausgeführt wurde, das Schutzamt bei den Menschen der irdischen Ebene, meist bei hinterbliebenen Blutsverwandten. "In eurer vollen Wiedergeburt" erklärt der Herr den Jüngern, "werdet auch ihr neben Mir 'sitzen auf zwölf Stühlen' und 'richten die zwölf Stämme Israels' — was soviel sagen will, dass ihr dereinst in Meinen Himmeln mit Mir zum ewigen Wohl aller Menschen dieser Erde und auch der anderen Welten stets Mir gleich tätig sein werdet, indem ihr als den Erdenmenschen unsichtbare Schutzgeister die Menschen hier und auch jenseits bewachen, leiten und führen werdet. Denn nur in einer stets sich mehrenden wahren Liebetätigkeit besteht das wahre Himmelreich und dessen wachsende Seligkeit." (GEJ 05, 259, 2)

Den fortgeschritteneren Geistern obliegt die Leitung und Erhaltung von materiellen und geistigen Welten.

"Die Engel des obersten Himmels stehen für die Erhaltung aller Welten und sind deren oberste Leiter und Führer. Solch ein Engel ist nicht selten ein Herr und Regent eines ganzen Sonnengebiets. Um aber solch eine Regentschaft antreten zu können, muss er vorher freilich sehr vieles lernen und viele Schulen durchmachen. Ein Engel, der seine Sache gut macht und es versteht, die verschiedenen (ihm untergeordneten) Geister in vollem Respekt zu erhalten, bekommt einen stets größeren Wirkungskreis." (Robert Blum, Bd. 2, 295, 14)

Und schließlich erhalten die höchst vollendeten Himmelsbürger in immer steigendem Maße auch die Gabe der Ur- und Neuschöpfung.

"Obschon der Raum im wahrsten Sinn nach allen Seiten hin unendlich ist, ist aber dennoch in des Raumes endlosen Tiefen kein Pünktchen, wo nicht der Geist der Weisheit und Macht Gottes gegenwärtig wäre. Die wahren Kinder Gottes, die durch die rechte Liebe zu Gott, dem heiligen Vater von Ewigkeit, und ebenso in der reinen Liebe zu ihren Nächsten sich hervortun, werden jenseits im großen Vaterhause die Macht und Gewalt erhalten, den ewigen Raum mit neuen Schöpfungen stets mehr und mehr zu erfüllen."

Bei allen diesen Werken stehen den Engeln und Engelsfürsten der Himmel

Heere von Mitdienern

zur Verfügung. Einem staunenden Jünger erklärt der Erzengel Raphael: "Wie mir so manches schnell und leicht möglich ist, begreifst du, wenn du bedenkst, dass ein Geist, als das alles Innerste der Wesen und Dinge durchdringende Prinzip, mit aller Materie wirksamst schalten und walten kann. Zudem habe ich als ein Erzengel Äonen Mitdiener, die alle von Meinem Willen in jedem Augenblick abhängen. So ich aus dem Herrn heraus etwas will, so erfüllt dieser Wille auch schon zahllose mir unterstehende Diener, die sogleich in vollste Tätigkeit treten und eine verlangte Tat dann auch leicht in einen dir kaum denkbar schnellen Vollzug setzen. Ich selbst, gleichsam persönlich, tue freilich nichts. Aber durch meinen Erzwillen werden Äonen zur Tätigkeit vom innersten Seinsgrunde heraus bestimmt. Eine verlangte Tat wird auf diese Weise leicht und schnell in Vollzug gebracht. Und das um so sicherer, weil vom Herrn und von uns aus schon lange alles zu irgendeiner Tat vorbereitet ist, was dann für euch im Notfall als schon lange vollendet in die äußerlich ersichtliche Tat übertragen werden kann. So entsteht alles, wenn unser Wille die aus unseren Gedanken hervorgehenden Urnaturgeister zu einer bestimmten geordneten Tätigkeit innerlich anregt und zur Tätigkeit nötigt." (GEJ 05, 2, 4 ff.)

Die erhabene Stellung der Erdenkinder

Die höchste und umfassendste Tätigkeitsstellung im gesamten Schöpfungsbereiche ist den durch den schweren Erdenweg, die Hochschule der Kinder Gottes gegangenen Geistern vorbehalten.

"Siehe", spricht der Herr, "die Kinder der Erde sind Mir am nächsten, weil Ich sie dort wesenhaft persönlich im Fleische zu Meinen ersten Kindern gemacht habe. Und sie sind demnach hier — nach Mir — diejenigen, welche da 'richten die zwölf Geschlechter Israels', welches in der himmlisch weiten und geistig inwendigsten Bedeutung soviel besagt, als: Diesen Meinen Kindern ist es von Mir aus gegeben, mit Mir zu beherrschen, zu erforschen und zu richten (ordnen) die Unendlichkeit und alle zahllosen Schöpfungen in ihr. Und die Kinder aus den anderen Gestirnen stehen ihnen dabei so zu Diensten, wie die Glieder eines Leibes zum Dienste des Willens im Geiste allzeit bereitstehen. Daher bilden diese Geister mit einem Meiner Kinder, in großem Maßstabe der Liebetätigkeit nach genommen, gleichsam einen Menschen, versehen mit allen zum Bedarf seines Willens notwendigen Gliedern.

Demnach ist ein Kind von der Erde, aus Mir hervorgehend, der führende Wille von zahllosen anderen Geistern aus den Gestirnen, die zwar an und für sich auch ihren eigenen Willen haben und tun können nach ihrer freien Lust, was sie wollen; dennoch aber geht in Fällen des Liebewirkens der Wille Meiner Hauptkinder in sie alle aus und ein. Und dann sind sie zu Milliarden wie ein Mensch, dessen wirkender Willensgeist eines Meiner Kinder ist!" (Geistige Sonne, Bd. 2, 2)

Höchste Seligkeitsfülle in der himmlischen Ehe

Die höchste Vollendung und Seligkeit der himmlischen Geister aber besteht darin, dass jeder männliche und jeder weibliche Geist zur vorgesehenen Reifestunde von Gott seine ihm bestimmte eheliche Ergänzung finden und, mit dieser aufs innigste vermählt, vor Gottes Angesicht selig leben und wirken darf.

Mehrfach wird in den Neuoffenbarungsschriften eine solche Vermählung vollendeter Geister in den Himmeln geschildert. Zu dem im Jenseits zur Wiedergeburt gereiften Bischof Martin spricht der Herr:

"Meine Ordnung will es, dass ihr zu eurer höchsten Vollendung nicht außer, sondern in der Ehe der Himmel leben und wirken sollt. Daher muss auch ein jeder von euch, um in allem vollkommen zu sein, ein Weib haben, auf dass es erfeste für ewig seine Weisheit und aufnehme das Licht, das der Flamme der Liebe im eigenen Herzen entströmt.

Denn ein Weib ist wie ein geistiges Gefäß zur Aufnahme und Aufbewahrung des Lichtes aus euren Herzen. Zugleich aber ist das Weib eine Magd in der Lebensküche des Herzens und unterhält das heilige Lebensfeuer auf dem Herd, den Ich in eurem Herzen erbaut habe. Und so musst nun auch du ein Weib nehmen und mit Ihm völlig eins sein für ewig! Martin, Ich meine, das wird dir nicht unangenehm sein?"

Diese wahre und ewige "Ehe in den Himmeln" ist nicht nach irdisch-menschlicher Weise selbstliebig und eigenmächtig von Leib zu Leib oder von Seele zu Seele geschlossen. Darum sagt der Herr in der Heiligen Schrift: "In der Auferstehung werden sie (nach menschlicher Art) weder freien noch sich freien lassen, sondern sie werden sein wie die Engel Gottes im Himmel." (Matth. 22, 30)

Die himmlischen Ehen werden vom "inwendigsten Menschen", d.h. vom reinen göttlichen Geist des Mannes mit dem reinen göttlichen Geist des Weibes nicht nach eigensüchtiger Willkür, sondern in freiester Hingabe an den liebevollsten und weisesten Gotteswillen geschlossen. Es kann für beide Teile sich in der ganzen Unendlichkeit und Ewigkeit keine vollkommenere und beglückendere Ergänzung finden — eben weil in dieser Ehe die zwei ursprünglichen Hälften eines Urgeistwesens nach langer Lebensfahrt sich wiederfinden.

Von den Urgeistern sagt ein Engel im "Großen Evangelium": "Bei uns Urgeistern ist allein nur das männlich-positive Wesen völlig ausnahmslos waltend; aber es ist dennoch in jedem von uns auch das weiblich-negative Prinzip vollkommen gegenwärtig, und so stellt ein jeder Engel in sich die vollkommenste Ehe der Himmel Gottes dar. Es hängt ganz von uns ab, ob wir uns in der männlichen oder in der weiblichen Form zeigen wollen, und das alles in einer und derselben geistigen Haut. Darin aber, dass wir in uns selbst ein Zweisein sind, liegt auch der Grund, dass wir nie altern können, weil sich in uns die beiden Pole ewig gleichfort unterstützen. Aber bei euch Menschen sind die Pole getrennt in je eine geschlechtlich getrennte Persönlichkeit und haben darob als jeder für sich seiend, keine Unterstützung in sich." (GEJ 02, 156, 12 ff.)

Die im Urgeiste vereinigten Pole des männlich-zeugenden und weiblich-hegenden Prinzips sind also im Menschen geschieden "in je eine geschlechtlich getrennte Persönlichkeit". In der Entwicklung der Urgeister hat es sonach einmal einen Zeitpunkt gegeben, in dem sich der männliche und der weibliche Pol getrennt und gesondert auf die Lebenswanderung gemacht haben. Auf dieser Wanderung hatte die eine Geisteshälfte eine männliche, die andere Geisteshälfte eine weibliche Seele aus der Materie der Naturreiche zu erlösen und zu läutern. Und so entstanden auf der menschlichen Entwicklungsstufe ein Mann und ein Weib, die als ein von Gottes Liebe und Weisheit für einander bestimmtes Paar, sei es im Diesseits oder im Jenseits, zur vorgesehenen Schicksalsstunde sich begegnen, in reiner, tiefer Geistesliebe sich erkennen und für ewig verbinden dürfen zur höchsten, vereinten Seligkeit in Gott als eine ewige "Doppel-Persönlichkeit" (siehe auch "Ehe auf Erden und im Himmel": Kap. 45).

Am großen Ziel

In dieser "vollkommenen Ehe der Himmel Gottes" eines vollkommen vergeistigten, d.h. in der reinen Demut und Liebe voll gereiften Menschen- und nunmehr Engelpaares ist das große Ziel der göttlichen Wesenbildung vom Schöpfer erreicht.

Diese Wesen sind durch die göttliche Führung und durch ihre eigene Freitätigkeit auf dem Wege der Lebenserfahrung zur freiwilligen Annahme göttlicher Erkenntnisse und dadurch zur freien Gestaltung ihrer Liebe und ihres Willens nach der ewigen Gottesordnung gelangt und sind sonach

1. vollkommen göttlich gut und wahrhaft

2. vollkommen frei und selbständig

3. vollkommen schöpfermächtig.

In diesen drei Eigenschaften sind sie dem allervollkommensten und freiesten, alleinigen, ewigen und unendlichen Gottgeistwesen, dem Vater in Jesus ebenbildlich und mithin seine wahren Kinder geworden.

Auch ihr Wesen ist, wie das göttliche, innerlich grundsätzlich polarisch gestaltet. Der reine Geist stellt den zeugenden, männlichen Pol, die geläuterte Seele den hegenden, weiblichen Pol dar. Und der seelische Teil ist nun, wie bei Gott, in frei dienender Stellung.

Ein Gotteskind, in dem das männlich-zeugende Prinzip und ein Gotteskind, in dem das weiblich-hegende Prinzip vorwaltet, sind zu gegenseitiger Ergänzung und Vervollkommnung vereint zu einem himmlischen Paar. Viele solcher Paare bilden — in biblischer Sprache — die "Braut" oder "Brautgemeinde" des himmlischen Bräutigams Christus und — in der Neuoffenbarungssprache — die seligste Kinderschar des heiligsten Vaters in Jesus.

Ein Erleuchteter spricht:

"Der Schöpfung großes Doppelziel ist so erreicht: Das Kind hat seinen ewigen, heiligen Vater erkannt, es schaut Ihn mit liebetrunkenen Augen und freut sich seiner über alle Maßen. Und auch der Vater freut sich endlos, dass Er nun nicht mehr allein ist, sondern in der beglückenden Mitte seiner Kinder, die Ihn erkennen, über alles lieben und stets von neuem seine Wunderwerke staunend genießen und seine unendliche Liebe, Weisheit und Macht preisen! Und das muss ja dann für den Schöpfer wie für das Geschöpf höchste Seligkeit bedeuten." (GEJ 03, 239, 13)


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